Familiäres Risiko für Brust- und Eierstockkrebs
Die Bekanntmachung der Schauspielerin Angelina Jolie, sie habe wegen einer Genveränderung und einem damit verbundenen stark erhöhten Brustkrebsrisiko ihre Brüste vorsorglich entfernen lassen, hat ein grosses Medienecho ausgelöst und die Diskussion geht weiter. Im Folgenden die wichtigsten Informationen zum familiären Risiko bei Brustkrebs sowie zu Genen und genetischen Veränderungen im Allgemeinen. Informationen der Krebsliga.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass nur bei einem kleinen Teil der Brustkrebserkrankungen – bei schätzungsweise 5 - 10 % – eine bekannte erbliche Veranlagung vorliegt; bei etwa der Hälfte dieser Erkrankungen liegt eine Veränderung der BRCA-Gene vor. Veränderungen der BRCA-Gene kommen bei weniger als 1% der Frauen in der Schweiz vor. Frauen mit einer Veränderung der BRCA-Gene sollten das weitere Vorgehen ausführlich mit einem spezialisierten Facharzt oder einer Fachärztin besprechen.
Allgemeines
In der Schweiz erkranken jedes Jahr rund 5500 Frauen neu an Brustkrebs. Acht von zehn betroffenen Frauen sind zum Zeitpunkt der Diagnose über 50 Jahre alt. Die grosse Mehrheit der Brustkrebserkrankungen ist nicht auf eine vererbte Veranlagung zurückzuführen. Bei fünf bis zehn Prozent der Frauen mit Brustkrebs liegt eine bekannte erbliche Veranlagung vor. Bei der Hälfte dieser erblich bedingten Brustkrebsfälle liegt die Ursache in einer Veränderung (Mutation) der Gene BRCA1 und/oder BRCA2 (von engl. BReast-CAncer). Brustkrebs, dem eine BRCA1-Mutation zugrunde liegt, wächst häufig invasiv und aggressiv und tritt vergleichsweise oft bei jüngeren Frauen auf.
Eine solche genetische Veränderung kann von Vater oder Mutter geerbt und an die eigenen Kinder weitervererbt werden. Statistisch gesehen wird diese Mutation an die Hälfte der Nachkommen weitergegeben. Sie kann sowohl zu Brustkrebs als auch zu Eierstockkrebs führen, es erkrankt jedoch nicht jede Person mit dieser Mutation. Auch Männer mit einer BRCA-Mutation haben ein erhöhtes Risiko für Krebs, insbesondere Brustkrebs, aber auch für Prostatakrebs.
Nur etwa 0,2% der Frauen in der Schweiz sind Trägerinnen einer BRCA-Genveränderung. Die Wahrscheinlichkeit, im Verlaufe ihres Lebens an Brustkrebs zu erkranken, beträgt bei ihnen jedoch rund 80%. Von den Frauen, welche diese Mutation nicht aufweisen, erkrankt im Durchschnitt eine von zehn im Verlaufe ihres Lebens an Brustkrebs. Das Risiko, an einem Eierstockkrebs zu erkranken, beträgt bei Frauen mit einer Mutation von BRCA1 bis zu 50%, bei Frauen mit einer Mutation von BRCA2 bis 20%. Von den Frauen ohne entsprechende Mutationen erkrankt im Durchschnitt 1% im Verlaufe ihres Lebens an einem Eierstockkrebs.
Mögliche Hinweise auf eine erbliche Form sind:
- Brust- oder Eierstockkrebs tritt in der Familie, insbesondere bei Verwandten ersten Grades, gehäuft auf
- Eines oder mehrere Mitglieder der Familie sind an Brust- und Eierstockkrebs erkrankt
- Diese Erkrankungen sind in jungem Alter (jünger als 50) aufgetreten
Ein Gespräch mit dem Hausarzt oder einer Fachärztin ist eine erste Möglichkeit, sich über eine allfällige familiäre Häufung zu informieren. Gemeinsam kann entschieden werden, ob eine genetische Beratung durchgeführt werden soll. Die genetische Beratung dient unter anderem dazu abzuklären, ob ein Gentest ins Auge gefasst werden sollte.
Auf den Webseiten der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Genetik (SGMG) und der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK) sind Fachstellen für genetische Beratung aufgeführt:
- http://www.sgmg.ch (Medical Genetics / Genetic Centers and Laboratories / Genetic Counseling Centers)
- http://www.sakk.ch (Patienten / genetische Beratung)
Frauen mit einer BRCA1/2-Mutation
Wird im Gentest festgestellt, dass eine Frau (oder ein Mann) eine BRCA-Mutation aufweist, kann die Fachperson unter Berücksichtigung weiterer Faktoren abschätzen, wie hoch ihr Risiko ist, an einem Brust- oder (bei Frauen) Eierstockkrebs zu erkranken. Das Vorkommen dieser Mutation ist keine Krebsdiagnose.
Das weitere Vorgehen sollte ausführlich mit einem spezialisierten Facharzt oder Fachärztin besprochen werden. Prinzipiell stehen intensivierte Früherkennungsuntersuchungen, ein operatives Vorgehen oder eine medikamentöse Prävention zur Diskussion.
Intensivierte Früherkennungsuntersuchungen dienen dazu, eine allfällig auftretende Krebserkrankung möglichst früh zu entdecken. Bei Therapiebeginn in einem frühen Stadium der Erkrankung sind die Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung höher. Welche Früherkennungsuntersuchungen ab welchem Alter sinnvoll sind, wird jedoch unterschiedlich beurteilt. Die untenstehenden Empfehlungen können nur als grobe Orientierung dienen. Frauen mit einer BRCA-Mutation sollten das Vorgehen mit einer Fachperson besprechen.
In vielen internationalen Richtlinien wird empfohlen, ab dem 30. Lebensjahr jährlich eine Magnetresonanzuntersuchung (MRI) der Brust durchzuführen. Eine jährliche Mammografie wird ebenfalls von vielen Experten empfohlen. Umstritten ist, in welchem Alter diese erstmals durchgeführt werden soll. Im deutschsprachigen Raum werden zusätzlich der Ultraschall und die Tastuntersuchung durch eine ärztliche Fachperson empfohlen; in Richtlinien aus dem englischsprachigen Raum ist dies weniger der Fall.
Generell gilt, dass Beschwerden und ungewohnte Veränderungen der Brust unverzüglich abgeklärt werden sollten.
Ob mittels regelmässig durchgeführten Ultraschalluntersuchungen der Eierstöcke und Bestimmung der Tumormarker (CA-125) im Blut, Todesfälle an Eierstockkrebs bei Frauen mit einer BRCA-Mutation verhindert werden können, ist nicht bekannt. Dennoch gibt es Empfehlungen, diese Untersuchungen bei Frauen, für welche die operative Entfernung der Eierstöcke (noch) nicht in Frage kommt, regelmässig durchzuführen.
Die wirksamste, aber auch radikalste Art der Prävention von Brust- oder Eierstockkrebs ist eine vorsorgliche Brust- und/oder Eierstock-/Eileiterentfernung. Mit der Entfernung der Brust wird das Brustkrebsrisiko deutlich reduziert. Mit der Entfernung der Eileiter und Eierstöcke wird das Eierstockkrebsrisiko, aber auch das Brustkrebsrisiko deutlich reduziert. Dass das Brustkrebsrisiko auch bei einer Entfernung der Eierstöcke reduziert wird, ist darauf zurückzuführen, dass die in den Eierstöcken produzierten Hormone wegfallen. Damit wird die hormonelle Stimulierung, die bei einigen Brustkrebsen das Wachstum fördert, reduziert. Die Frau kommt dadurch allerdings auch in die Wechseljahre. Die Entfernung der Eierstöcke wird üblicherweise nach Abschluss der Familienplanung durchgeführt.
Das Für und Wider sollte sorgfältig abgewogen und allenfalls auch eine Zweitmeinung in einer dafür spezialisierten Institution eingeholt werden. Ob sich eine Frau zu einem solchen Eingriff entschliesst, hängt unter anderem auch von ihrer persönlichen Lebenssituation ab, von ihren Ängsten und Wünschen sowie ihrem Umgang mit Chancen und Risiken. Und auch davon, ob die Familienplanung schon abgeschlossen ist, oder ob die Frau noch Kinder bekommen möchte. Letztlich entscheidet sich nur ein kleiner Teil der betroffenen Frauen dafür die Brust zu entfernen.
Auch die Möglichkeit einer medikamentösen Prävention kann diskutiert werden. Die dabei verabreichten Medikamente beeinflussen auf unterschiedliche Weise den Hormonhaushalt und haben entsprechende Auswirkungen. Auch die Nebenwirkungen sind in die Beurteilung mit einzubeziehen.
Was hat Krebs mit den Genen zu tun?
Das Erbgut, das wir von Vater und Mutter geerbt haben, befindet sich in nahezu allen Zellen unseres Körpers. Es enthält über 30 000 Gene (Erbfaktoren) und ist sozusagen eine Rezeptsammlung, nach der jede einzelne Zelle lebt und arbeitet. Ein Gen kann sich krankhaft verändern und ist dann so genannt mutiert. Genmutationen in einzelnen Zellen entstehen spontan oder durch Umwelteinflüsse (Schadstoffe, Strahlen oder Viren). Aufgrund der Genmutation in der betroffenen Zelle kann zum Beispiel die Reparatur von neu entstandenen Defekten am Erbgut oder die Teilung der Zelle aus den Fugen geraten, je nachdem, welches Gen betroffen ist. In der Folge entstehen entartete Zellen, die sich nicht mehr wie andere Zellen in dem Gewebe verhalten; sie sterben nach einer bestimmten Zeit nicht mehr ab, sondern beginnen vielmehr zu wuchern. So bildet sich mit der Zeit ein Tumor. Meist braucht es dazu allerdings Mutationen in weiteren Genen oder andere zusätzliche Faktoren.
Hinter den meisten Krebserkrankungen stehen Genveränderungen einzelner Körperzellen. Diese Art von Genveränderungen wird nicht an die Kinder weitergegeben. Einige Menschen aber tragen von der Zeugung an eine Genveränderung in sich, die ein erhöhtes Krebserkrankungsrisiko mit sich bringt. Das kommt daher, dass sich bei einem Vorfahren einmal eine Mutation in einer Keimzelle ereignet hat: in einer Eizelle bei einer weiblichen Vorfahrin oder in einem Spermium bei einem männlichen Vorfahren.
Was ist ein Gentest?
«Gentest» ist ein umgangssprachlicher Begriff für verschiedenste molekularbiologische Methoden zur Analyse des Erbgutes. Der Gentest wird in der Regel anhand einer Blutprobe durchgeführt.
Dank der Identifizierung von Genveränderungen, die eine bestimmte Krankheit verursachen können, lässt sich herausfinden, ob eine Person ein erhöhtes Risiko für eine bestimmte Erkrankung hat. Dies noch bevor die Krankheit entsteht oder erste Symptome auftreten. Es gibt allerdings zurzeit nur bei wenigen Krebserkrankungen wie Brust- und Eierstockkrebs entsprechende gesicherte Gentests.
Was kann ein Gentest aussagen?
Ein Gentest kann die geerbte Veranlagung des Einzelnen für eine bestimmte Krebsart ans Licht bringen. Das Testresultat besagt nur, ob jemand Trägerin oder Träger einer bestimmten Genveränderung ist. Aufgrund von Erfahrungswerten errechnen Genetikerinnen und Genetiker für jedes Individuum die Wahrscheinlichkeit zu erkranken. Nicht jeder Träger bzw. jede Trägerin eines «Krebsgens» erkrankt an Krebs.
Wann ist ein Gentest sinnvoll?
Ein Gentest sollte nur nach Beratung durch einen darin ausgebildeten, erfahrenen Facharzt oder Fachärztin und ausschliesslich auf entsprechende Indikation erfolgen. Der Test sollte den Betroffenen einen klaren Nutzen bringen. Kinder sollten zurückhaltend und nur dann getestet werden, wenn dies für ihre eigene Gesundheit oder für diejenige ihrer Geschwister unmittelbar relevant ist.
27.05.2015