Alkohol klar die Droge Nr. 1 bei Schweizer Jugendlichen
Studie: Der Alkohol-Konsum ging nach einem massiven Anstieg vor vier Jahren 2006 zwar zurück, wie eine internationale Studie zeigt. Dennoch trinken immer noch zu viele Jugendliche Alkohol.
Die Ergebnisse der neuen Schweizerischen Schülerbefragung zeigen: Die 15-jährigen Knaben und Mädchen rauchen deutlich weniger als noch vor 20 Jahren. Der Alkoholkonsum und das Kiffen haben bis ins Jahr 2002 zugenommen und sind 2006 erstmals zurückgegangen.
Die Studie wurde im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) durchgeführt.
Seit nunmehr 20 Jahren untersucht die Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) und der Kantone das Gesundheitsverhalten und den Substanzkonsum der Schülerinnen und Schüler in der Schweiz.
Die Schüler-Studie HBSC (Health Behaviour in School-aged Children) wird unter der Schirmherrschaft der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in 41 Ländern durchgeführt. Im Erhebungsjahr 2006 haben in der Schweiz 591 Klassen, d.h. rund 9800 Schülerinnen und Schüler im Alter von 11 bis 15 Jahren, an der anonymen Fragebogenuntersuchung teilgenommen. Die Schülerstudie ist repräsentativ für die gesamte Schweiz.
Alkohol: Rückgang des regelmässigen Konsums und der Trunkenheit
Wie die Schülerbefragung zeigt, trinkt rund ein Viertel der 15-jährigen Knaben mindestens wöchentlich Alkohol. Bei den Mädchen in der gleichen Altersgruppe sind es 17%. Die Zahl der Jugendlichen, die wöchentlich Alkohol konsumieren, war im Jahr 2002 massiv angestiegen und hat nun in der aktuellen Befragung von 2006 wieder abgenommen. Sie ist aber immer noch höher als 1998 und in den Jahren davor.
Auch der Anteil der Jugendlichen, die sich mehrmals betrinken, hat gegenüber 2002 abgenommen. Er ist jedoch immer noch höher als im Jahr 1998 und den Vorjahren. In der aktuellen Befragung gaben rund 30% der 15-jährigen Knaben und 20% der Mädchen an, schon mindestens zweimal in ihrem Leben betrunken gewesen zu sein. Hochgerechnet auf alle befragten Altersgruppen bedeutet dies, dass rund 44'000 der 11- bis 15-Jährigen sich mindestens zweimal in ihrem Leben einen Rausch angetrunken haben.
Diese Zahl ist Besorgnis erregend, da es sich um ein Risikoverhalten handelt, das negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann.
Bier ist bei den Jungen auch im Jahr 2006 nach wie vor das am häufigsten konsumierte Getränk. Bei den Mädchen sind Alcopops und Bier die beliebtesten Getränke. Der Alcopopkonsum ist nach dem massiven Anstieg von 2002 deutlich zurückgegangen. Aber noch immer trinkt fast jeder Zehnte 15-Jährige wöchentlich Alcopops.
Die Altersgruppe der 15-Jährigen, an die von Gesetzes wegen eigentlich noch gar kein Alkohol abgegeben werden dürfte, wurde auch gefragt, wo oder von wem sie ihre alkoholischen Getränke jeweils bekommt. Die häufigste Antwort war „auf Partys“ (57%), gefolgt „von Freunden, Bekannten“ (50%), „gekauft in einem Laden“ (37%), „in einem Restaurant, einer Bar“ (29%), „vom Vater oder der Mutter“ (28%) oder „jemand anders hat sie für mich gekauft“ (24%).
Die Zahl der jugendlichen Rauchenden ist gesunken
Im Jahr 2006 rauchten rund 15% der 15-Jährigen mindestens wöchentlich und 10% täglich. Damit hat die Zahl der 15-jährigen Rauchenden deutlich abgenommen. In der Vergangenheit gab es zwar Schwankungen bei den Raucherraten, insgesamt sind diese in den letzten 20 Jahren aber gesunken. Trotz dieser positiven Entwicklungstendenz greifen aber noch immer rund 10000 Knaben und Mädchen im Alter von 15 Jahren jeden Tag zur Zigarette. Wie Studien zeigen, wird eine grosse Mehrzahl dieser Jugendlichen auch im Erwachsenenalter weiterrauchen und nur wenige schaffen es, ihren Konsum zu reduzieren oder ganz aufzugeben.
Cannabis: Aufwärtstrend ist gestoppt
Im Jahr 2006 gaben 34% der 15-jährigen Knaben und 27% der gleichaltrigen Mädchen an, schon einmal Cannabis ausprobiert zu haben. In den letzten zwölf Monaten vor der Befragung haben rund 25% der Knaben und 21% der Mädchen gekifft. Bei vielen Jugendlichen handelt es sich um einen Probierkonsum, d.h., dass sie Cannabis einmal ausprobieren, dann aber damit aufhören, weil sie schlechte Erfahrungen machen (Übelkeit) oder kein Interesse mehr am Konsum haben.
Die Mehrheit der 15-Jährigen hat noch nie gekifft (66% der Knaben und 73% der Mädchen). Eine kleine Minderheit der 15-Jährigen (rund 5% der Knaben und 2,6% der Mädchen) hat in den zwölf Monaten vor der Befragung 40-mal oder öfter gekifft. Ein so häufiger Konsum ist problematisch, vor allem, wenn die Droge eingesetzt wird, um Probleme bewältigen zu wollen oder sich abzulenken.
Betrachtet man die langfristigen Entwicklungstendenzen, so sind die aktuellen Cannabiskonsumraten – nach einer Spitze im Jahr 2002 – wieder etwa auf der Höhe von 1998. Damit ist der seit 1986 stetig steigende Konsumtrend gestoppt. Die grosse Mehrheit der 15-jährigen Cannabiskonsumenten bezieht heute ihr Cannabis „von Freunden und Bekannten“ (90%) oder kommt „auf Partys“ dazu (30%).
Unterschiedliche Gründe für den Konsumrückgang
Die Konsumraten der verschiedenen psychoaktiven Substanzen zeigen also mehr oder weniger einheitlich abwärts. Was sind die Gründe dafür? „Es gibt vielfältige Einflussfaktoren und diese sind je nach Substanz unterschiedlich“, erklärt der Leiter der Schülerstudie, Holger Schmid. Die Gründe für den Rückgang der Raucherquote sieht Schmid in der verstärkten Sensibilisierung der Bevölkerung für den Nichtraucherschutz durch Präventionskampagnen und der breiten Debatte in Medien und Politik: „Es gab in letzter Zeit sowohl auf nationaler wie auf kantonaler Ebene sehr viele politische Vorstösse im Bereich Tabakprävention, und in zahlreichen europäischen Ländern wurden Massnahmen zum Schutz vor dem Passivrauchen erfolgreich durchgesetzt.“ Zudem sind die Preise für Zigaretten gestiegen, was die Jugendlichen, die über ein beschränktes Budget verfügen, erfahrungsgemäss besonders trifft.
Auch das Rauschtrinken der Jugendlichen wurde in der Öffentlichkeit, in Medien und Politik stark thematisiert. „Das Problembewusstsein der Eltern, aber auch der Jugendlichen, ist dadurch sicher gestiegen“, meint Schmid. Im Bereich Jugendschutz hätten wiederholte Testkäufe dafür gesorgt, dass das Verkaufspersonal besser sensibilisiert und geschult werde. Schliesslich hat die Einführung einer Sondersteuer auf Alcopops im Jahr 2003 den Konsum dieser bei Jugendlichen beliebten Getränke gesenkt.
„Nachdem Cannabis in der Vergangenheit lange banalisiert worden war, nahmen die Diskussionen um die Gefahren des häufigen Cannabiskonsums in den letzten Jahren zu“, sagt Schmid. „Eltern reagieren heute vermutlich mit strengeren Normen und sind konsequenter bei der Umsetzung der Erziehungsregeln, als dies noch im Jahr 2002 der Fall war“, so Schmid. Gleiches gelte auch für die Schulen, die vermehrt Regeln setzen und Disziplinarmassnahmen im Umgang mit Cannabis vorsehen. Zudem wurde in den letzten Jahren die Zahl der Cannabisläden reduziert und die zunehmenden Rauchverbote in öffentlichen Räumen dürften auch einen Einfluss auf den Cannabiskonsum in der Öffentlichkeit haben.
Was bleibt zu tun?
Damit diese insgesamt erfreuliche Entwicklung anhält, müssen die persönlichen Ressourcen der Jugendlichen systematisch gefördert werden: in der Familie, der Schule und der Freizeit. Zudem sollten die Ausbildungsmöglichkeiten für Jugendliche sowie ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessert und der Zugang zu Hilfsangeboten erleichtert werden.
Auf politischer Ebene gibt es noch einiges zu verbessern: Preiserhöhungen für Zigaretten und alkoholische Getränke sowie eine Einschränkung der Verfügbarkeit dieser Produkte haben sich als wirksame Massnahmen erwiesen und sollten verstärkt werden. Denn trotz der positiven Entwicklung – hierin sind sich die Experten einig – trinken, rauchen und kiffen noch zu viele Jugendliche in der Schweiz.
Quelle: Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme
20.02.2007