Vitamin-D-Versorgung älterer Menschen ungenügend
60% der Patienten mit einem Hüftknochenbruch, leiden zusätzlich an einem schweren Vitamin-D-Mangel. Besonders betroffen sind Personen aus Alters- und Pflegeheimen. Dies ergab eine Schweizer Studie an 222 Patienten.
In der Schweiz erleiden jedes Jahr mehr als 8’600 ältere Personen eine Hüftfraktur aufgrund von Knochenschwund (Osteoporose). Die Folgen eines solchen Bruches sind oft gravierend: 15 bis 25% Patienten sterben innerhalb eines Jahres. Bei vielen andern bleibt eine Behinderung zurück, 50% erreichen nicht mehr die gleiche Mobilität wie vor dem Hüftbruch. Rund ein Fünftel kann anschliessend nicht mehr nach Hause zurück und muss im Pflegeheim medizinisch betreut werden – mit beträchtlichen Folgen für das Gesundheitssystem.
Ein Forschungsteam um Heike Bischoff-Ferrari, Andreas Platz und Robert Theiler untersuchte im Verlaufe eines Jahres 222 Patienten über 65 Jahren, die in der Stadt Zürich aufgrund einer Hüftfraktur hospitalisiert wurden, und mass ihren Vitamin-D-Spiegel.
Vitamin-D-Mangel bei über 50% der Patienten
Die Untersuchung [1] brachte Überraschendes zu Tage: Ein schwerer Vitamin-D-Mangel wurde festgestellt bei 50% der Patienten, die zuvor zu Hause gelebt hatten. Bei Hüftbruchpatienten aus Alters- oder Pflegeheimen lag dieser Prozentsatz bei 72%, bezw. bei 76%. Nur vier Prozent der eingewiesenen Patienten verfügten über einen ausreichenden Vitamin-D-Spiegel (75 nmol/l) und weniger als zehn Prozent hatten ein Vitamin-D-Präparat erhalten.
„Unsere Untersuchung ergab, dass die im Blut der Patienten gemessenen Vitamin-Spiegel generell etwa fünfzig Prozent unterhalb der Marke lagen, welche die Patienten eigentlich haben müssten, wenn sie die vorgeschriebene Menge an Vitamin D erhalten würden“, so Bischoff-Ferrari. Die Schweizerische Vereinigung gegen Osteoporose zum Beispiel schlägt für Personen über 65 Jahren eine tägliche Menge von mindestens 800 Internationalen Einheiten Vitamin D vor.
Richtlinien für die Vitamin-D-Einnahme besser umsetzen
„Die Studie zeigt, dass zu wenig ältere Menschen die vorgeschlagene Menge Vitamin D erhalten. Die für die Vitamin-D-Einnahme müssen daher breiter bekannt gemacht und besser umgesetzt werden“, so Bischoff-Ferrari. „Deshalb unterstützt die Stadt Zürich seit Januar 2007 ein Projekt, das die Barrieren für eine genügende Vitamin-D-Versorgung erfassen und beheben soll.“
Vitamin D für starke Knochen
Dass Vitamin D für starke Knochen wichtig ist, sind sich viele nicht bewusst. Vitamin D fördert die Aufnahme von Kalzium und Phosphat (Phosphat ist ebenfalls wichtiger Bestandteil der Knochen) im Darm und den Einbau von Kalzium in die Knochen. Zudem stärkt Vitamin D die Muskulatur und wirkt damit Stürzen entgegen.
Vitamin D kommt in der Nahrung nur sehr beschränkt vor. Es wird im Körper selbst hergestellt - vorausgesetzt, die Haut wird täglich etwa 20 Minuten der UV-Strahlung der Sonne ausgesetzt. Allerdings ist die Sonne keine verlässliche Quelle, da bei älteren Personen die hauteigene Vitamin-D-Produktion unter Sonnenbestrahlung um das vierfache kleiner ist. Zudem können im Winter in der Schweiz und in ganz Europa junge und ältere Menschen nicht ausreichend Vitamin D produzieren, da die Sonnenintensität nicht ausreicht. Auch der sehr wichtige Sonnenschutz trägt bei zu einer Abnahme der hauteigenen Vitamin-D-Produktion. „Vitamin-D-Tröpfchen oder -Tabletten sind daher bei älteren Personen auch im Sommer sinnvoll“, sagt Heike Bischoff-Ferrari.
Kalzium wird überschätzt
Verbreitet ist die Ansicht, man müsse vor allem viel Kalzium zu sich nehmen, um die Knochen zu stärken. „Doch während klar belegt ist, dass Vitamin D Hüftfrakturen verhindert, gibt es keine soliden wissenschaftlichen Daten für eine solche Wirkung beim Kalzium“, sagt Heike Bischoff-Ferrari.
Dass Kalzium-Präparate Knochenbrüche nicht reduzieren, hat Heike Bischoff-Ferrari zusammen mit einem Forschungsteam gerade kürzlich in einer Meta-Analyse [2] belegt, die sie mit Unterstützung ihrer SNF-Förderungsprofessur durchführte. Ausgewertet wurden dazu acht Kohortenstudien, fünf randomisierte klinische Studien sowie zwei kleinere Studien mit insgesamt fast 180'000 Datensätzen.
„Wir konnten keinen schützenden Effekt von Kalzium auf das Hüftfrakturrisiko finden. Im Gegenteil, es gibt Hinweise, dass Kalziumtabletten das Risiko für eine Hüftfraktur sogar erhöhen“, so Bischoff-Ferrari. Die Forscher erklären sich dieses Resultat am ehesten mit einem Phosphat-Mangel, der bei älteren Personen häufig vorkommt und möglicherweise durch Kalziumtabletten (Citrat oder Carbonat) verstärkt wird. Kalziumpräparate können die Phosphat-Aufnahme aus dem Darm hemmen, wie eine Studie [3] aus dem Jahr 2002 gezeigt hat, und dadurch möglicherweise zu einem Knochenabbau beitragen. „Milchprodukte enthalten neben Kalzium auch phosphathaltige Eiweisse und sind deshalb vermutlich die besseren Kalziumquellen als Kalziumtabletten“, sagt Heike Bischoff-Ferrari.
„Zukünftige Studien auf diesem Gebiet sollten daher die optimale Dosierung von Vitamin D in Kombination mit Kalzium und Phosphat untersuchen. Hingegen ist Kalzium alleine keine gute Strategie zur Verhinderung von Hüftbrüchen“, so Bischoff-Ferrari.
Referenzen
- 1 Bischoff-Ferrari H.A., Can U., Staehelin H.B., Platz A., Henschkowski J., Michel B.A., Dawson-Hughes B., Theiler R.: «Severe Vitamin D Deficiency in Swiss Hip Fracture Patients», Bone, Online-Publikation, 28. November 2007.
- 2 Bischoff-Ferrari H.A., et al.: «Calcium Intake and Risk of Hip Fracture in Men and Women: A Meta-Analysis of Prospective Cohort Studies and Randomized Controlled Trials», American Journal of Clinical Nutrition, Online-Publikation, 7. Dezember 2007.
- 3 Heaney R.P., Nordin B.E.: «Calcium effects on phosphorus absorption: implications for the prevention and co-therapy of osteoporosis «Journal of the American College of Nutrition, Band 21(3), S. 239-44 (2002).
10.12.2007