"Viele Frauen erdulden übermässig starke Menstruationsblutungen, weil sie es schlicht nicht anders kennen" - Experteninterview
Dr. Christoph König ist Facharzt FMH für Gynäkologie und Geburtshilfe in Bern. In seiner Praxis behandelt und berät er Frauen, rund um das Thema Menstruation.
Inhalt des Interviews
- Was versteht man unter einer starken Monatsblutung?
- Was bedeutet das für die sportliche Aktivität und die berufliche Karriere?
- Was kann die junge Frau gegen die starke Blutung unternehmen?
- Was sind die Auswirkungen des starken Blutverlustes?
- Wie kann die Blutung abgeschwächt oder sogar unterbunden werden?
- Wie merkt eine Frau dass sie eine starke Blutung hat?
- Welche Rolle spielt der Menstruationskalender?
- Was möchten Sie betroffenen Frauen für Tipps mit auf den Weg geben?
Herr Dr. König, was versteht man unter einer starken Monatsblutung?
Dr. Christoph König:
Die Grenze zwischen einer normalen und einer starken Monatsblutung ist fliessend. Jede Frau empfindet dies unterschiedlich. Grundsätzlich kann man sagen, dass eine Frau eine starke Menstruationsblutung hat, wenn ihre Blutung mehr als fünf Tage dauert, und/oder wenn sie sehr viel Blut verliert. Dabei richtet man sich an die Häufigkeit des Tamponwechsels. Muss er stündlich ersetzt werden, ist die Menstruation deutlich stärker als normal.
Was bedeutet das für die sportliche Aktivität und die berufliche Karriere?
Dr. Christoph König:
Je stärker die Monatsblutung, desto stärker eingeschränkt ist die Frau in allem was sie tut. Aufgrund der starken Blutung verliert sie nicht nur Blut sondern auch viel Eisen. Um neues Blut zu bilden, braucht der Körper aber Eisen. Beides, die Blutarmut und der tiefe Ferritinspiegel, wirken sich schlussendlich auf die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit der betroffenen Frau aus. Unbehandelt kann sich sogar eine Depression daraus entwickeln. Nicht selten sind die starken Blutungen auch begleitet von Menstruationsschmerzen. Das führt nicht selten zu regelmässigen Absenzen bei der Arbeit.
Was kann die junge Frau gegen die starke Blutung unternehmen?
Dr. Christoph König:
Es gibt verschiedene Wege, um das Thema anzugehen. Fühlt sich die Frau hauptsächlich müde, stört sich aber nicht an der Blutung, reicht oft die Einnahme eines Eisenpräparates. Die Blutung selber kann man mit Hormonpräparaten beeinflussen. Entweder mit der normalen Antibabypille, mit Langzeitpillen die den Zyklus zum Beispiel für vier Monate unterbrechen, mit Hormonpillen die nicht empfängnisverhütend wirken oder mit der Hormonspirale, mit der die Menstruation während der ganzen Tragedauer «ausbleibt». Viele meiner Patientinnen haben auch sehr gute Erfolge mit pflanzlichen Heilmitteln, der Akupunktur oder anderen alternativen Therapiemethoden gemacht.
Was sind die Auswirkungen des starken Blutverlustes?
Dr. Christoph König:
Der Blutverlust hat vor allem einen Einfluss auf die Hämoglobin- und Eisenwerte. Fehlt das Eisen, merkt dies die Frau an verschiedensten Symptomen. Müdigkeit, Haarausfall, brüchige Nägel, Leistungsabfall aber auch Stimmungsschwankungen und abnehmende Antriebskraft können mit einem Eisenmangel einhergehen. Auswirkungen hat eine starke Blutung aber natürlich auch auf die Sexualität und die Lebensqualität. Zudem trocknen die Tampons auf die Dauer die Scheide aus und die Neigung zu Scheidenpilz kann somit steigen.
Wie kann die Blutung abgeschwächt oder sogar unterbunden werden?
Dr. Christoph König:
Mit den hormonellen Langzeitpillen, die ohne Unterbruch über mehrere Monate eingenommen werden, kann zum Beispiel ein zu starker Blutverlust verhindert werden. Abgeschwächt wird die Blutung aber auch durch eine herkömmliche Verhütungspille.
Wie merkt eine Frau dass sie eine starke Blutung hat?
Dr. Christoph König:
Man kann sagen, dass eine Frau normalerweise drei bis fünf Tage blutet. Auch am stärksten Tag der Blutung sollte der saugfähigste Tampon etwa nach drei bis vier Stunden gewechselt werden müssen. Ein stündlicher Wechsel und eine Blutung über mehr als fünf Tage sind zu viel und bedürfen eine ärztliche Abklärung.
Welche Rolle spielt der Menstruationskalender?
Dr. Christoph König:
Das regelmässige Aufzeichnen vom Zyklus ist meiner Meinung nach nur sinnvoll bei unregelmässigen, starken oder zu häufigen Monatsblutungen.
Was möchten Sie betroffenen Frauen für Tipps mit auf den Weg geben?
Dr. Christoph König:
Ich möchte die Frauen ermutigen, sich frühzeitig Hilfe und Beratung beim Frauenarzt zu holen. Es scheint mir auch wichtig, dass die Frauen aktiv bleiben und das Problem angehen. Auf welchem Weg auch immer. Ich bin sehr dafür, dass hormonelle Massnahmen mit Heilpflanzen oder anderen alternativen Methoden kombiniert werden.
Dr. med. Christoph König ist Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe mit eigener Praxis in Bern. Ausserdem ist er als Facharzt am Salemspital in Bern tätig.
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13.12.2011