Disziplin im Operationssaal schützt vor Infekten
Strikte Disziplin vom Team und Ruhe im Operationssaal schützen Patienten besser vor einer Spitalinfektion als erhöhte Hygienemassnahmen, wie eine Studie des Insel Spital Bern zeigt. Weitere Risikofaktoren für Infektionen sind Übergewicht des Patienten, lange Operationen und Eigriffe am Darm.
1996 endeten noch über 9% aller Operationen in der Schweiz in einer ungewollten Operations- Infektion. Unterdessen konnte die Infektrate auf unter 6 Prozent gesenkt werden, wie die LangzeitÜberwachungsstudie Swiss Noso in 50 Schweizer Spitälern gezeigt hat.
Die Hygiene im Operationssaal spielt dabei eine wichtige Rolle, aber nicht nur. Dies hat eine Studie der Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin sowie des Universitätsinstituts für Infektionskrankheiten des Inselspitals Bern gezeigt. Sie ist in der August-Nummer des international renommierten Fachblatts American Journal of Surgery veröffentlicht worden.
Über 1000 Patienten untersucht
Die Berner Forscher um Oberarzt Guido Beldi untersuchten während eineinhalb Jahren bei 1'032 Patienten den Gesundheitszustand 30 Tage nach der Operation und die Auswirkungen verschiedener Faktoren auf das Auftreten sogenannter „surgical site infections“. Das sind Infektionen, die durch verunreinigte Operationsbestecke hervorgerufen werden. Als Risikofaktoren untersucht wurden unter anderem das Verhalten des OP-Teams, die Dauer der Operation sowie Patientenmerkmale wie Alter, Bodymassindex oder Diabetes.
Die Patienten hatten die Wahl, an der Studie teilzunehmen. Die Studie war zuvor durch die kantonale Ethikkommission bewilligt worden.
Risikofaktor Übergewicht
Die Auswertung der Untersuchung ergab folgende Ergebnisse:
- Patientenmerkmale wie Alter, Geschlecht, Raucher/Nichtraucher spielen keine Rolle. Hingegen treten postoperative Infektionen häufiger bei Operierten mit einem Bodymassindex von über 30 auf. Mögliche Erklärung: Die Operationswunde ist grösser und bietet eine grössere Angriffsfläche für unerwünschte Mikroorganismen.
- Exzessive Hygienemassnahmen wie doppelte, mehrfach gewechselte Handschuhe, Erneuern des gesamten OP-Bestecks bei jedem neuen Operationsschritt oder vollständige Ganzkörper-Abdeckung des Patienten mit sterilen Tüchern haben praktisch keinen Einfluss auf die
Infektionsrate. Es genügen die Standardmassnahmen: Sterilisation des Bestecks und der Tücher zur Wundabdeckung vor der Operation, Handschuhwechsel bei Bedarf. - Eine höhere Infektionsrate trat auch bei über dreistündigen Operationen und bei Darmoperationen auf.
- Ein massgeblicher Faktor ist die Disziplin im Operationssaal: Lärm, Hektik, Schichtwechsel während der Operation und fremde Besucher führen zu einem Nachlassen der Hygiene-Disziplin und damit zu mehr OP-Infektionen.
Forscher erstaunt
Die Ergebnisse überraschten die Forscher selber. Prof. Daniel Candinas, Co-Direktor der Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin: „Dass strikte Disziplin im OP viel bringt, ahnten wir schon vorher. Dass aber exzessive Hygienemassnahmen, wie Sie von der OP-Industrie propagiert werden, kaum messbare Wirkung zeigen, hat uns schon erstaunt.“14.06.2011