Beckenbodenschwäche: Physikalische Behandlungsmassnahmen
Eine Übersicht von physiotherapeutischen Möglichkeiten zur Behandlung von Urininkontinenz (Beckenbodenschwäche) bei der Frau und ein paar einfache Beckenboden-Übungen für zu Hause.
Physiotherapeutische Möglichkeiten zur Behandlung von Beckenboden- und Blasendysfunktion
Es gibt verschiedene physiotherapeutische Möglichkeiten, um eine Inkontinenzproblematik zu behandeln. Die folgenden Massnahmen sind Bausteine, die sich untereinander kombinieren lassen. Die Festlegung der Kombination der verschiedenen Methoden ist abhängig von der ärztlichen Diagnose nach sorgfältiger urodynamischer Abklärung und von der physiotherapeutischen Befundaufnahme.
Der Therapieverlauf soll regelmässig kontrolliert werden, und die Massnahmen werden dementsprechend angepasst. Unerlässlich ist eine umfassende Aufklärung der Patientin über ihre Diagnose, die Anatomie des Beckens und Beckenbodenmuskels sowie über die physiotherapeutischen Möglichkeiten.
Funktionelle Rehabilitation
Die funktionelle Rehabilitation gehört zu jeder physiotherapeutischen Behandlungsserie. Sie wird individuell an die Bedürfnisse der einzelnen Patientin angepasst. Dabei erlernt die Patientin Übungen, die sie zu Hause selbstständig durchführen kann. Dazu gehören auch das isolierte Kontrahieren (Zusammenziehen) und Relaxieren (Entspannen) des Beckenbodens (siehe Beckenboden-Grundübung).
Beckenbodenübungen, Heimmassnahmen
Individuelles Heimprogramm
Ein wichtiger Teil des Therapieerfolgs beruht auf der Durchführung eines individuell gewählten und den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Patientin angepassten Heimprogramms. Die Patientin wird motiviert, ihre Heimübungen täglich durchzuführen und in den Alltag zu integrieren. Das Heimprogramm wird in der Therapiesitzung kontrolliert und gegebenenfalls angepasst.
Beckenbodengruppe
Das Mitmachen in einer Beckenbodengruppe empfiehlt sich vor allem für Patientinnen mit leichter Inkontinenz oder einer Beckenbodenschwäche ohne Urinverlust (präventiv). Für einen optimalen Erfolg sollte die Patientin vorgängig zu einer Einzelsitzung aufgeboten werden, in der die Physiotherapeutin kontrolliert, ob und wie stark die Patientin ihren Beckenboden kontrahieren kann. Nur so kann ausgeschlossen werden, dass die Teilnehmerin während des Kurses die falschen Muskeln auftrainiert.
Nebst verschiedenen praktischen Übungen, welche die Patientin zu Hause durchführen kann, werden in einer professionell geführten Beckenbodengruppe auch Informationen über Funktion, Physiologie und Pathophysiologie dieses Muskels und Alltagsverhalten vermittelt.
Die Beckenboden-Grundübung
Ausgangsstellung: Rückenlage mit leicht angewinkelten Knien, diese eventuell durch ein Kissen unterstützt, der ganze Körper ist entspannt, die Hände liegen auf dem Bauch.
Nach einem leicht vertieften Einatmen durch die Nase erfolgt das Ausatmen durch die zu einem Spalt geöffneten Lippen. Gleichzeitig mit der Ausatmung wird der Beckenboden sanft in den Bauch hinein gezogen. Am Ende des Ausatmens wird der Beckenboden wieder entspannt und die Atmung normal fortgesetzt.
Diese Übung kann mehrmals wiederholt werden. Sie hilft, den Beckenboden besser wahrzunehmen, und dient als Grundlage für weitere Beckenbodenübungen.
Es ist wichtig, von Inkontinenz betroffene Frauen zu motivieren, ein Heimübungsprogramm durchzuführen, um eine Verbesserung ihres Problems zu erzielen. Damit der erreichte Erfolg bestehen bleibt, müssen die Übungen meistens langfristig, eventuell in einem reduzierten Mass, weitergeführt werden.
Weitere Phyiotherapeutische Massnahmen
Information/Alltagsberatung
Die Alltagsberatung wird in die Einzelsitzung integriert. Dabei erhält die Patientin Informationen verschiedenster Art, zum Beispiel über korrektes Wasserlösen, den Einsatz des Beckenbodens in Belastungssituationen und auch über Hilfsmittel.
Biofeedback
Das Biofeedback ist eine Methode für das gezielte Training der Beckenbodenmuskulatur. Durch den Einsatz einer Vaginalsonde, welche mit einem Monitor verbunden ist, kann die Patientin die Aktivität ihrer Beckenbodenmuskulatur visuell überprüfen. Sie wird aufgefordert, ihren Beckenboden zu kontrahieren bzw. zu relaxieren. Die dabei sichtbare Kurve, welche die Spannung des Beckenbodens anzeigt, gibt u.a. Auskunft über dessen Kraft, Ausdauer und Koordination.
Elektrostimulation (ES)
Die elektrische Stimulation des Beckenbodens wird ebenfalls mit einer Vaginalsonde durchgeführt. Einerseits eignet sich die ES zur Wahrnehmungsschulung und hilft der Patientin, ihren Beckenboden zu identifizieren. Ausserdem besteht die Möglichkeit, den Beckenboden während der Stimulation aktiv mitzuspannen. Andererseits kann durch die elektrischen Impulse eine Hemmung eines hyperaktiven Detrusors bewirkt werden.
Magnetfeldstimulation
Hier handelt es sich um eine neue Methode der Elektrostimulation, die mittels eines modifizierten Stuhls durchgeführt wird. Unterhalb der Sitzfläche wird ein Magnetfeld erzeugt, welches den Beckenboden intermittierend kontrahiert und relaxiert. Auch hier kann die Patientin aktiv mitspannen. Ein Vorteil dieser Methode besteht darin, dass sich die Patientin nicht ausziehen muss.
Die Wirkung ist ähnlich wie die der herkömmlichen Elektrostimulation: Verbesserung der Kontraktion und der Relaxation der Beckenbodenmuskulatur und Hemmung eines hyperaktiven Detrusors. Wie bei der Elektrostimulation werden auch hier die Behandlungsparameter anhand der Patientin und der erwünschten Wirkung gewählt.
Der Weg von der Inkontinenz zur Kontinenz ist nicht einfach und verlangt von der Patientin viel Disziplin. Dabei braucht sie die Unterstützung eines kompetenten interdisziplinären Teams. Viele Spitäler und Kliniken, aber auch Physiotherapiepraxen beschäftigen speziell ausgebildete Inkontinenztherapeutinnen, welche ihre Patientinnen fachlich wie menschlich optimal begleiten und jederzeit gerne informieren.
28.12.2005 - Sylvia Maggiori, Physiotherapeutin, Kriens; Rosenfluh Publikationen AG