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Amyotrophe Lateralsklerose: Fortschreitender Muskelschwäche
Amyotrophe Lateralsklerose: Fortschreitender Muskelschwäche

Die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine chronische, fortschreitende Erkrankung des zentralen Nervensystems. Sie entsteht durch den Untergang der motorischen Nervenzellen im Gehirn und Rückenmark. Damit ist der Teil des Nervensystems betroffen, welcher für die willkürliche Steuerung der Skelettmuskulatur zuständig ist.

In der Schweiz wird die Diagnose ALS ca. 100 -150 Mal pro Jahr gestellt. Die Häufigkeit beträgt 1-2 Fälle pro 100'000 Personen. Die ALS ist eine sehr schwere Erkrankung, eine Heilung ist bis anhin nicht möglich. Die durchschnittliche Lebensdauer nach Feststellen der Diagnose beträgt ca. 3-5 Jahre. Aber auch langsame Verläufe über zehn Jahre und mehr sind möglich.

Bei einer Minderheit von Patienten ist die ALS vererbt.

Bei den meisten der Patienten mit ALS ist die Ursache unbekannt.

Als Ursache werden verschiedene Hypothesen diskutiert, wie die Anreicherung zu viel Glutamat in den Nervenzellen, die den Untergang der motorischen Nervenzellen (Motoneuronen) verursachen könnte. Glutamat ist wichtig für die Weiterleitung von Nervenimpulsen im zentralen Nervensystem (Gehirn und Rückenmark).

Betroffen sind das erste und das zweite Motoneuron. Das erste hat den Ursprung in der Grosshirnrinde und zieht mit einem langen Zellfortsatz ins Rückenmark. Das zweite verbindet das Rückenmark mit der Muskulatur. Je nachdem, ob die Nervenzellen im Gehirn oder die Zellen mit Ursprung im Rückenmark stärker betroffen sind, variieren die Schwerpunkte der Symptome.

Der Beginn der ALS ist meist durch eine zunächst scheinbar harmlose Muskelschwäche oder durch Muskelkrämpe (z.B. Wadenkrämpfe) erkennbar. Dabei unterscheidet man zwei verschiedene Formen:
  • Krankheitsbeginn an Armen oder Beinen (ca. 80% der Fälle)
  • Beginn mit Sprechstörungen und Schluckstörungen, wenn zuerst die Sprech-, Kau- und Schluckmuskulatur betroffen ist (ca. 20% der Fälle)


Für die ALS charakteristisch ist das gleichzeitige Auftreten von:

  • Muskelschwund (Atrophie) und
  • Steifigkeit (Spastik)

Nach und nach treten Lähmungen am ganzen Körper auf, meist innerhalb weniger Jahre. Die Körperwahrnehmung, die Kontrolle von Stuhl und Urin sowie die Gedächtnisfunktionen sind - falls nicht andere Krankheiten bestehen - bei der ALS erhalten.

Eine Prognose zum Krankheitsverlauf kann zu Beginn der Erkrankung nicht gemacht werden. Die meisten Patienten sterben an einer Atemlähmung durch Lähmung des Zwerchfells, dem ''Atmungsmotor'' oder infolge einer Lungenentzündung infolge von Atemstörungen und Schluckstörungen (wenn Nahrungsmittel in die Atemwege gelangen).

    Es gibt bisher keinen Labortest und keine Untersuchungsmethode zur sicheren Diagnose einer ALS. Nur die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen und das Ausschliessen anderer ähnlicher Krankheitsbilder sichern die Diagnose einer ALS.
    • Erhebung der Krankengeschichte
    • Körperliche Untersuchung mit ausgedehnten Tests zu Funktionsprüfung des Nervensystems
    • Blutuntersuchungen
    • Punktion des Liquors (Rückenmarkflüssigkeit)
    • Computertomographie
    • Magnetresonanztomographie (MRI): vor allem zum Ausschluss anderer Nervenkrankheiten
    • Elektromyographie (EMG = Aufzeichnung der elektrischen Aktivität einzelner Muskelgruppen)
    • Elektroneurographie (ENG = Messung der Nervenfunktion, vor allem der Nevenleitgeschwindigkeit)

    Je früher die Diagnose gestellt wird, desto früher kann mit der Behandlung begonnen werden. Bisher gibt es nur ein einziges Medikament, das den Krankheitsprozess im Frühstadium verlangsamen, aber nicht stoppen kann. Die weiteren Behandlungsmassnahmen beschränken sich bisher darauf, Symptome zu lindern und die Lebensqualität möglichst zu verbessern.

    Schutz der Nervenzellen durch Medikamente

    • Riluzol ist der einzige Wirkstoff, welcher den Krankheitsverlauf günstig beeinflusst.Das Medikament wirkt gegen die übermässige Ablagerung von Glutamat in den Nervenzellen (siehe Ursachen)
    • Vitamin E kann den Verlauf der ALS zu Beginn minimal verlangsamen, hat aber keinen Einfluss auf die Langzeitprognose oder das Überleben.

    Behandlung von Symptomen der ALS

    • Muskelkrämpfe: Passive Dehnung des betroffenen Muskels, wenn nicht erfolgreich müssen krampflösende Medikamente eingenommen werden. Das Krampfrisiko kann durch regelmässiges körperliches Training, gymnastische Übungen und Hochlagern der Beine gesenkt werden.
    • Muskelschwäche, Lähmungen: Physiotherapie, passive Bewegung, Mobilitätshilfen
    • Steifigkeit (Spastik): Muskelrelaxierende Medikamente und Bewegungstraining
    • Sprechstörung (Dysarthrie): Logopädie zu Beginn der Erkrankung, später Kommunikationshilfen
    • Kaustörungen und Schluckstörungen (Dysphagie): Kautraining und Schlucktraining, Reduktion des Speichelflusses, später evtl. Einlegen einer Ernährungssonde

    Eine Heilung der ALS ist bis heute nicht möglich; die Krankheit schreitet stetig fort, d.h. die Lähmungen treten nach und nach am ganzen Körper auf,und endet nach unterschiedlich langer Zeit in einer äusserst schwierigen Situation: Der Patient wird innerhalb weniger Jahre völlig bewegungsunfähig, er kann nicht mehr sprechen, schlucken, kauen und schliesslich auch nicht mehr selbständig atmen. 

    Eine häufige Komplikation der ALS sind wiederkehrende Lungenentzündungen aufgrund der Atem- und Schluckstörungen . Die psychische Belastung der Patienten ist extrem gross, da der körperliche Zerfall mit vollem Bewusstsein miterlebt wird. ALS-Betroffene entwickeln daher häufig zusätzlich Depressionen und Angststörungen.

    Dr. med. Gerhard Emrich

    Gerhard Emrich hat in Wien Medizin studiert. Er ist Medizinjournalist mit langjähriger Erfahrung in medical writing.

    Doris Zumbühl

    Doris Zumbühl ist diplomierte Medizinische Praxisassistentin. Sie verfügt über mehrere Weiterbildungen in den Bereichen Journalismus, IT und Bildbearbeitung.
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