Doppelbelastung durch Sehbehinderung im Alter
Wie reagieren Menschen im höheren Alter, wenn sie innerhalb weniger Monate sehbehindert werden? Was hilft ihnen, mit der doppelten Belastung von Sehbehinderung und zunehmenden Altersbeschwerden umzugehen, und was fördert ihre Lebensqualität? Diesen Fragen widmet sich die Forschung des Schweizerischen Zentralvereins für das Blindenwesen SZB in einer neuen Untersuchung.
Besonders schmerzhaft empfinden Menschen, die im Alter sehbehindert werden, dass sie das Autofahren und das selbstständige Verreisen aufgeben müssen. Viele treten einen sozialen Rückzug an. Neue Strategien zu lernen, die im Alltag Erleichterungen schaffen – wie den Weissen Stock zu nutzen oder andere Personen um Hilfe zu bitten – fällt vielen schwer.
Was hilft für die Lebensqualität?
Die Sonderausgabe des SZB (Das Themenheft) „Sehbehinderung im Alter – komplex und vielfältig“ bleibt aber nicht bei der Zustandsbeschreibung stehen. Die Autoren untersuchen auch, welche Faktoren eine Rolle spielen, um Lebensqualität im Alter mit einer Sehbehinderung zu erhalten. Am wichtigsten ist die eigene innere Stärke – denn niemand kann die „doppelte Belastung“ abnehmen. Hilfreich sind aber auch erfahrene Ansprechpartner direkt nach der Diagnose. Der Kontakt zu Selbsthilfegruppen kann stärken, ebenso der Einsatz von Hilfsmittel und „emotionale“ Unterstützung durch das gesamte soziale Umfeld. Konkret hilft Umgestaltung der Wohnung, zum Beispiel durch bessere Ausleuchtung und bessere Kontraste sowie die Beseitigung von Hindernissen, die eine Sturzgefahr darstellen. Unterstützung dazu findet man kostenlos und ohne Verpflichtungen auf den in allen Kantonen eingerichtete Beratungsstellen für sehbehinderte Menschen.
Hochaltrigen Menschen mit Sehbehinderung liegt vor allem daran, wenigstens einfache Notizen zu lesen, das Telefon zu benutzen oder Vorlesegeräte anwenden zu können. Als wichtigstes Fazit halten die Autoren fest: „Die Menschen entscheiden selbst, was sie weiterhin selbstständig tun und für was sie Hilfe organisieren möchten“, so Stefan Spring, Forschungsbeauftragter beim SZB. Rehabilitation sollte daher im hohen Alter auf kleine, genau definierte Ziele und kurzes und häufiges Üben setzen. Dann kann die Lebensqualität auch mit der „doppelten Belastung“ ein gutes Stück erhalten werden.
Immer mehr Menschen erreichen das so genannte „vierte Alter“. Sie erfahren eine Zeit, in der einschneidende Veränderungen geschehen. In fast allen Lebensbereichen kommt es zu Einschränkungen: Der Partner oder die Partner stirbt, der Bekanntenkreis verkleinert sich, die Mobilität wird weniger – und gesundheitliche Beschwerden häufen sich: Augenkrankheiten wie Grauer Star, Makuladegeneration oder Nebenwirkungen von Krankheiten, die im Alter oft vorkommen, können zu einer Sehbehinderung führen.
Eine Krise, die oft zu Resignation führt
Sehbehinderung im Alter ist auf dem Vormarsch. Die Forschung des Schweizerischen Zentralvereins für das Blindenwesen SZB fasst die Ergebnisse einer eigenen aktuellen Studie in einem neu erschienenen Themenheft mit dem Titel „Sehbehinderung im Alter – komplex und vielfältig“, zusammen und zeigt wie Menschen nach einem unbeschwerten Leben im Alter mit einer Sehbehinderung umgehen. Dazu wurden Interviews mit betroffenen Menschen ausgewertet und eine Reihe von Expertinnen und Experten befragt.
Im Unterschied zu Menschen, die schon früh in ihrem Leben blind oder sehbehindert wurden, fällt ihnen die Umstellung auf die „doppelte Belastung“ – das Alter und die Sehbehinderung – schwerer. Die Diagnose eines Arztes „Da können wir nichts mehr machen; das wird nicht mehr gut“ in Bezug auf das Augenlicht lässt viele erst einmal in eine schwere Krise stürzen, gerade auch solche, die immer unternehmungslustig und aktiv waren. Es braucht Zeit, die neue Situation anzunehmen. Resignation ist nicht selten, da viele Menschen im Alter weniger Ressourcen zur Verfügung stehen, um neue Kräfte zu mobilisieren.
10.12.2014