Brustkrebs-Vorsorge: Nachholbedarf in der Schweiz
Jahr für Jahr sterben in der Schweiz etwa 1500 Frauen an Brustkrebs. Eine frühzeitige Erkennung des Krebses ist wichtig für eine erfolgreiche Behandlung. Seit Jahren wird über die Einführung eines landesweiten Vorsorgeprogramms diskutiert.
"Jede Frau ab 50 Jahren sollte alle zwei Jahre eine Mammografie zur Abklärung machen lassen", sagt Monica Castiglione vom Schweizerischen Institut für angewandte Krebsforschung SK in Bern.
Dank der Früherkennung können die physischen und psychischen Belastungen, unabhängig vom Stadium der Erkrankung, reduziert werden.
Die Schweizerische Gesundheitsbefragung 2002 hat bezüglich Mammografie ergeben, dass 28.7% der 55- bis 64-jährigen Frauen vor 12 Monaten oder weniger eine Mammografie haben machen lassen, 50% vor mehr als 12 Monaten und 21.4% haben noch nie eine gemacht.
Die Aufteilung der Resultate nach Sprachregionen bringt frappante Unterschiede zum Vorschein: In der Westschweiz haben im Vergleich zur Deutschschweiz doppelt so viele Frauen in den letzten 12 Monaten diese Untersuchung machen lassen, nämlich 21.9% im Vergleich zu 10.6%. Diese Unterschiede stehen auch in Zusammenhang mit bereits vorhandenen Screening-Programmen in den Kantonen Genf, Waadt, Freiburg, Jura und Wallis.
Information der Betroffenen wichtig
In einer neuen Schweizer Studie ist untersucht worden, warum Frauen sich einem Mammografie-Programm unterziehen. Städtische Frauen und solche mit höherem Bildungsstand benützen diese Möglichkeit öfter als Frauen aus ländlichen Gebieten und Ausländerinnen. Dabei scheinen sowohl die Information als auch die räumliche Nähe zu einer entsprechenden Fachärztin eine Rolle zu spielen.
Frauen konnten eher für eine entsprechende Untersuchung motiviert werden, wenn sie durch die Gynäkologin oder den Gynäkologen auf diese Untersuchungsmöglichkeit angesprochen wurden. Ärztinnen allgemein und auch jüngeren Ärztinnen und Ärzten schenken die Frauen eher Gehör.
Früherkennung mit Mammografie
Die geläufigste Methode der Früherkennung ist die Mammografie, die Röntgenuntersuchung der weiblichen Brust. Man unterscheidet zwischen zwei verschiedenen Formen: Zum einen gibt es die systematische Brustkrebsfrüherkennung. Dabei werden alle Frauen ab 50 Jahren regelmässig aufgefordert, eine Mammografie durchführen zu lassen.
Dem gegenüber steht die Gelegenheitsuntersuchung, bei der Frauen selbst entscheiden, ob und wann sie zur Vorsorgeuntersuchung gehen. 1997 wurde die Mammografie zur Früherkennung von Brustkrebs für Frauen von 50 bis 69 Jahren in den Pflichtleistungskatalog der Grundversicherung aufgenommen. Diese Regelung gilt bis Ende 2007. Laufende Evaluationen werden über die Fortführung der Pflichtleistung entscheiden.
Wirksamkeit angezweifelt
Doch die Mammografie ist vor wenigen Jahren in Verruf geraten: Anfang 2000 war mit einem Artikel in der Fachzeitschrift "The Lancet" die Wirksamkeit der Mammografie zur Früherkennung von Brustkrebs in Frage gestellt worden. Die Autoren Gotzsche und Olsen bemängelten Unterschiede in Alter und Sozialschicht zwischen Interventions- und Kontrollgruppe in diversen Studien. Daraus folgerten sie, dass die Beweisführung dieser Studien nicht optimal sei und deshalb die Studienresultate nicht berücksichtigt werden dürfen für die Bewertung von Brustkrebs-Screening-Programmen.
Diese Studie erregte grosses öffentliches Aufsehen. Auf die Fortführung oder Neueinführung von Brustkrebs-Screening-Programmen hatte sie aber in den meisten Ländern keinen Einfluss. Nur in Deutschland und in der deutschen Schweiz konnte die Publikation die Einführung von nationalen systematischen Screening-Programmen verzögern. In der Zwischenzeit hat eine ganze Reihe von Autorinnen und Autoren die Studien neu evaluiert und die Wirksamkeit der Mammografie-Screenings bestätigt.
Mammografie schweizweit einführen
Mittlerweile haben sich solche Programme aber deutlich bewährt, wie die Auswertung langfristiger Erfahrungen zeigt. Aus Ländern mit gut organisierten Screening–Programmen weiss man, dass die Sterblichkeitsrate infolge Brustkrebs bis zu 50% sank. Rund die Hälfte aufgrund von Früherkennung, die andere aufgrund besserer Behandlungsmöglichkeiten.
Die Einführung und Umsetzung eines nationalen Mammografie-Screening-Programms stossen in der Schweiz noch immer auf grosse Widerstände. Dies hat weniger mit der Untersuchungsmethode an sich zu tun, sondern mit Fragen der Finanzierung und der Aufgabenteilung von Bund und Kantonen. Solche Programme werden denn auch nur in den Kantonen Genf, Waadt, Freiburg, Jura und Wallis durchgeführt, in weiteren Kantonen wird die Einführung diskutiert. Die Skepsis wird an noch offene Fragen geknüpft: Verlässliche Daten über die Wirksamkeit der Mammografie sind in der Schweiz noch nicht vorhanden.
Aufgrund von Erfahrungen im Ausland und unter der Annahme, dass sich 60% der Frauen zwischen 50 und 70 Jahren an einem Screening-Programm beteiligen würden, könnten jedes Jahr mehrere hundert Frauenleben gerettet werden. Beim Bund hat ein flächendeckendes Screening-Programm derzeit allerdings keine Priorität. Zwar arbeitet «Oncosuisse» im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit und der Gesundheitsdirektorenkonferenz ein nationales Krebsbekämpfungsprogramm aus. Doch die Vorsorge und das Screening gehören in die Zuständigkeit der Kantone.
13.10.2005