Hirnveränderungen nach Armbruch innerhalb weniger Tage
Unser Gehirn ist sehr flexibel, das ist bekannt. So flexibel, dass bei einem Armbruch der gesunde Arm innerhalb weniger Tage vorher unbekannte Arbeiten zu übernehmen versteht, wie Hirnforscher der Universität Zürich festgestellt haben.
Jeder kennt das: Eine Körperseite ist stärker und mobiler als die andere.
So haben zum Beispiel ausgeprägte Rechtshänder eher Mühe mit der linken Hand feinmotorische Arbeiten wie Zähneputzen, Schreiben etc. auszuführen.
Dass dafür zuständige Hirnareale trainiert werden können, beweisen zum Beispiel Berufsmusiker: Je nach Instrument haben sie sich Fähigkeiten antrainiert, welche Nichtmusikern schwer fallen.
So ist zum Beispiel beim Schlagzeuger die Motorik seiner Hände etwa gleichstark ausgeprägt, da er zum Trommeln beide Seiten und ausserdem seine Füsse und Hände unabhängig voneinander trainiert. Oder der Taxifahrer: Mit den Jahren entwickelt er einen viel stärkeren Orientierungssinn - verglichen mit jemandem, der nie durch fremde Gegenden fährt.
Die Forscher wollten aber nun wissen, wie schnell das Gehirn zu solchen Anpassungen fähig ist, das heisst wie viel „Training“ es braucht, damit der „Gegenpart“ genug starkt ist, um Arbeiten zu übernehmen.
Sie untersuchten dazu 10 ausgeprägte Rechtshänder, die ihren rechten (also starken) Oberarm gebrochen hatten. Während mindestens 14 Tagen wurde den den Teilnehmern mittels eines Gipsverbandes oder einer Armschlinge der rechte, verletzte Arm ruhig gestellt. In dieser Zeit musste der linke (und damit der schwächere) Arm, alltägliche Arbeiten (Anziehen, Zähneputzen, Rasieren, Essen etc.) übernehmen.
Zunächst untersuchten die Forscher mittels Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) nach 48 Stunden Ruhigstellung und erneut nach 16 Tagen das Gehirn der Teilnehmer. Daraus errechneten die Forscher Veränderungen der grauen und weissen Hirnsubstanz sowie der Hirnrinde.
Resultat: Innerhalb weniger Tage nahm die graue und weisse Hirnsubstanz in den Bewegungsarealen der linken Hirnhälfte ab. Das ist insofern plausibel, als dass die linke Hirnhälfte die Funktion des rechten Arms - also des ruhiggestellten Arms - kontrolliert.
Umgekehrt nahm die Hirnsubstanz der rechten Hirnhälfte – welche den linken, schwächeren Arm kontrolliert – zu.
Gleichzeitig beobachteten die Forscher eine Verbesserung der Feinmotorik der linken Hand in nur 16 Tagen. Ausserdem entdeckten sie, dass je grösser diese Fortschritte waren, desto mehr nahm die Hirnsubstanz im rechten Areal zu und im linken ab.
Nicht untersucht hatten die Forscher, ob die Hirnveränderungen nach der Heilung der Verletzung rückgängig waren.
Laut den Forschern seien die Resultate auch für die Therapie bei Schlaganfällen interessant: Eine Therapievariante wäre dann womöglich, den noch gut funktionierenden Arm ruhig zu stellen, damit der von Lähmungen betroffene Arm gestärkt werde. Wie der Patient sich dann selber helfen sollte, beschreiben die Forscher allerdings nicht.
Dennoch: Ein verletzter Arm oder ein verletztes Bein sollten grundsätzlich so kurz wie möglich und so lang wie notwendig ruhiggestellt werden, sind sich die Forscher sicher.
25.01.2012