Chemische UV-Filter in der Kritik
Einige UV-Filter in Sonnencremes und Kosmetika stehen im Verdacht, die Wirkung natürlicher Sexualhormone nachzuahmen und so die Fortpflanzung von Mensch und Tier beeinträchtigen zu können. Dies konnten zwei Forschungsteams aus Zürich und Basel zeigen.
Was gibt es Schöneres als einen sonnigen Sommertag in der Natur, in den Bergen oder am Wasser zu geniessen. Die Sonne schenkt uns Wohlbefinden, sie birgt aber auch Gefahren. Für ein Sonnenbad ohne Reue ist die Haut unbedingt vor übermässiger UV-Strahlung zu schützen. Sonnenschutzmittel sind deshalb ein Muss.
Viele dieser Sonnenschutzmittel enthalten chemische UV-Filter. Diese organischen Substanzen absorbieren Licht im Bereich der UVA- und UVB-Strahlung und schützen so die Haut. Doch einige dieser gängigen UV-Filter haben noch andere, weniger erwünschte Eigenschaften. Sie sind fettlöslich und biologisch schlecht abbaubar - deshalb reichern sie sich in Organismen an. Und sie stehen im Verdacht, auf Grund ihrer chemischen Struktur natürliche Sexualhormone nachzuahmen und so die Fortpflanzung von Mensch und Tier negativ zu beeinflussen.
Studien in Zellkulturen
Margret Schlumpf und Walter Lichtensteiger von der Universität Zürich haben mit ihrem Team bei acht von zehn chemischen UV-Filtern eine östrogene Wirkung in Zellkulturen festgestellt. Karl Fent vom Institut für Umwelttechnik der Fachhochschule beider Basel stützt diesen Befund mit eigenen Untersuchungen an Zellkulturen. Weiter konnte er zeigen, dass in Mischungen sich die Wirkung der Einzelstoffe zum Teil verstärkt, aber auch abschwächt.
Studien am lebenden Organismus
Das Zürcher Team untersuchte chemische UV-Filter auch am lebenden Organismus. Bekamen junge, vorpubertäre Rattenweibchen UV-Filter verabreicht, reifte ihre Gebärmutter rascher und wurde je nach Dosis auch schwerer. Der gleiche Effekt zeigte sich, wenn haarlose Rattenweibchen mehrmals kurz bis Schulterhöhe in mit UV-Filtersubstanzen versetztes Olivenöl gehalten wurden. Damit konnte auch gezeigt werden, dass UV-Filter über die Haut in den Körper gelangen. Dänische Forscher wiesen ebenfalls nach, dass der Mensch UV-Filter über die Haut in den Körper aufnimmt.
Das Basler Team ging der Frage nach, ob chemische UV-Filter in einer Konzentration, wie sie in natürlichen Gewässern vorkommen, einen Einfluss auf die Fortpflanzung von Wasserlebewesen haben. Sie untersuchten die Wirkung von 4-MBC (4-Methyllbenzylidencampher) und 3-BC (3-Benzylidencampher), zwei häufig verwendeten Substanzen, auf die Entwicklung von Fröschen. Es konnte kein negativer Einfluss auf die Entwicklung von Kaulquappen festgestellt werden.
Hochkomplexer Problembereich
Kann auf Grund dieser Ergebnisse bereits Entwarnung gegeben werden? „Nein“, sagen die Forscher. Denn bei schleichenden Langzeitwirkungen von Chemikalien in der Umwelt handelt es sich im Gegensatz zur akuten Toxizität um einen hochkomplexen Problembereich. Ursache und Wirkung lassen sich oft nur schwer in Beziehung setzen und beweisen. Vielfach sind es verschiedene Faktoren, welche erst durch ihr Zusammenwirken in der Umwelt oder in spezifischen Organismen zu Veränderungen führen.
Industrie stellt Ergebnisse in Frage
Paul Vesel von der Schweizerischen Gesellschaft für chemische Industrie stellt die Resultate der beiden Forschungsgruppen in Frage. Eigene Studien haben widersprechende Ergebnisse gebracht.
Was machen Menschen, die den Sommer im Freien verbringen wollen?
Hier gilt weiterhin: die schönen Stunden geniessen. Hut, geeignete Sonnenbrille und luftige Kleidung schützen vor zu viel Sonne, ansonsten sollen gängige Sonnenschutzmittel verwendet werden. Als Alternative zu chemischen UV-Filtern bieten sich physikalische UV-Filter an. Im Gegensatz zu chemischen UV-Filtern hinterlassen sie auf der Haut einen weisslichen Film, der oft als unangenehm empfunden wird. Empfohlen werden Sonnenschutzmittel mit physikalischen UV-Filtern vor allem für Kinder und Schwangere.
17.02.2005