Hohes Hirnschlagrisiko bei Vorhofflimmern: Zusammenhang ist vielen nicht bekannt
An der häufigsten Herzrhythmusstörung, dem Vorhofflimmern, leiden in der Schweiz bereits etwa 100‘000 Personen. Zwei von fünf Patienten ist nicht bewusst, dass diese Störung ein erhöhtes Hirnschlagrisiko bedeutet. Das sind Umfrageergebnisse der Schweizerischen Herzstiftung zum Tag des Hirnschlags.
Vorhofflimmern erhöht das Hirnschlagrisiko um das Fünffache. Wie eine repräsentative Befragung der Schweizerischen Herzstiftung zeigt, wissen dies aber zwei von fünf Patienten nicht.
Zu Unrecht fürchten sich somit schätzungsweise 40‘000 der rund 100‘000 Betroffenen eher vor dem plötzlichen Herztod als vor der für das Hirn ausgehenden Gefahr.
Auch bei den Kenntnissen zum Hirnschlag in der Bevölkerung steht es nicht zum Besten: Ein Drittel der Befragten kann keine Angaben zu Anzeichen eines Hirnschlags machen. Positiv hingegen ist der recht gute Wissensstand in Bezug auf die Hirnschlag-Risikofaktoren.
Nichtwissen beeinflusst Behandlungserfolg
Die Umfrage, welche die Schweizerische Herzstiftung zum Hirnschlagtag in Auftrag gegeben hat, schloss neben 421 Patienten mit Vorhofflimmern 120 Ärzte und eine repräsentative Stichprobe der Bevölkerung ein. Die Befragung zeigt auf, wo Wissenslücken und Handlungsbedarf bestehen. Anlass zur Umfrage war das Vorhofflimmern, dem etwa 15% Prozent aller Hirnschläge angelastet werden. Diese in den Vorhöfen des Herzens auftretende Rhythmusstörung wird nach übereinstimmender Ansicht der Experten und auch der befragten Ärzte aus demografischen Gründen in den kommenden Jahren deutlich zunehmen. Für die Patienten ist Vorhofflimmern oft sehr unangenehm und beängstigend.
Es tritt anfallsartig auf, drei Viertel der Betroffenen beurteilen ihre Lebensqualität in der Umfrage aber trotz dieses Problems als gut bis sehr gut und auch die tägliche Medikamenteneinnahme belastet sie nicht. Weniger häufige ärztliche Kontrollen der Blutverdünnung, wie sie mit der neusten Generation der Blutgerinnungshemmer möglich wären, würden von vielen Patienten, insbesondere den berufstätigen geschätzt. Rund zwei Dritteln der Befragten ist klar, dass die Medikamente gegen Vorhofflimmern das Blut "verdünnen" und die Blutgerinnselbildung verhindern sollen.
Etwa 40% der Patienten wissen hingegen nicht, dass Vorhofflimmern auch ein deutlich erhöhtes Hirnschlagrisiko bedeutet, weshalb – kaum erstaunlich – auch nur gerade 13% Prozent der Befragten ihrer Therapie eine Hirnschlag vorbeugende Wirkung zuordnen. Diese Ergebnisse belegen nach Professor Andreas Hoffmann, Vorsitzender der Kommission Patienten der Schweizerischen Herzstiftung, dass weitere Aufklärungsmassnahmen sinnvoll und nötig sind, damit die Patienten sich dieses wichtigen Zusammenhangs bewusst sind. Dieses Wissen würde helfen, die Behandlungswirksamkeit zu steigern und durch Vorhofflimmern ausgelöste Hirnschläge weiter zu reduzieren. Hirnschlag bedeutet ein fatales, für jeden vierten Betroffenen tödliches und für eines von drei Opfern mit einer Behinderung einhergehendes Ereignis.
Botschaft kommt nicht immer an
Die "Schuld" für das ungenügende Wissen kann allerdings nicht den behandelnden Ärzten zugeschrieben werden. Drei Viertel informieren ihre Patienten immer, ein Viertel fast immer über die Gefahr eines Hirnschlags. Die Unkenntnis der Patienten lässt vielmehr den Rückschluss zu, dass die meist nur mündlichen Informationen von den Betroffenen nicht immer aufgenommen werden und ihnen wichtige Inhalte in Bezug auf ihre Erkrankung nach dem Arztbesuch nicht mehr präsent sind. Die Schweizerische Herzstiftung ermutigt die Patienten deshalb, beim Arzt rückzufragen, sich Zusammenhänge von Erkrankung und Risiken sowie den Sinn und Zweck der verabreichten Medikamente erklären zu lassen. Ganz offensichtlich brauchen viele Patienten – und nicht nur jene mit Vorhofflimmern – zusätzlich zum Gespräch mit dem Arzt weitere Informationen, die sie in Ruhe und in eigenem Tempo aufnehmen können. Diese sind vorhanden, werden ihnen aber von weniger als der Hälfte der informierenden Ärzten angeboten. "Hier besteht noch ein grosses Potenzial für diese vertiefende Aufklärung", bekräftigt Therese Junker, Geschäftsführerin der Schweizerischen Herzstiftung.
Bevölkerung kennt Hirnschlag-Anzeichen nicht
Auch die Kenntnisse in der Bevölkerung hat die Umfrage erhoben. Die gute Botschaft zuerst: Die 500 befragten Erwachsenen (Alter 35+) in der Deutsch- und Westschweiz nennen wichtige Risikofaktoren für Hirnschlag. Nur gerade 14 Prozent machen keine Angaben. "Dies zeigt, dass unsere Bemühungen in der Aufklärung und Sensibilisierung für die Prävention des Hirnschlags Früchte getragen haben und weitergeführt werden müssen", so PD Dr. Patrik Michel, Leiter der Stroke Unit, Centre hospitalier universitaire vaudois (CHUV) und Mitglied der Kommission Aufklärung und Prävention der Schweizerischen Herzstiftung.
Von Herzrhythmusstörungen haben fast alle und von Vorhofflimmern immerhin zwei Drittel der Befragten schon gehört, bringen diese aber nicht mit Hirnschlag in Verbindung. Weniger gut steht es um den Kenntnisstand der Bevölkerung zu den Hirnschlag-Symptomen. Ein Drittel der Befragten kann kein einziges Symptom nennen. Bei denjenigen, die Angaben machen, sind viele falsch und gehören nicht zu den typischen Hirnschlaganzeichen wie Lähmungen, Seh- oder Sprachstörungen. Dies erklärt auch, weshalb bei einem Hirnschlag häufig kostbare Zeit bis zur Spitaleinlieferung verloren geht und damit die Überlebenschancen massiv vermindert werden.
25.10.2012