Herbert Hoffmann, Legende der Tattoo-Kunst, wird neunzig
Tattoos sind Kult. Was einst Matrosen und Aussenseitern vorbehalten war, wird heute von Jugendlichen stolz zur Schau getragen. Tätowierer Herbert Hoffmann schmückt seit 60 Jahren die eigene und fremde Haut. Am Mittwoch feiert er seinen 90.
"Nach und nach wurde mein Körper zu einem richtigen Bilderbuch. Zu meinem siebzigsten Geburtstag liess ich mir beide Hände bis zu den Fingerspitzen ganz voll tätowieren", erzählt Hoffmann.
Am 30. Dezember feiert die Legende der Tattoo-Kunst seinen neunzigsten Geburtstag. Noch immer entwirft der rüstige Herr mit weissem Rauschebart ständig neue Pläne. Sein Terminkalender ist randvoll. Er nimmt an Tattoo-Messen in ganz Europa teil, wird als Gastdozent eingeladen und besucht Ausstellungen.
Mitte der achziger Jahre beschloss Hoffmann, in Pension zu gehen. Ohne Wehmut liess er das wilde St. Pauli hinter sich und zog in ein kleines Häuschen im ausserrhodischen Heiden, das er von einem Freund geerbt hatte.Tätowierte Leidenschaft
Untätig war Hoffmann nie. Neben einer 350-seitigen Familienchronik hat er unter anderem den Fotoband "BilderbuchMenschen. Tätowierte Passionen 1878-1952" veröffentlicht. Hoffmann hat darin nicht nur ein faszinierendes Kaleidoskop bunter Haut, sondern auch ein wichtiges Stück Tätowier-Geschichte festgehalten.
Der Gründer der ältesten Tätowierstube Deutschlands legt immer noch selbst Hand an. Ende November fand in einem St. Galler Tattoo Studio der erste "Anker-Tag" statt. Der Besitzer des Studios stach die Hoffmann-Anker. Herbert Hoffmann selbst setzte mit der Nadel seine Signatur unter sein Markenzeichen.
In seiner Kindheit war Herbert Hoffmann fasziniert von den Tätowierungen der Tagelöhner, Strassenfeger, Müllkutscher, Zirkusleute und Seemänner. "Ich fühlte mich immer zu den einfachen Menschen hingezogen; in ihnen suchte ich meine Vorbilder", sagt Hoffmann.
Zuerst war das Seefahrermotiv
1919 als Sohn eines Fleischermeisters geboren, wuchs Herbert Hoffmann behütet in einer kinderreichen und streng puritanischen Familie in Berlin-Charlottenburg auf. Dem Kaufmannslehrling Hoffmann erging es wie vielen seiner Altersgenossen: Zuerst wurde er in den Reichsarbeitsdienst beordert, dann ins Militär eingezogen und schliesslich geriet er in russische Kriegsgefangenschaft.
Nach der vierjährigen Gefangenschaft beschloss er, seine tätowierten Vorbilder von früher zu suchen. Doch dieser Berufsstand war nach dem Krieg beinahe ausgestorben. 1949 kam Herbert Hoffmann zu seiner ersten Tätowierung. Er liess sich das Seefahrermotiv Glaube, Liebe, Hoffnung (Kreuz, Herz und Anker) auf die Innenseite seines linken Unterarms tätowieren.
Die Leidenschaft hatte ihn gepackt. Hoffmann reiste quer durch Europa und liess sich ein Kunstwerk nach dem anderen unter die Haut stechen. Das Tätowieren brachte er sich selbst bei, indem er Hunderte von Tätowierungen zu Übungszwecken unentgeltlich stach.
Heiteres Beruferaten
Als Hoffmann 1960 in Düsseldorf den Antrag auf Erlaubnis zum Tätowiergewerbe stellte, wurde er mit der Begründung abgelehnt: "Das ist kein Beruf!". In der Freien Handelsstadt Hamburg hatte er mehr Glück. Zusammen mit seinem Lebensgefährten Jack Anker übernahm er in St. Pauli ein Studio.
"Die älteste Tätowierstube Deutschlands" erlangte weit über die Grenzen des Landes Berühmtheit. Der Tattoo-Shop wurde als Filmkulisse genutzt, Herbert Hoffmann zu Robert Lemkes "Heiterem Beruferaten" eingeladen und seine Lebensgeschichte im Film "Flammend' Herz" nacherzählt.Linkempfehlung
04.01.2010