Achtsamkeitsübungen fördern die seelische Gesundheit
Im Alltag ist es häufig schwierig, die Aufmerksamkeit bewusst auf Dinge zu lenken, die gerade passieren und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. „Menschen lassen sich leicht vom bewussten Erleben des Augenblicks durch Erinnerungen oder Nachdenken über die Zukunft ablenken“, erläutert Prof. Sabine Herpertz vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) in Berlin.
Übungen zur Achtsamkeit sind ein wichtiges Mittel, um diese Fähigkeit zu verbessern oder unter Umständen wieder zurück zu gewinnen. „Ziel ist es, die Wahrnehmung des aktuellen Augenblicks zu verbessern sowie Konzentrationsfähigkeit, Genussfähigkeit und die Stimmung günstig zu beeinflussen“, erklärt die Direktorin der Klinik für Allgemeine Psychiatrie an der Universität Heidelberg.
„Die Übungen sollen zudem helfen, das Erlebte zunächst einmal weder positiv noch negativ zu bewerten. Dadurch kann es gelingen, eine innere Distanz zu intensiven, im Extremfall als unkontrollierbar empfundenen Gefühlen aufzubauen. So können die Betroffenen lernen, Gefühle wieder besser wahrzunehmen und mit ihnen umzugehen.“
Auch im Umgang mit anderen Menschen kann eine geschulte Achtsamkeit nützlich sein. Mit ihrer Hilfe können Missverständnisse und häufiges aneinander vorbeireden vermieden werden. Stattdessen fällt es leichter, sich auf seinen Gegenüber einzulassen, ohne sich selbst aus den Augen zu verlieren.
Intensive Wahrnehmung des Augenblicks
Es gibt eine Vielzahl von Übungen, um seine Achtsamkeit zu verbessern. „Man kann beispielsweise seine Wahrnehmung eine Weile bewusst auf den eigenen Atem richten“, empfiehlt die Psychiaterin und Psychotherapeutin. „Oder man lenkt seine Aufmerksamkeit ganz gezielt auf das was man hört oder sieht. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, bestimmte Tätigkeiten wie einen Tee zu zubereiten oder das Geschirr abzuwaschen mit großer Achtsamkeit auszuführen.“ Dabei kommt es auf die intensive Wahrnehmung des jeweiligen Augenblicks an, ohne diesen als gut oder schlecht, angenehm oder unangenehm zu bewerten. Störende Gedanken sollte man in diesen Momenten ziehen lassen.
Auch augenscheinlich sinnlose Konzentrationsübungen können sich zum Üben von Achtsamkeit eignen. „Eine Übung besteht darin, ein rohes Ei aufrecht vor sich hinzustellen“, so Herpertz. „ Für viele ist es besonders schwer, diesen Versuch nicht zu bewerten, weil er ja offensichtlich sinnlos ist. Es geht es darum, sich ganz auf den Versuch selbst zu konzentrieren und währenddessen andere Gedanken beiseite zu legen.“ Wer mit Achtsamkeitsübungen beginnt, sollte dafür täglich einige Minuten fest einplanen.
Das Üben von Achtsamkeit ist seit Jahrtausenden fester Bestandteil spiritueller und religiöser Riten. Durch den zunehmenden Einfluss fernöstlicher Lebensphilosophien wächst hierzulande die Bedeutung von Achtsamkeitsfähigkeiten ebenso wie durch ihren zunehmenden Stellenwert in der Psychotherapie. Hier gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Anwendungsbereichen für Achtsamkeitsübungen, so beispielsweise in der Therapie von Borderline-Persönlichkeitsstörungen und von Depressionen.
18.09.2012