Fettleibigkeit: Prävention geht alle an
Die Welt hat ein schwerwiegendes Problem: Immer mehr Menschen sind zu dick. Das sei nicht nur Sache jedes Einzelnen, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, mahnen Ernährungsexperten der Universität Hohenheim. Besonders bei der Prävention sehen sie die Gemeinschaft in der Pflicht.
Derzeit bringt mehr als jeder dritte Erwachsene weltweit zu viel auf die Waage. Schätzungen zufolge könnte die Zahl von 1.9 Milliarden Betroffenen bis zum Jahr 2025 auf rund 2.7 Milliarden steigen.
Das Problem ist nicht einfach in den Griff zu bekommen: Die Mehrheit der Betroffenen spreche zwar gut auf Massnahmen zur Gewichtsreduktion an, erklärt die Ernährungspsychologin Prof. Dr. Nanette Ströbele-Benschop. "Aber Abnehmen an sich ist nicht das Schwierigste. Die Herausforderung besteht darin, anschliessend die Lebensbedingungen so zu ändern, dass man das reduzierte Gewicht hält."
"Wenn man einfach wieder zu seinem alten Leben zurückkehrt", bestätigt Prof. Dr. Stephan Bischoff, Ernährungsmediziner an der Universität Hohenheim, "ist die Rückfallquote sehr hoch – mindestens zwei Drittel, würde ich schätzen. Hier wäre dauerhafte Hilfe angesagt, die leider nur selten gewährleistet ist."
Prävention ist gesellschaftliche Aufgabe
Auch bei vorbeugenden Massnahmen sehen beide Experten die Gesellschaft in der Pflicht. Die sogenannte Verhältnisprävention bezieht die gesamten Lebensbedingungen eines Menschen mit ein.
"Einige Länder haben zum Beispiel mit einer Erfrischungsgetränke- oder Fettsteuer Erfolge erzielt", berichtet Prof. Dr. Ströbele-Benschop. "Es ist jedoch eine grundsätzliche Frage, inwieweit die Gesellschaft dem Einzelnen vorgeben darf wie er zu leben hat."
Das Dilemma erläutert sie an einem Beispiel: "Solange Gummibärchen günstiger sind als Äpfel, ist die Kaufentscheidung für ärmere Menschen schwierig. Andererseits – sollten Gummibärchen Luxusgüter werden?" Hierzu, so die Expertin, sei ein gesamtgesellschaftlicher Diskurs dringend geboten.
Zahl der adipösen Menschen steigt
In Deutschland sind laut einer Untersuchung von 2008 bis 2011 rund 23.9 Prozent der Frauen und 23.3 Prozent der Männer adipös. "Bereits im Jugendalter sind 17.6 Prozent der Mädchen und 22.6 Prozent der Jungen übergewichtig", zeigt Prof. Dr. Ströbele-Benschop auf. "Dieser Unterschied ist zum Beispiel auf den erhöhten Konsum von Softdrinks bei den Jungs zurückzuführen."
Als übergewichtig gelten Menschen ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 25, ab 30 spricht man von fettleibig oder adipös. Der BMI gibt das Verhältnis von Körpergröße zu Körpergewicht wieder. Er berechnet sich nach der Formel: Körpergewicht in Kilogramm, geteilt durch das Quadrat der Körpergröße in Metern.
Auch die weltweiten Zahlen sind alarmierend: Seit 1980 hat sich laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Zahl der adipösen Menschen mehr als verdoppelt. 2014 waren 1.9 Milliarden Erwachsene übergewichtig und von diesen über 600 Millionen adipös – entsprechend 39 bzw. 13 Prozent der Bevölkerung.
Steigendes Problem in Entwicklungs- und Schwellenländern
"Adipositas galt lange Zeit als ein Problem der Industrieländer, doch gerade in den Entwicklungs- und Schwellenländern steigen die Zahlen stark an", berichtet Prof. Dr. Ströbele-Benschop. "Betroffen sind etwa China, Indien oder einige Länder in Afrika, in denen die Industrialisierung voranschreitet und der westliche Einfluss steigt."
Die Folgen bekommen nicht nur die Betroffenen selbst zu spüren: Die globalen wirtschaftlichen Schäden durch Adipositas werden in einer Studie von 2014 auf zwei Billionen US-Dollar pro Jahr geschätzt – vergleichbar mit den Schäden durch Rauchen.
Gesundheitsrisiko Adipositas
Die übermässigen Pfunde bergen ein sehr hohes Risiko von Folgeerkrankungen. "Fast jeder Betroffene leidet unter den mechanischen Folgen, also einer Einschränkung der Beweglichkeit, Gelenkalterung und vorzeitiger Arthrose", erläutert Prof. Dr. Bischoff.
Bei zwei Drittel treten metabolische Erkrankungen wie Diabetes oder kardiovaskuläre Erkrankungen auf, so der Mediziner. "Und dann gibt es noch den Bereich der psychischen Erkrankungen, Depressionen zum Beispiel."
"Unsere Prädisposition zu Süssem und Fettem, in grauer Vorzeit überlebenswichtig, erschwert leider eine gesunde Ernährung", meint Prof. Dr. Ströbele-Benschop.
Doch auch der heutige Lebensstil sei kontraproduktiv: "Mehr Bewegung und eine abwechslungsreiche Ernährung, bevorzugt mit gering verarbeiteten Lebensmitteln, sind wichtige Faktoren für einen gesunden Lebensstil."
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12.10.2015 - dzu