Wie flugtauglich sind Herz- und Lungenpatienten?
Ältere Menschen sind heutzutage viel reiselustiger als früher. Dies stellt den Hausarzt vor nicht unerhebliche Fragen betreffend der Flugtauglichkeit seiner älteren Patienten. Ein Deutscher Herzspezialist erklärt im Fachportal für Ärzte "springermedizin.de", welche Besonderheiten es unter anderem zu beachten gilt.
Eines vornweg: Notfälle an Bord sind zwar für alle Beteiligten eine Stresssituation. Dennoch handelt es sich bei den meisten medizinischen Vorfällen um „Bagatellen“. So gehört der Kreislaufkollaps zu den häufigsten medizinischen Vorfällen an Bord. Etwa in ca. 6% der Fälle handelt es sich um eine lebensbedrohliche Situation durch eine Herzerkrankung, in 3% durch eine neurologische Erkrankung und in 6% durch eine starke Unterzuckerung.
Die grösste Problematik an einem Herzinfarkt an Bord sei der Zeitfaktor, so der Kardiologe. Es vergeht meist relativ viel Zeit, bis das Flugzeug den nächsten Flughafen erreicht. Ausserdem muss vor der Landung aus Sicherheitsgründen der Treibstoff grösstenteils abgelassen werden, was auch viel Zeit in Anspruch nimmt.
Welche Voraussetzungen braucht der chronisch kranke Herz- oder Lungenpatient?
Der Luftdruck in der Flugzeugkabine entspricht einer Höhe von etwa 2'400 Meter wodurch auch der Sauerstoffgehalt der Luft und damit auch des Blutes niedriger. Auch bei gesunden Menschen sinkt die sogenannte Sauerstoffsättigung des Blutes von etwa 97% auf 90%. Der verminderte Sauerstoffgehalt der Luft an Bord kann bei Patienten mit Lungenleiden, verengten Herzkranzgefässen (Angina pectoris), Herzmuskelschwäche (Herzinsuffizienz) oder Blutarmut (Anämie) zu Problemen führen.
Ein Patient, mit einer bestehenden Angina pectoris, der schon bei geringster Belastung - zum Beispiel bei kurzen Gehstrecken - Beschwerden hat (Atemnot, Schmerzen), kann zu einem Problemfall an Bord werden. Eine Regel besagt, dass wer keine 50m oder ein Stockwerk problemlos bewältigen kann, fluguntauglich ist.
Die Herzinsuffizienz gehört zu den häufigsten Herzerkrankungen und wir in vier Stadien eingeteilt:
- NYHA Grad I: keine klinischen Beschwerden, normale körperliche Belastbarkeit
- NYHA Grad II: Beschwerden bei starker Belastung
- NYHA Grad III: Beschwerden bei leichter Belastung
- NYHA Grad IV: Beschwerden bereits im Ruhezustand
Ein Patient mit einer Herzschwäche (Herzinsuffizienz) NYHA Grad I und II kann laut dem Kardiologen bedenkenlos ein Flugzeug besteigen. Bei NYHA Grad III wird der Patient auf Sauerstoffgaben angewiesen sein. Ein Patient mit einer Herzschwäche NYHA Grad IV darf nicht fliegen.
Wichtig: Reisebedingte Umstände wie körperliche Belastung durch Transport von schweren Gepäckstücken oder Stress durch ungewohnte, fremde Umgebung dürfen nicht unterschätzt werden und müssen bei der Beurteilung der Flugtauglichkeit mit einbezogen werden.
Nach einem komplikationslosen leichten Herzinfarkt kann der Patient nach ein paar Wochen ohne weiteres eine Flugreise antreten.
Bei Patienten mit einer chronischen Atemwegerkrankung (chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) auch Raucherlunge) oder einer Lungenfibrose (Erkrankung des Lungengewebes), kann die Abnahme der Sauerstoffsättigung zu einem Problem werden. Die Flugreisetauglichkeit sollte deshalb mittels Blutgasanalyse und Lungenfunktion (Spirometrie) vor Antritt der Reise beurteilt werden. Bei einer Sauerstoffsättigung unter 70 mmHg trotz Sauerstoffgaben, respektive unter 60 mmHg ohne Sauerstoffgaben, darf niemand fliegen.
Mit einem Asthma aufgrund eines bakteriellen Infektes darf keine Flugreise angetreten werden. Hingegen darf ein Patient nach einem sogenannten Spontan-Pneumothorax laut dem Kardiologen nach 6 Wochen prinzipiell fliegen.
Patienten mit einer schweren Blutarmut (Hämoglobin unter 9 g/dl) haben generell ein Flugverbot. Auch Patienten mit einer Infektionserkrankung dürfen erst wieder fliegen, wenn keine Ansteckungsgefahr mehr besteht.
Thromboseprophylaxe
Die Thrombose-Prophylaxe bei Flugreisen ist heute in aller Munde. Die gefürchtete Komplikation einer Beinvenenthrombose – die Lungenembolie – trete aber auf Langstreckenflügen relativ selten auf, so der Kardiologe. Bei den meisten Reisenden genügen die normalen vorbeugenden Massnahmen wie: viel Trinken, immer wieder mal die Sitzposition ändern, Beine nicht übereinanderschlagen, immer wieder mal Aufstehen und Umherlaufen. Ob das Tragen von Antithrombose-Strümpfen oder eine medikamentöse Blutverdünnung für die Flugreise angezeigt sind, kann nur der Arzt entscheiden.
30.04.2013