Asexualität ist keine psychiatrische Erkrankung
Die American Psychiatric Association (APA) veröffentlichte am 18. Mai 2013 die fünfte Fassung des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-V) und unterstreicht darin die Wichtigkeit, bei der Diagnose einer sexuellen Luststörung die Selbstidentifikation als asexuell zu berücksichtigen. Das Asexual Visibility and Education Network (AVEN), die weltweit grösste internationale Onlineplattform zu Asexualität, begrüsst diesen Schritt.
Ein wichtiger Tag für Ärzte und Patienten: Mit der Neuauflage des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-V) entschied die APA über die Kriterien, anhand derer Ärzte und Wissenschaftler psychische Störungen diagnostizieren und klassifizieren.
Angenommen wurde dabei ein Änderungsvorschlag, der zulässt, was AVEN seit Jahren fordert: Menschen, die keine sexuelle Anziehung empfinden und sich als asexuell identifizieren, werden erstmals explizit von der sexuellen Luststörung ausgenommen.
"Wir sehen Asexualität als eine eigenständige Identität an, die innerhalb der verschiedenen sexuellen Orientierungen zu verorten ist", so Kati Radloff von AVEN. "Die Anerkennung ist ein Sieg, nicht nur für Asexuelle und deren Partner, sondern für sexuell selbstbestimmte Menschen insgesamt."
Seit seiner Gründung 2002 setzt sich AVEN für einen aufgeklärten Umgang mit Asexualität ein. Über Kampagnen- und Pressearbeit, kontinuierliche Teilnahme an wissenschaftlicher Forschung und nicht zuletzt ein 75-seitiges Plädoyer mit Aussagen von Sexualwissenschaftlern und -experten bewirkten die Mitglieder AVENs mehr Akzeptanz für Asexualität in der Öffentlichkeit. Sie widersprechen damit der langanhaltenden Meinung aus der klinischen Praxis, dass eine lebenslange Absenz sexueller Lust als Krankheit zu klassifizieren sei. Mit der aktuellen Neuauflage des DSM würdigt die APA die Argumente: "Sofern ein lebenslanges Ausbleiben sexueller Lust eher durch eine Selbstidentifikation als ,Asexuelle/r' zu erklären ist, sei keine sexuelle Lust-/Erregungsstörung zu diagnostizieren", heisst es im Kapitel 2.
Begründet wurde diese Entscheidung unter anderem damit, dass Betroffene nicht von ihrer Asexualität, sondern den Reaktionen des soziokulturellen Umfeldes beeinträchtigt werden. "Tatsächlich empfinde ich meine Asexualität nicht als Problem in dem Sinne, dass ich je eine Art Leidensdruck empfunden hätte", so ein Mitglied von AVEN. "Das einzige Problem liegt darin, dass man von aussen als frigide bezeichnet wird, beim Arzt als appetenzgestört beschrieben wird und sich einem weniger akzeptierenden Umfeld gegenüber rechtfertigen muss. Die gesellschaftliche Wahrnehmung ist das, was sich ändern müsste." Der erste grosse Durchbruch wurde im Rahmen der Revision des DSM erreicht. Nun macht sich AVEN für eine entsprechende Änderung im ICD der Weltgesundheitsorganisation stark.
28.05.2013