HPV: Auch über 20 noch impfen
Interview mit Dr. med. Claudia Canonica, Oberärztin an der Klinik für Gynäkologie des Universitätsspitals in Zürich und an der Frauenklinik für die Dysplasiesprechstunde.
Legende zum Interview
In der Schweiz stirbt heute noch jeden vierten Tag eine Frau an Gebärmutterhalskrebs.
Im Rahmen der Präventionsveranstaltung
''Jung, weiblich, gesund? an der Universität Zürich gab die Expertin Frau Dr. med. Claudia Canonica Auskunft über den Nutzen der Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV), über Neuinfektionen sowie zu künftigen Aussichten des Impfverfahrens.
Sprechzimmer: Frau Canonica, die Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) wird für Mädchen und Frauen zwischen 11 und 19 Jahren empfohlen, am besten vor dem ersten sexuellen Kontakt. Profitieren auch Frauen, die bereits sexuell aktiv sind?
Frau Dr. med. Claudia Canonica
Ja. Der Vorteil ist allerdings wahrscheinlich gering, dass man eine generelle Impfung in dieser Altersgruppe auf Kosten des Gesundheitssystems rechtfertigen kann. Ein persönlicher, individueller Nutzen kann aber durchaus bestehen.
Sprechzimmer: Hat die Impfung auch einen Einfluss auf eine aktuelle HPV-Infektion oder eine bestehende Krebsvorstufe?
Frau Dr. med. Claudia Canonica
Nein. Eine bestehende HPV-Infektion oder bereits vorhandene Zellveränderungen werden durch die Impfung nicht beseitigt. Die Impfung schützt aber vor einer Neuinfektion mit anderen vom Impfstoff abgedeckten HPViren.
Sprechzimmer: Werden dank der Impfung langfristig auch weniger Frauen an Gebärmutterhalskrebs erkranken oder sterben?
Frau Dr. med. Claudia Canonica
Das wird erwartet. Diese Resultate wird man aber erst in 50 bis 60 Jahren sehen können. Die Studien zeigen bisher nur, dass die Krebsvorstufen reduziert werden. Man weiss aber, dass HPV-Infektionen zu Zellveränderungen führen, die dann zu Krebs werden können. Daher kann der Link gemacht werden, dass, wenn man die Krebsvorstufen verhindert, auch die Krebsfälle reduziert werden. Da es im Schnitt 10 Jahre dauert bis sich solche Zellveränderungen zu Krebs entwickeln, wird man einen Rückgang der Krebsfälle erst in einigen Jahren definitiv sehen können.
Sprechzimmer: Wie lange hält der Impfschutz an bzw. wird es eine Auffrischimpfung geben?
Frau Dr. med. Claudia Canonica
Man geht im Moment davon aus, dass die Impfung einen lebenslangen Schutz bieten könnte. Die bisherigen Untersuchungen dazu sind allerdings erst 5 bis 6 Jahre alt. Mit Sicherheit besteht aber ein Schutz für diesen Zeitraum und sogar bis zu 12 Jahren. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es einmal heissen wird, man muss eine Auffrischimpfung machen. Dies wird sich aber erst im weiteren Verlauf der Untersuchungen zeigen.
Sprechzimmer: Auch andere HPV-Stämme können krebsauslösend sein. Besteht die Gefahr, dass geimpfte Mädchen und Frauen seltener zur Vorsorgeuntersuchung gehen weil sie sich geschützt fühlen?
Frau Dr. med. Claudia Canonica
Geimpfte Mädchen und Frauen könnten natürlich schon eine falsche Sicherheit empfinden. Die Impfung schützt nur vor den zwei häufigsten Hochrisikoviren HPV 16 und 18, die 70% der Fälle von Gebärmutterhalskrebs und dessen Vorstufen verursachen. Es muss daher immer wieder betont werden, dass ein Schutz im Idealfall nur zu 70% besteht. Die Impfung bietet zwar einen sehr guten Schutz, ein 100%iger Schutz ist allerdings nicht gegeben. Daher ist es sehr wichtig, dass man weiterhin zum Frauenarzt geht.
Sprechzimmer: Was können Sie den heutigen jungen Frauen und Mädchen auf den Weg mitgeben?
Frau Dr. med. Claudia Canonica
Junge Frauen haben in der Schweiz die Möglichkeit sich kostenlos innerhalb der kantonalen Programme gegen HPV zu impfen. Für die 20-26 jährigen Frauen erfolgt die Kostenübernahme gemäss der Zusatzversicherung. Diese Chance sollte wahrgenommen werden, denn dadurch kann in den nächsten Jahren vielen Frauen das Leben gerettet werden.
Wir bedanken uns herzlich bei Frau Dr. med. Claudia Canonica für die spontane Zusage und das äusserst informative Interview und wünschen ihr weiterhin viel Erfolg in Ihrer Arbeit als Präventionsexpertin.
Zur Interview-Partnerin
Frau Dr. med. Claudia Canonica ist seit Juni 2007 Oberärztin an der Klinik für Gynäkologie des Universitätsspitals in Zürich und an der Frauenklinik für die Dysplasiesprechstunde zuständig. Das Interview fand im Rahmen der Veranstaltung «Jung, weiblich, gesund?» an der Universität Zürich statt.
Das Interview erscheint im Gesundheitsteil der Pendlerzeitung NEWS vom 02. Juni 2009.
01.06.2009