Brustkrebs- und Eierstockkrebsrisiko: Risiko reduzieren, aber wie?
PD Dr. med. Gabriella Pichert, Spezialärztin für Onkologie und Hämatologie berichtet über aktuelle Strategien bei der Risikoeinschätzung und Beratung zur Früherkennung und Risikoreduktion. Zum Beispiel: Wann macht ein Gentest Sinn? Wem bringt die Mammographie etwas und was kann die Frau individuell zur Prävention beitragen?
Bei Frauen, bei welchen in der Familiengeschichte ein erhöhtes Brustkrebs- oder eventuell Eierstockkrebsrisiko besteht, ist eine bis drei Generationen zurückliegende Familienanamnese etwas vom wichtigsten. Bei dringendem Verdacht auf ein stark erhöhtes Krebsrisiko gibt es die Möglichkeit einer Blutentnahme, mit anschliessendem Gentest. Häufig zeigt aber bereits die Familiengeschichte genug auf, sodass ein Gentest nicht mehr notwendig ist.
Familiengeschichte und das Risiko
Ein leicht erhöhtes Brustkrebsrisiko – im Vergleich mit der Gesamtbevölkerung – hat eine gesunde Frau mit einer erst- oder zweitgradigen Verwandten, die im Alter von über 40 Jahren an Brustkrebs erkrankt ist. Hier kann der Hausarzt oder der Gynäkologe die Betreuung übernehmen.
Ein mässig erhöhtes Brustkrebsrisiko besteht bei einer gesunden Frau mit zwei solchen erst- oder zweitgradigen Verwandten, welche im Schnitt im Alter von über 50 Jahren die Brustkrebsdiagnose erhielten.
Ein stark erhöhtes Burstkrebs- und/oder Eierstockkrebsrisiko hat eine gesunde Frau mit drei erst oder zweitgradigen Verwandten, welche im Schnitt vor dem 60 Lebensjahr an Brustkrebs oder Eierstockkrebs erkrankt waren.
All diesen Frauen wird eine genetische Beratung empfohlen. In solchen Familienkonstellationen haben auch Männer ein stark erhöhtes Brustkrebsrisiko.
Vorbeugeuntersuchungen je nach Risiko
Bei gesunden Frauen mit einem leicht erhöhten Risiko wird eine regelmässige sorgfältige Selbstkontrolle der Brust empfohlen. Dabei soll jede Veränderung dem Arzt gemeldet werden. Ab dem 50. Lebensjahr empfiehlt sich hier eine regelmässige Mammographie-Kontrolle.
Gesunde Frauen mit einem mässig erhöhten Brustkrebsrisiko sollten nebst der regelmässigen Selbstuntersuchung im Alter zwischen 40 und 50 Jahren jährlich zur Mammographie-Kontrolle. In der Schweiz fehlen hierzu offizielle Empfehlungen; diese stammt vom National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) in England.
Bei Frauen mit stark erhöhtem Brustkrebs- und /oder Eierstockkrebsrisiko wird zu einer genetischen Beratung geraten, mit dem Ziel der umfassenden und verständlichen Information zu individuellem und familiärem Krebsrisiko. Besprochen werden kann auch die Bluttestung auf Genveränderungen hin.
Was sagt der Gentest aus
Krebsanzeigende Genveränderungen weisen zwar auf ein höheres, aber nicht individuell genau bestimmbares Risiko, an Krebs zu erkranken. Solche Tests können auf das Vorhandensein von veränderten Genen hinweisen, zeigen aber nicht auf, wann und welche Art von Krebs auftreten wird. Und: Nicht alle Veränderungen werden von den Gentests festgestellt. Das heisst, ein negativer Gentest heisst nicht automatisch, dass überhaupt keine Krebsgefahr besteht. Es können Veränderungen in bisher unbekannten Genen verantwortlich für eine Krebsanfälligkeit sein.
Besprochen werden muss auch, dass Ergebnisse von Gentests sich auch auf andere Familienmitglieder und deren Krebsrisikoeinschätzung auswirken können.
Des Weiteren müssen die Betroffenen zwingend erfahren, dass eine individuelle Krebsrisikoeinschätzung zusammen mit angepassten Überwachungs- und Risikoreduktionsmassnahmen auch ohne genetischen Test möglich ist.
Wie wirkungsvoll sind Mammographien?
Die Sensitivität der Mammographie ist bei jungen Frauen durch höhere Brustdichte möglicherweise verringert. Auch kann es zu falschpositiven, allenfalls auch falschnegativen Ergebnissen kommen – was für die Betroffene viel Stress bedeuten kann. Optimal ist es, wenn die Mammographie von erfahrenen Fachpersonen durchgeführt und beurteilt wird.
Senkung des individuellen Krebsrisikos
Möglichst wenig Alkohol, nicht Rauchen, sich regelmässig bewegen, sich gesund mit viel Früchten und Gemüse ernähren (5pro Tag) und möglichst auch nach der Menopause kein Übergewicht zulegen: das sind die Massnahmen, die jede Frau für sich treffen kann, um das Krebsrisiko zu senken.
Präventionsmöglichkeiten bei stark erhöhtem Brustkrebsrisiko
Die zurzeit verfügbaren Massnahmen sind: Mammographie und MRI der Brust.
Folgende Empfehlungen hat die NICE im Oktober 2006 bei einem vererbten Brustkrebsrisiko bestimmt:
Im Alter zwischen 30 und 50 Jahren – falls von der Brustdichte her durchführbar - sollten folgende Frauen jährlich eine Mammographie sowie ein Brust-MRI bekommen:
- 30-39-Jährige mit einem 10-Jahres-Brustkrebsrisiko von über 8%
- 40- bis 49-Jährige mit einem 10-Jahres-Brustkrebsrisiko von über 20%
- Trägerinnen von Genveränderungen der Gene BRCA1/2- oder p53 sowie deren erstgradigen Verwandten.
Empfehlungen der European Society of Breast Cancer Specialists (EUSOMA) 2010:
Hochrisikofrauen sollen ab dem 30. Lebensjahr jährlich eine MRI-Kontrolle bekommen; ab dem 35. Lebensjahr jährlich eine Mammographie. Grund: Vor dem 35. Lebensjahr würden die Nachteile der Mammographie noch überwiegen.
Früherkennung von Eierstockkrebs
Leider fehlen hier Frühüberwachungsmassnahmen. Zur Zeit überprüfen die britischen wie auch die amerikanischen Krebsorganisationen den Nutzen der vaginalen Ultraschallkontrollen sowie der regelmässigen Genkontrollen im Blut. Ergebnisse werden für 2011 erwartet.
Wie steht es um die vorbeugende Brust-, respektive Eierstockentnahme?
Vor der vorbeugenden Brustentnahme sollten dringend genetische und auch psychologische Beratungen stattgefunden haben. Es handelt sich hierbei um ein grosse, risikoreiche Operation, welche die Frauen körperlich wie psychisch stark belasten kann.
Die vorbeugende Entfernung der Eierstöcke ist die zurzeit effektivste Massnahme, um nicht nur das Eierstockkrebsrisiko zu 95%, sondern bei Frauen vor den Wechseljahren mit Veränderungen in den Genen BRCA1/2 auch das Brustkrebsrisiko um bis zu 50% zu senken. Dies setzt aber voraus, dass mit den Eierstöcken auch die Eileiter entfernt und diese untersucht werden, um auch versteckte Eierstocktumore (Vorkommen 2.5%) zu entdecken.
Nutzen von vorbeugenden Chemotherapien
Der Nutzen von vorbeugenden Chemotherapien wird zurzeit europaweit in klinischen Studien erforscht – vor allem bei Frauen nach den Wechseljahren mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko.
07.12.2010