Stress lässt Haare fallen
Stress kann Haarausfall bewirken. Diese und andere Forschungs-Erkenntnisse diskutieren rund 270 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus aller Welt an einem Europäischen Haar-Kongress an der Uni Zürich.
Erstmals findet in der Schweiz ein Haar-Kongress statt. Dabei geht es in erster Linie um aktuelle Erkenntnisse der Forschung sowie um die Behandlung von Haarausfall beziehungsweise unerwünschten, übermässigen Haarwuchs. Aber auch die psychosoziale Bedeutung des Haars heute und im Laufe der Geschichte ist Thema des Kongresses.
Dass der Mensch jeden Tag rund 100 Haare verliert, ist normal - sie werden im Normalfall laufend ersetzt durch nachwachsende. Wie Kongresspräsident Ralph M. Trüeb vor den Medien erläuterte, ist jedes einzelne Haarfollikel eine "stecknadelgrosse Minifabrik". Die Steuerung des Haarwachstums reguliert Zellteilung, Produktion und Ruhephase.
Nicht mehr nur Scharlatanerie
Relativ selten (laut Trüeb in weniger als 5 Prozent der Fälle) bewirken Erkrankungen irreversiblen Haarausfall. Häufig sei die Wachstumsstörung aber genetisch oder hormonell bedingt: Die Wachstumsphase wird verkürzt - die nachwachsenden Haare vermögen die ausfallenden nicht mehr zu ersetzen, die Haare lichten sich.
Auch Stress kann den Kreislauf stören, wie die Berliner Forscherin Eva Peters sagte. Die Botenstoffe von Stress wirken in einer komplizierten Kettenreaktion auf die Haarfollikel und Nervenfasern, die sich entzünden. Das Haarwachstum wird gestoppt - wiederum werden ausfallende Haare nicht ersetzt.
War die Behandlung von Haarausfall früher vor allem Sache von Scharlatanen, so gibt es gemäss den Fachleuten heute durchaus Medikamente, die gezielt auf die Wachstumsphase einwirken oder aber die Stress-Symptome dämpfen. Laut dem Dermatologen Rolf Hoffmann aus dem süddeutschen Freiburg gibt es zudem vielversprechende Ansätze mit Züchtung und Injektion von Haarfollikel-Stammzellen.
Ausdruck der Persönlichkeit
Ganz abgesehen von den medizinisch-biologischen Aspekten hat das Haar einen besonders hohen psychosozialien Stellenwert, wie die Zürcher Historikerin und Psychologin Doris Lier erklärte. "Eine Frisur ist nicht einfach eine Frisur". Mit den Haaren werde ausgedrückt, "wer wir sind oder wer wir sein möchten".
Ist die Frisur heute vor allem Ausdruck der einzelnen Persönlichkeit, so war die Haartracht früher strenger geregelt. Sie machte den Status des Trägers, der Trägerin deutlich und symbolisierte generelle gesellschaftliche Strömungen.
So wiesen etwa die gelockten Haare der Alten Griechinnen und Griechen laut Lier auf eine gewisse Freiheitlichkeit hin. Dagegen verschwand das Haar im Mittelalter völlig unter Kopfbedeckungen: Man ordnete sich der Macht von Kirche und Staat unter. Die Kopfbedeckung selbst wies auf den gesellschaftlichen Stand hin - von der Tiara des Papstes bis zur Mönchskapuze, von der Krone des Kaisers bis zur Bauernkappe.
12.01.2006