Alkohol: Trinkmotive Jugendlicher im Ländervergleich
Die Trinkmotive schweizer, amerikanischer und kanadischer Jugendlicher sind ähnlich. Rangfolge: aus sozialem Anlass, aus Spass, zur Bewältigung von Alltagsproblemen.
Nur sehr wenige Studien haben bis heute die Trinkmotive einem Ländervergleich unterzogen.
Eine aktuelle Untersuchung der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) vergleicht die Situation in der Schweiz, den USA und Kanada.
In Zusammenarbeit mit der Dalhousie Universität im kanadischen Halifax und der Universität von Missouri-Columbia, USA, beschreibt die SFA die verschiedenen Trinkmotive Jugendlicher. Der Vergleich zeigt: Jugendliche greifen aus ähnlichen Gründen zu alkoholischen Getränken. Zu den Hauptbeweggründen zählen das Zusammensein mit Freunden sowie Spass-Motive.
Unerwartet grosse Gemeinsamkeiten
"Die Gemeinsamkeiten sind grösser als bisher angenommen", resümiert Emmanuel Kuntsche, Studienleiter und Forscher in der SFA. Die Konsumgewohnheiten in den einzelnen Ländern sind zwar unterschiedlich, so sind amerikanische Teenager seltener betrunken als Gleichaltrige in Kanada und in der Schweiz. Aber die Motive sind auch unter anderen kulturellen Voraussetzungen ähnlich. Meist nennen die Jugendlichen mehrere Gründe für ihren Alkoholkonsum.
Trinken ist sozial geprägt
Doch die Rangfolge der zentralen Beweggründe ist in allen drei Ländern gleich: An erster Stelle stehen soziale Motive wie das Zusammensein im Freundeskreis, gefolgt von Spass-Motiven, die Bewältigung von Alltagsproblemen und der Gruppendruck. Je nach Land sind diese Motive unterschiedlich ausgeprägt. Jugendliche neigen zu einem risikoreichen Konsum, wenn sie Spass und den Rausch suchen oder Probleme vergessen wollen.
Kanada: Am meisten jugendliche Rausch-Trinker
Kanadische und Schweizer Jugendliche konsumieren meist aus sozialen Motiven, in Kanada häufiger als in der Schweiz. Die Forscher gehen davon aus, dass das Freizeitverhalten hier eine Rolle spielt: Kanadische Jugendliche verbringen ihre Abende meist in Gesellschaft Gleichaltriger. In Kanada sind auch die Spassmotive am stärksten ausgeprägt.
In den USA scheint die Suche nach dem Rausch eine geringere Rolle zu spielen. Dieser Befund deckt sich mit den Trunkenheitserlebnissen: In Kanada sind 15-Jährige am häufigsten betrunken, gefolgt von Schweizer und amerikanischen Jugendlichen.
Kanadische Schüler stärker unter Leistungsdruck
Die gleiche Rangfolge ergibt sich für das Motiv, Alltagssorgen zu vergessen. Wie eine andere Studie zeigt, berichten die Hälfte der kanadischen Schüler und Schülerinnen im Alter von 15 Jahren über Leistungsdruck in der Schule; in der Schweiz sind es 25% der Schüler dieser Altersgruppe. Schweizer Jugendliche sind nach eigenen Angaben auch weniger dem Gruppendruck ausgesetzt. Um den Erwartungen Gleichaltriger zu entsprechen, greifen kanadische und amerikanische Jugendliche häufiger zu alkoholischen Getränken.
Prävention: Bei Stressbewältigung ansetzen
Viele Jugendliche nutzen den Feierabend, um im Ausgang mit Freunden einen Rausch zu erleben. Hier greifen die gesetzlichen Abgabebestimmungen; der konsequente Vollzug ist als Präventionsmassnahme unabdingbar. Wer trinkt, um Probleme zu verdrängen, riskiert, immer mehr oder häufiger zu konsumieren. Hier setzen die individuellen Präventionsmassnahmen an. Wichtig ist, für die Risiken des problematischen Alkoholkonsums zu sensibilisieren und Strategien zum Umgang mit Stress zu entwickeln.
Jugendliche frühzeitig vom Trinken abhalten
Die Ergebnisse der aktuellen Studie weisen zudem darauf hin, dass sich motiv-basierte Interventionsprogramme, die in Nordamerika erfolgreich zur Reduktion des frühen und exzessiven Trinkens bei Jugendlichen eingesetzt wurden, auf Europa übertragen werden könnten. Ein Beispiel ist der kürzlich in Kanada entwickelte Ansatz, frühen und risikoreichen Konsum bei durchschnittlich 16-jährigen Jugendlichen zu verhüten und ihnen zu helfen, den Konsum und die damit verbundenen Risiken zu senken.
Die aktuelle Untersuchung, welche die Trinkmotive Jugendlicher in der Schweiz, den USA und Kanada miteinander vergleicht, wurde soeben im amerikanischen Wissenschaftsmagazin "Journal of Studies on Alcohol and Drugs", publiziert. Die Studie wurde von der Schweizerischen Stiftung für Alkoholforschung mitfinanziert.
11.06.2008