"Zu starke Monatsblutung - ein Besuch beim Frauenarzt bringt Klarheit" - Experteninterview
Frau PD Dr. med. Dorothea Wunder ist Fachärztin FMH für Gynäkologie und Geburtshilfe. Schwerpunkt: Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am Universitätsspital CHUV in Lausanne, wo sie Frauen rund um das Thema Menstruation behandelt und berät.
Inhalt des Interviews
- Was versteht man unter einer starken Monatsblutung?
- Was bedeutet das in Bezug auf den Familienalltag?
- Welche Massnahmen sind erforderlich?
- Was sind die Auswirkungen des starken Blutverlustes?
- Wie kann die Blutung abgeschwächt oder sogar unterbunden werden?
- Wie merkt eine Frau dass sie eine starke Blutung hat?
- Was möchten Sie betroffenen Frauen für Tipps mit auf den Weg geben?
Frau Dr. Wunder, was versteht man unter einer starken Monatsblutung?
PD Dr. Dorothea Wunder:
Frauen mit einer Hypermenorrhö (medizinisch für eine zu starke Monatsblutung) verlieren mehr als 80 Milliliter Blut pro Menstruation. Das ist natürlich kaum messbar im Alltag. Deshalb richtet man sich nach der Anzahl der Binden- oder Tamponwechsel. Muss der Hygieneartikel stündlich ersetzt werden, ist die Menstruation deutlich stärker als normal. Ein Hinweis gibt auch die Blutqualität. Ist das Blut mit Klumpen versetzt, ist das ein Zeichen für eine Hypermenorrhö.
Was bedeutet das in Bezug auf den Familienalltag?
PD Dr. Dorothea Wunder:
Eine starke Menstruationsblutung ist in erster Linie einfach sehr unpraktisch im Familienalltag. Gerade mit kleinen Kindern ist es umständlich, stündlich auf die Toilette zu gehen und die Binde zu wechseln. Oft hat die Frau auch Schmerzen und fühlt sich unwohl. Weil mit der starken Blutung auch viel Eisen verloren geht, kommen noch Müdigkeit und Erschöpfung dazu. Unter diesen Umständen haben die betroffenen Frauen einfach nur noch den Wunsch, sich hinzulegen. Mit kleinen Kindern ist das aber oft nicht möglich. Nicht zuletzt kann sich die Hypermenorrhö auch einschränkend auf die Sexualität und Paarbeziehung auswirken. Vor allem wenn die Blutung mehr als sieben Tage dauert.
Welche Massnahmen sind erforderlich?
PD Dr. Dorothea Wunder:
Die wichtigste Massnahme ist die Suche nach der genauen Ursache. Erst recht, wenn die Hypermenorrhö nicht nur ab und zu auftritt, sondern die Regel ist. Die/der Frauenärztin/Frauenarzt kann den Hormonhaushalt mittels Bluttests untersuchen. Ausserdem kann man mit Hilfe eines gynäkologischen Ultraschalls feststellen, ob allenfalls Polypen, Myome, Adenomyose oder andere Krankheitsbilder vorhanden sind. Das alles kann einen Einfluss auf die Blutung haben. Eine weitere Ursache für unregelmässige Blutungen können Infektionen oder Tumoren sein.
Während bei reiferen Frauen die Hypermenorrhö ein erstes Anzeichen auf die Wechseljahre sein kann, liegt das Problem bei jungen Frauen eher daran, dass sich das Zusammenspiel der Hormone noch einpendeln muss. Um eine Eisenmangelanämie oder einen Eisenmangel auszuschliessen, sollte der Ferritinwert bestimmt und ein kleines Blutbild durchgeführt werden. In gewissen Fällen müssen Betroffene auch an eine Gerinnungsstörung denken und entsprechende Abklärungen machen lassen.
Was sind die Auswirkungen des starken Blutverlustes?
PD Dr. Dorothea Wunder:
Über längere Zeit hat der hohe Blutverlust in erster Linie Auswirkungen auf die Eisenwerte. Sind diese zu niedrig, kann die Frau zuwenig Blut bilden. Sie entwickelt eine Anämie, die sich mit Müdigkeit, Haarausfall, Leistungsabfall und Stimmungsschwankungen äussern kann.
Wie kann die Blutung abgeschwächt oder sogar unterbunden werden?
PD Dr. Dorothea Wunder:
Je nach Ursache der Hypermenorrhö wird die entsprechende Therapie gewählt, So können sich die Frauen einer operativen oder einer hormonellen Therapie unterziehen. Operiert wird zum Beispiel, wenn Myome vorhanden sind. Ansonsten reguliert die Pille den Zyklus, so dass die Blutung schwächer wird. Es gibt auch Langzeitpillen, welche über mehrere Monate ohne Unterbruch eingenommen werden können. Weitere Möglichkeiten sind die Hormonspirale oder Hormonpräparate ohne empfängnisverhütende Wirkung.
Wie merkt eine Frau dass sie eine starke Blutung hat?
PD Dr. Dorothea Wunder:
Klarheit kann zum Beispiel ein Menstruationskalender bringen. Dort notiert man die Dauer der Menstruation, wie auch die Blutqualität sowie die Schmerzen. Ebenso die Häufigkeit des Binden- und Tamponwechsels. Ein stündlicher Wechsel und eine Blutung über mehr als sieben Tage sind zu viel und bedürfen einer ärztlichen Abklärung.
Mehr dazu: Menstruationskalender
Was möchten Sie betroffenen Frauen für Tipps mit auf den Weg geben?
PD Dr. Dorothea Wunder:
Die Frauen sollen nicht still leiden sondern lieber das Gespräch mit der Frauenärztin/dem Frauenarzt suchen. Erst recht, wenn die Frau einen Kinderwunsch hat. Denn die genannten Ursachen der Hypermenorrhoe können gleichzeitig ein Infertilitätsfaktor sein. Ausserdem ist ein Eisenmangel keine gute Basis für eine Schwangerschaft.
Frau PD Dr. med. Dorothea Wunder ist Fachärztin FMH für Gynäkologie und Geburtshilfe. Schwerpunkt: Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin in ihrer Funktion als Abteilungsleiterin am Universitätsspital CHUV in Lausanne.
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19.01.2012