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Menière Krankheit: Persönliche Erfahrungen im Umgang mit der Krankheit von J.L.

Ein 44 jähriger Vater von zwei Kindern, der einen interessanten und wichtigen Posten besetzte, wird eines Tages von schrecklichen Schwindelattacken heimgesucht, die sich bald als Symptome der Menière Erkrankung herausstellten.

Erste Anzeichen

Als erstes Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmte, bemerkte er einen plötzlichen Linksdrall beim Laufen. Allerdings war der Zusammenhang mit der Menière-Krankheit für ihn zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkennbar. "Ich ging in die Garage zu meinem Auto und wurde immer wieder nach links gezogen. Ich konnte gar nicht mehr gerade gehen. Darüber hinaus richtete ich die Spitze meines linken Fusses nach vorn. Selbst beim Parken meines Autos wich ich nach links ab."

J.L.kommt auf die Idee, dass vielleicht ein Bein länger ist als das andere und konsultiert deswegen einen Orthopäden. Der Facharzt findet jedoch kein Problem mit seiner Haltung und rät ihm, keine zu dicken Sohlen zu verwenden.

Danach kamen die Ohrgeräusche. Nach der Heimkehr aus dem Urlaub begann das linke Ohr zu pfeifen. Das war im September 1997. Der konsultierte Arzt kann sein Gefühl der Ohnmacht nicht verbergen.

Vier Monate später wurde J.L. von seinem ersten Schwindelanfall auf dem Flur seiner Wohnung überwältigt. Er musste sich an den Wänden festhalten, um nicht zu Boden zu fallen. Er schwitzte stark, ihm war übel, und er musste sich hinlegen. "Nach zwei Stunden ging es mir wieder gut. Wir dachten, erst, dass es sich vielleicht um einen plötzlichen Blutdruckabfall handelte, aber dann dachten wir auch sofort an die Möglichkeit der Menière-Krankheit. Meine Grossmutter hatte das auch. Ich suchte in Büchern und im Internet. Die beschriebenen Symptome trafen alle auf mich zu."

Die Angst bei der Arbeit

J.L. war zu dem Zeitpunkt 44 Jahre alt. Er war verheiratet und Vater von zwei Kindern, und er besetzte einen wichtigen Posten in einer industriellen Grossbäckerei. Er arbeitet bei starkem Lärm und inmitten von Maschinen. Die Zukunft war ungewiss. Es gab Gerüchte, dass die Firma bald geschlossen würde. Er wurde zwar drei- bis viermal wöchentlich von Schwindelanfällen heimgesucht, aber der Bäckermeister wollte nicht, dass seine Arbeit darunter litt.

"Abgesehen von den 10 Tagen Erholungszeit nach der Sacculotomie habe ich wegen meiner Erkrankung nie gefehlt. Aber zweimal musste man mich nach Hause bringen. Es ist mir auch schon passiert, dass ich mich in der Krankenstation auf eine Liege legen musste. Wenn ich mich nicht gut fühlte, versuchte ich, mir eine ruhigere Arbeit zu suchen. Meine Vorgesetzten wussten über meine Situation Bescheid. Aber die Angst war am schlimmsten. Ich glaubte, sie nicht mehr ertragen zu können. Ich fürchtete, ihr nicht mehr gewachsen zu sein, und dass man mich von meiner verantwortungsvollen Arbeit entbinden könnte."

Die Angst beim Autofahren

Auch ausserhalb der Arbeit und trotz der in entsprechender Dosierung eingenommenen Medikamente kam es immer wieder zu Schwindelanfällen - im Urlaub, auf einem Schiff, beim Fahrradfahren, im Auto. "Einmal hatte ich beim Autofahren das Gefühl, in einen Abgrund zu fallen. Glücklicherweise war da ein Parkplatz, und ich konnte anhalten und abwarten, bis der Anfall vorbei war. Ein anderes Mal fuhr ich mit der ganzen Familie von Zürich nach Genf und war während der gesamten Fahrt aufs äusserste angespannt. Das war schrecklich. Ich musste mich unheimlich anstrengen um durchzuhalten. Und ich habe mir geschworen, das nie wieder zu tun."

"Wir sprechen von nichts anderem"

Normalerweise spürte J.L. vorher, wenn sich ein Anfall anbahnte. "Es gab Tage, an denen ich mich morgens nicht so hundertprozentig fühlte. Das bedeutete, dass es im Laufe des Tages zu einem Anfall kommen würde. Der Anfall begann mit starkem Schwitzen am oberen Rücken und am Hinterkopf. Ich verspürte den Drang, mich zu übergeben. Ich glaube auch, dass das Pfeifen im Ohr stärker wurde. Alles drehte sich, und zwar ständig in derselben Richtung, von rechts nach links. Das wurde auch durch Schliessen der Augen nicht besser. Wenn ich mich bequem hinsetzte, konnte ich die Situation mehr oder weniger kontrollieren. Ich fühlte mich etwa eine halbe Stunde unheimlich schlecht, und dann begann ich plötzlich, mich immer besser zu fühlen."

J.L. beobachtete auch, dass eine Krise durch bestimmte Stresssituationen ausgelöst werden konnte. Wir befanden uns einmal in einer wichtigen Sitzung. Wir trugen Kopfhörer für die Simultanübersetzung. Die funktionierten aber nicht richtig, und ich hörte ein ständiges Pfeifen. Ich war stark angespannt, und ich begann schrecklich stark zu schwitzen und wurde ganz weiss. Ich habe mich nicht von meinem Stuhl bewegt. Und dann ging es auch wieder vorbei."

Im Jahr 1999 bestand das Alltagsleben von J.L. nur aus Angst. "Jeden Tag lebte ich in der Furcht vor einem neuen Anfall. Oder auch zwei. An einem Tag hatte ich sogar drei Anfälle. Ich hatte Angst davor, dass die Schwindelattacken mich in einem ungünstigen Moment erwischen würden.

Das war einfach kein Leben mehr. Ich wollte mit dieser Krankheit nichts mehr zu tun haben. Ich hatte davon die Nase voll. Ich konnte keiner Freizeitbeschäftigung mehr nachgehen und vermied jede plötzliche Bewegung. Ich wollte die Krankheit einfach nur loswerden. Ich machte mir alle möglichen Gedanken. Und wir sprachen von nichts anderem. Immer wieder wurde ich gefragt: Hattest du Schwindel? Hattest du keinen Schwindel?"

Der Wendepunkt

Am Ende des Jahres 1999 bringt eine Sacculotomie endlich die Lösung. Zuerst für etwa zwei Monate vollständige Beschwerdefreiheit. J.L. glaubte, nun für immer von seinem Schwindel befreit zu sein und setzte alle Medikamente ab. Aber ein Rückfall versetzte seiner naiven Hoffnung eine kalte Dusche, und J.L. nahm seine Medikamente gegen Schwindel wieder ein.

Er suchte auch nach alternativen Heilungsmethoden und machte einige Akupunktursitzungen, versuchte es mit Homöopathie und hatte den Eindruck, dass sein Ohrensausen und -pfeifen davon besser wurde, denn er führt über seine Erkrankung Tagebuch. Mit der Zeit besserte sich der Schwindel und verschwand schliesslich ganz. Der Zeitpunkt des vollständigen Verschwindens fiel mit einer Veränderung seiner Arbeit zusammen, denn bevor das grosse Unternehmen geschlossen wurde, fand er eine Arbeit in einer besser überschaubaren und weniger lauten Umgebung. Die beruflichen Sorgen kümmern ihn nun nicht mehr.

Seit Oktober 2000 leidet J.L. überhaupt nicht mehr an Schwindel. Er ist lediglich noch gegen bestimmte Arten von Lärm empfindlich. Nach seiner Meinung war der Lärm an seinem früheren Arbeitsplatz seiner Menière-Krankheit ganz sicher nicht zuträglich. Als Folge seiner Erkrankung blieb eine starke Beeinträchtigung des Hörvermögens auf dem linken Ohr zurück, die ihn relativ stark behindert, wenn er sich in einer Gruppe von Menschen befindet. Er bewahrt natürlich weiterhin das Tagebuch auf, das er seit Beginn seiner Erkrankung geführt hat. Aber vor allem möchte er vergessen. "Ich will nicht mehr daran denken. Im Grunde genommen lebe ich wieder wie vorher, nur mit zwei Tabletten gegen Schwindel pro Tag, je eine morgens und abends. Ich traue mir einfach nicht, sie abzusetzen."

Behandlungsmöglichkeiten bei Schwindel

Sacculotomie

Bei der Sacculotomie handelt es sich um einen chirurgischen Eingriff, der unter örtlicher Betäubung über den äusseren Gehörgang durchgeführt werden kann. Dabei wird die Trommelfellmembran angehoben und der Chirurg gelangt über den Steigbügel ins Innenohr. In den meisten Fällen muss der Eingriff mehrmals durchgeführt werden. In ca. 10 bis 15% der Fälle besteht ein Hörverlustsrisiko.

Doris Zumbühl

Doris Zumbühl ist diplomierte Medizinische Praxisassistentin. Sie verfügt über mehrere Weiterbildungen in den Bereichen Journalismus, IT und Bildbearbeitung.
 
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