Intensivmedizin beim betagten Patienten – keine pauschalen Lösungen
In vielen Intensivstationen der Schweiz hat der Anteil betagter und hochbetagter Patienten in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Dieser Trend verlangt eine Vorbereitung für neue Aufgaben, so das Fazit des Symposiums der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI).
''Intensivmedizin beim betagten Patienten – eine Herausforderung für die Gesellschaft'' lautete das Thema des SGI-Symposiums vom 9. April am Inselspital, Universitätsspital Bern.
Was ist sinnvoll in der aufwändigen und teuren Intensivmedizin beim betagten Patienten? Es gibt keine einheitliche Antwort auf diese schwierige Frage. Jeder einzelne Fall wird daraufhin beurteilt, welches Verbesserungspotenzial eine Therapie oder ein Eingriff bietet.
Nur 5% der Patienten haben eine Patientenverfügung
Zudem muss der Wunsch des Patienten berücksichtigt werden, unterstrich Margrit Kessler, Präsidentin der SPO Patientenschutz. Sie erhalte mehr Klagen von Patienten, dass zu viel gemacht worden sei, und kaum Klagen, dass zu wenig gemacht worden sei. Allerdings haben nur rund 5% eine Patientenverfügung. Da Patienten in einer Akutsituation oft nicht mehr selbst entscheidungsfähig sind, sollte sich jeder von uns bereits in „ruhigen“ und „normalen“ Zeiten Gedanken machen dazu, welche Behandlung er im Falle eines schweren Unfalles oder einer schweren Krankheit er wünscht.
Zunehmende Lebenserwartung wird zum Problem
Die zunehmende Lebenserwartung – sie wird in 30 Jahren nochmals um drei bis fünf Jahre steigen – und der Einsatz der modernen Medizin haben zur Folge, dass die Menschen später krank werden. Der Anteil der über 70-jährigen Patienten in der Klinik für Intensivmedizin im Inselspital ist seit dem Jahr 1980 von knapp 20% auf über 35% im Jahr 2007 gestiegen, der Anteil der 80 bis 90-jährigen stieg von 5% im Jahr 1997 auf 12% im Jahr 2007.
Die Gesundheitskosten nehmen mit steigendem Alter zu. Die Kosten für den medizinischen Aufwand am Lebensende seien aber im mittleren Alter wesentlich höher als beim Betagten, weil bei jüngeren Patienten oft viel mehr Mittel eingesetzt würden, um den Tod hinauszuschieben als bei älteren, erklärte Dr. med. Reto Guetg, Vertrauensarzt bei Santésuisse.
Unter 80-Jährige haben vergleichbare Prognosen mit Jüngeren
Prof. Jean-Claude Chevrolet, Chefarzt der Intensivmedizin am Genfer Universitätsspital HUG (HUG), legte dar, dass Patienten unter 80 Jahren eine vergleichbare Prognose haben wie jüngere Patienten, die wegen ähnlicher Krankheiten hospitalisiert werden. Erst Patienten über 85 Jahre haben, unabhängig von ihrer Krankheit, wegen ihres Alters eine schlechtere Prognose.
Gemäss Prof. Stephan Marsch, Chefarzt der Klinik für Intensivmedizin des Universitätsspitals Basel, ist das Alter aber kein geeignetes Kriterium für alle relevanten Entscheide auf der Intensivstation: „Die Leute sterben nicht, weil sie alt sind, sondern weil sie krank sind.“
17.04.2008