Nahrungsmittel-Allergien: Probiotica scheinen eine mögliche Hilfe bei der Behandlung zu sein
Am EAACI Kongress in Venedig diskutierten Fachleute die neusten Erkenntnisse zu Lebensmittel-Allergien. Unter anderem wiesen sie darauf hin, dass Kinder mit Lebensmittel-Allergien in ihrem Leben stark eingeschränkt sind, was auch ihre Entwicklung stören kann. Und: Yoghurt, respektive Probiotica, scheinen der Behandlung oder der Prävention förderlich zu sein.
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Kinder mit Lebensmittelallergien leiden besonders häufig unter Ängsten und Einsamkeit: 20% meiden Aktivitäten und Treffen mit Gleichaltrigen, wie z.B. Geburtstagsparties. Ein Viertel der Kinder mit Lebensmittelallergien teilt nie das Essen mit anderen, sondern isst nur "sichere", mitgebrachte Nahrung.
Nahrungsmittel-Allergien schränken die Lebensqualität von Kindern ein
Lebensmittelallergien lasten besonders schwer auf Kindern und können deren Entwicklung negativ beeinflussen, weil Allergien im täglichen Leben oft grosse Einschränkungen mit sich bringen, wenn es darum geht, in Gemeinschaft mit anderen Kindern etwas zu unternehmen. Das geht aus einer Studie hervor, die jetzt auf dem "Kongress für Lebensmittelallergien und Anaphylaxie 2011" in Venedig vorgestellt wurde.
Demnach wollen 23% der untersuchten allergischen Kinder keine anderen Lebensmittel zu sich nehmen als die, die sich als sicher herausgestellt haben, auch wenn es als monoton empfunden wird. Das führt zu einseitiger Ernährung. Ein Zehntel aller allergischen Kinder treibt zudem keinen Sport, aus Angst, einen anaphylaktischen Schock zu erleiden.
Keine Kindergeburtstage aus Angst vor rllergischen Reaktionen
"Rund 17% der allergischen Kinder gehen überhaupt nicht auf Parties oder zu Picknicks mit Freunden, unabhängig vom Alter, während 25% gezwungen sind, immer ihr eigenes Essen mitzubringen", so Prof. Maria Antonella Muraro, Vorsitzendes des EAACI-Kongresses. Die Studie, verantwortet von Prof. Muraro, wurde am Zentrum für die Erforschung und Behandlung von Allergien und Lebensmittelunverträglichkeiten der Universitätsklinik Padua durchgeführt. Dafür wurden 107 Kinder mit Lebensmittelallergien und deren Mütter befragt.
Bereits kleinste Mengen des Allergens können schwere Folgen haben
"Bis zu 15% der anaphylaktischen Schocks werden durch körperliche Anstregung ausgelöst, auch wenn zuvor nur kleine Mengen der unverträglichen Lebensmittel konsumiert worden waren, die ohne die körperliche Anstrengung harmlos gewesen wären. Das führt dazu, dass 10 Prozent der betroffenen Kinder überhaupt keinen Sport mehr treiben", so Prof. Muraro. "Allergien werden häufig verharmlost, aber bei Kindern können sie zu Entwicklungsstörungen führen. Denn lebensmittelallergische Kinder leben häufig in ständiger Angst und Sorge, krank zu werden. Die Stresssymptone sind ausgeprägter als bei Kindern mit Diabetes."
Kinder mit Notfallset unterwegs
Weiter wird die Bewegungsfreiheit von Kindern mit Lebensmittelallergien dadurch eingeschränkt, die entsprechende Notfallausrüstung immer bei sich tragen zu müssen, wie z.B. Adrenalinspritzen für den Fall eines anaphylaktischen Schocks. Obwohl diese Spritzen in der Handhabung sehr viel einfacher geworden sind, verlässen rund ein Drittel aller betroffenen Kinder das Haus ohne diesen Notfallschutz.
"In acht bis zehn Minuten nach der Spritze klingen die Schocksymptone ab, sie reichen von Nesselsucht und Atembeschwerden über Magen- und Darmprobleme wie Übelkeit und Durchfall bis zu Herzversagen", erklärt Prof. Muraro. "Die Adrenalininjektion hat mit Gereiztheit und Zittern geringe Nebenwirkungen verglichen mit der unter Umständen lebensrettenden Wirkung. Diese Nebenwirkungen klingen in der Regel nach ein bis zwei Stunden ab, sobald der Körper das Adrenalin verarbeitet hat. Patienten sollten sich darüber keine Sorgen machen, auch nicht diejenigen mit Herzerkrankungen."
Elternrat: Nicht Rauchen, viele Gemüse und Obst
Die EAACI hat Empfehlungen herausgegeben, wie Lebensmittelallergien vermieden werden können; sehr negative Wirkungen hat es zum Beispiel, wenn Mütter oder Familienmitglieder rauchen. Der Verzehr von Obst und Gemüse hat hingegen eine vorbeugende Wirkung, ebenso wie Antioxidantien und Vitamin D.
"Das Immunsystem des Menschen ist noch nicht vollständig erforscht, aber wir machen ermutigende Fortschritte. Die EAACI hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Wissen und Bewusstsein auf diesem Gebiet in den nächsten Jahren massgeblich voranzubringen", so Prof. Cezmi Akdis, designierter EAACI-Präsident.
"Doppel-Allergie": Viele Betroffene sind allergisch gegen Früchte, Gemüse und Pollen
8.5 Millionen Europäer trifft es doppelt: sie sind allergisch gegen Pollen und Lebensmittel, wobei eine Pollenallergie die Lebensmittelallergie noch verschlimmern kann. Hier spricht man von einer Kreuzallergie. Das geht aus einer weiteren Studie hervor, die auf dem EAACI-Kongress vorgestellt wurde.
Die Betroffenen leiden dann besonders unter Niessen, juckenden Augen, einer schmerzenden Zunge und geschwollenen Lippen.
"Einige der Proteine, die in den Pollen von Bäumen gefunden werden, kommen auch in anderen Pflanzen vor, so dass die Liste mit Lebensmitteln, die mit Pollen reagieren, immer länger wird", berichtet Prof. Muraro. "So geht eine Allergie gegen Pfirsiche, Äpfel und Aprikosen oft einher mit einer Intoleranz gegenüber Birkenpollen. Auch Selerie, Fenchel, Sojabohnen, Avocado und Passionsfrucht können ähnliche Probleme hervorrufen."
Während Aprikosen und Pfirsiche besonders häufig in Italien und Spanien für allergische Reaktionen sorgen, sind es in Frankreich und Deutschland eher Äpfel. Pflaumen sind besonders in Grossbritannien problematisch, wohingegen Selerie und Fenchel in der Schweiz und in den Niederlanden besonders häufig unverträglich sind. Die Unterschiede ergeben sich durch die verschiedenen Essgewohngewohnte und dadurch, dass die Pollenarten unterschiedlich stark verbreitet sind. Eine Rolle spielt auch, wie viele verschiedene Allergene in den jeweils landesspezifisch besonders beliebten Früchten und im Gemüsearten vorkommen.
Lebensmittelallergien und Yoghurt: unerwartete Hilfe
Yoghurt kann hilfreich sein bei der Vermeidung und Behandlung von Lebensmittelallergien. Das zeigen Forschungsergebnisse, die ebenfalls auf dem EAACI-Kongress präsentiert wurden.
"Probiotica beeinflussen das Immunsystem und die Darmflora" so Prof. Susanne Halken, EAACI-Verantwortliche für Kinderheilkunde. "Das kann dazu beitragen, dass der Körper Allegene richtig erkennt und nicht die Abwehrreaktionen gegen Lebensmittel auslöst, die an sich vollkommen harmlos sind. Weiter wirken Milchsäurebakterien entzündungshemmend, das heisst, sie können die Symptone von Lebensmittelallergien lindern. Aber nicht allen Arten von Probiotika haben eine allergiehemmende oder allergielindernde Wirkung gezeigt. Es hat sich auch gezeigt, dass eine wirkungsvolle Dosierung höher sein müsste, als die, die nur über den Verzehr von Joghurt erreicht werden kann."
Veranstaltet wird der Kongress von der European Academy of Allergy and Clinical Immunology (EAACI), Zürich.
21.02.2011