Zöliakie immer häufiger
Laut Experten nimmt die Zahl der Zöliakie-Erkrankungen (Glutenunverträglichkeit) zu. Innovative Diagnoseverfahren sind immer genauer und erzielen eine 100%ige Sensitivität für die Diagnose von Zöliakie.
Es besteht jedoch eine hohe Dunkelziffer, die darauf zurückgeführt werden könnte, dass viele Ärzte bei Zöliakie-Patienten „klassische” Formen von „schlechter Aufnahme“, Fettstuhl oder Gewichtsverlust vermuten. Nach heutiger Auffassung sind Zöliakie-Patienten im Allgemeinen Erwachsene, meist zwischen 40 und 60 Jahre alt. Sie weisen häufig unspezifische Magen-Darm-Symptome oder auch gar keine solchen Beschwerden auf. Der Body-Mass-Index dieser Patienten liegt meist im normalen oder erhöhten Bereich (mehr als 25).
Latente Zöliakie oder Glutenempfindlichkeit
Jüngere finnische und amerikanische Berichte legen nahe, dass die Zahl der Zöliakie-Erkrankungen zunimmt. Diese Daten basieren auf vergleichenden Kohortenstudien zur Zöliakie, die zunächst während der 1980er Jahre und im Jahr 2000 ausgewertet wurden. „Es ist zu berücksichtigen, dass die Sterblichkeit nicht nur bei Patienten mit Zöliakie erhöht ist, sondern auch bei Personen mit latenter Zöliakie“, erklärt der Experte Ass. Prof. Jonas F. Ludvigsson (Karolinska Institut und Örebro Universitätsklinik, Schweden). „Mit weiterer Forschung auf diesem Gebiet dürfte sich das Konzept der latenten Zöliakie oder Glutenempfindlichkeit durchsetzen.“
Bei einer latenten Zöliakie liegen bei intakter Schleimhaut positive Zöliakie-Blutwerte vor, wie eine im JAMA veröffentlichte Studie von Ludvigsson1 zeigt. Dies dürfte bei mindestens einer von 1’000 Personen der Fall sein. Laut dem Bericht des Studienautors sterben innerhalb eines Jahres 10 von 1’000 Personen mit Zöliakie. Im Vergleich dazu ist mit dem Tod von 7 von 1'000 Personen ohne Zöliakie zu rechnen.
Neuartige Diagnoseverfahren
Innovative Diagnoseverfahren erzielen 100% Sensitivität für die Diagnose von Zöliakie. Diese Verfahren verwenden Kombinationen von verschiedenen Antikörpern, Immunglobulinen sowie klinische Lösungsverfahren zur verbesserten Diagnose-Rate von Zöliakie. Diese Studie wurde vom ASNEMGE Experten Professor David S. Sanders2 und seinen Kollegen durchfeführrt. „Die Arbeit unserer Gruppe legt ausserdem nahe, dass Patienten, welche positiv getestet wurden, eine separate Gewebeprobe im ersten Abschnitt des Zwölffingerdarms genommen werden sollte“, so Sanders. „Dieser Ansatz steigert die Wahrscheinlichkeit, bei der Gewebeuntersuchung einen Darmzottenschwund zu erkennen.“
Die Strategie umfasst die Serologie (Bluttests), ein klinisches Lösungsverfahren und eine Zwölffingerdarm-Gewebeentahme. Die Zahl der Patienten, welche routinemässig einer Zwölffingerdarm-Gebebeentahme unterzogen werden, wird damit verringert werden können. Die Zwölffingerdarm-Gewebeentnahme kann somit gezielter eingesetzt werden.
Weitere Fortschritte sind ebenfalls bei Point-of-Care-Tests auf Zöliakie zu erwarten (mittels eines Finger-Prick-Tests) sowie durch die Entwicklung von chemisch abgespalteten (desamidierten) Gliadinen. Hierbei handelt es sich um neue Reserveproteine des Weizens (Gliadine); die ursprünglich verwendeten Gliadine, auf denen sämtliche ursprüngliche Studien basierten, waren nicht desamidiert. Neuste Berichte lassen darauf schliessen, dass desamidierte Gliadine empfindlichere Marker im Blut darstellen.
Sind neue Therapien verfügbar?
Eine glutenfreie Diät (GFD) ist Dreh- und Angelpunkt der Behandlung von Zöliakie-Patienten. Manche Patienten empfinden eine solche Diät jedoch als stark einschränkend, gesellschaftlich peinlich oder wenig schmackhaft. Laut Berichten internationaler Forscher befolgen 30-90 % der Betroffenen eine strikte GFD. Die Einschränkungen durch eine GFD haben zu einer Steigerung des öffentlichen und des Patienteninteresses an alternativen Therapien geführt.
Die prolinreichen Glutenproteine können im Magen-Darm-Trakt nicht enzymatisch verdaut werden. Diese Eigenschaft verstärkt unter Umständen die Immunantwort von Gluten. Es wird davon ausgegangen, dass die Glutenpeptide (aus Weizen, Roggen und Gerste) im Darminnern verbleiben und bei genetisch entsprechend veranlagten Personen eine Immunreaktion hervorrufen können.
Neue Kombinationstherapien aus verschiedenen Enzymen können die Glutenverdauung unter Darmbedingungen ermöglichen. Mithilfe dieser Enzyme können Patienten glutenhaltige Lebensmittel zu sich nehmen und dabei das Risiko der Glutenunverträglichkeit verringern oder ausschalten. Dies eröffnet den Patienten die Möglichkeit, ihre strikt glutenfreie Diät, wenigstens gelegentlich, zu unterbrechen.
1 JAMA. 2009; 302(11): 1171-1178); Prof. Ludvigsson ist einer der acht „Rising Star”-Preisträger von ASNEMGE und UEGF anlässlich der United European Gastroenterology Week (UEGW)
2 Professor David S. Sanders (Royal Hallamshire Hospital, Sheffield, UK), ebenfalls Empfänger des Rising Star Awards von ASNEMGE und UEGF
30.08.2010