Frauengesundheit: Was wir vom Ausland lernen können
Rund 80 Fachleute trafen sich zum zweiten Frauengesundheitsgipfel in Zürich. Im Zentrum standen die Gesundheitsförderung und Prävention von frauenspezifischen Krankheiten. Referentinnen aus Schweden und Österreich gaben mit Beispielen aus ihren Ländern wichtige Anstösse.
Der zweite Frauengesundheitsgipfel vom Dienstag, 23. November 2010, in Zürich stand ganz im Zeichen der Gesundheitsförderung und Prävention. Rund 80 Akteurinnen und Akteure aus Gesundheitsdiensten, Forschung, Lehre, Politik, Wirtschaft und Sozialwesen nahmen an der Fachtagung teil.
Das Ziel war, Vorschläge auszuarbeiten, wie die unterschiedlichen Bedürfnisse von Frau und Mann in der Vorbeugung von Krankheiten – über alle Lebensphasen hinweg – besser berücksichtigt werden können.
Information, Prävention und Inspiration Aus Referaten, Workshops und Podiumsdiskussion gingen verschiedene Forderungen hervor, aus denen Ständerätin und Tagungspräsidentin Anita Fetz drei heraushob: Als erstes nannte sie die Aufklärung von Dienstleistern im Gesundheitswesen. „Sie wissen zu wenig über frauenspezifische Bedürfnisse in der Gesundheitsversorgung“, erklärte sie.
Dem könne zum Beispiel mit einer Serie von Merkblättern zum Thema Gender begegnet werden. „Zweitens ist es zentral, dass das geplante Präventionsgesetz weiter verfolgt wird.“ Die Vorlage ist derzeit noch in der parlamentarischen Kommission hängig, Anita Fetz will sich im kommenden Jahr aber verstärkt dafür engagieren. Als dritten Punkt forderte Fetz, dass man sich für frauenspezifische Gesundheitsinitiativen und -programme von Beispielen aus dem Ausland inspirieren lassen sollte.
Wiener Initiative gegen falsche Schlankheitsideale
Internationaler Input war einer der Schwerpunkte der diesjährigen Tagung. Zwei renommierte Referentinnen erläuterten lokale und nationale Umsetzungsbeispiele einer geschlechtersensitiven Politik in ihren Ländern. Die Wiener Frauengesundheitsbeauftragte Beate Wimmer-Puchinger stellte unter anderem eine Initiative gegen falsche Schlankheitsideale bei Teenagern (S-O-Ess) sowie ein Programm zur flächendeckenden Administrierung qualitätsgesicherter Mammographie-Screenings vor. Beides Projekte, welche in Wien mit grossem Erfolg durchgeführt werden.
Genderspezifische Grundlagenforschung
Im anderen Referat präsentierte Piroska Östlin aus Schweden, Beraterin für soziale Gesundheit der Welt- Gesundheitsorganisation (WHO), das schwedische System der Integration genderspezifischer Aspekte in alle gesetzgeberischen und administrativen Bereiche des Landes. Schweden ist in Bezug auf die „Gender Equality“ eines der fortschrittlichsten Länder der Welt. Als konkretes Beispiel nannte Piroska Östlin ein Ausbildungsprogramm für Führungskräfte und Lehrer zur Sensibilisierung für das Thema Gender und Gesundheit. Ausserdem wies sie darauf hin, dass für die Forschung geschlechtergetrennte Bevölkerungsstatistiken wichtig sind und dass bereits in der Grundlagenforschung – zum Beispiel in der Entwicklung von Medikamenten – auf die Unterschiede zwischen Frau und Mann eingegangen werden muss.
Herzinfarkte treffen auch Frauen
Neben den Inputs aus dem Ausland wurde auch der Status der Frauengesundheit in der Schweiz anhand der beiden medizinischen Themen Herz- und Knochengesundheit besprochen. Dabei wurden von den Spezialistinnen und Spezialisten klare Fakten auf den Tisch gelegt: Gerade unter medizinischem Personal ist zu wenig bekannt, dass Männer häufig an der vermeintlichen Frauenkrankheit Osteoporose leiden und dass die primär den Männern zugesprochenen Herzerkrankungen die häufigste Todesursache bei Frauen sind. Da sich die Symptome bei den Geschlechtern unterscheiden, können Frau und Mann nicht gleich diagnostiziert und behandelt werden. Diesbezüglich gilt es, einen Hebel anzusetzen und verstärkt in der Öffentlichkeit zu informieren.
Aufklärung durch Bund, Krankenkassen oder Patientenorganisationen
Wer aber ist für die Aufklärung zuständig und übernimmt letztlich die Verantwortung für die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung? Diese Frage diskutierten Therese Junker von der Schweizer Herzstiftung, Emil Mahnig von der Patientenorganisation OsteoSwiss, Dragana Radovanovic vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich (ISPM), Felix Schneuwly vom Krankenkassendachverband Santésuisse und Salome von Greyerz vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) im Podiumsgespräch. Das spannende Gespräch vermochte die Frage nicht restlos zu klären. Man war sich aber einig, dass noch viel Arbeit zu tun ist, um das Bewusstsein für eine geschlechter- und vor allem frauenspezifische Gesundheitsversorgung zu fördern.
Forderungen nicht auf Eis legen
Zu diesem Zweck ist für Herbst 2011 der dritte Frauengesundheitsgipfel geplant. Bis dann werden die Themen und Forderungen des diesjährigen Gipfels jedoch nicht auf Eis gelegt. Herz- und Knochenerkrankungen sowie mögliche Ansätze für die Umsetzung ähnlicher Initiativen wie in Wien und Schweden sollen in den kommenden Monaten verstärkt in der Öffentlichkeit thematisiert werden. Alle Teilnehmenden und anderen Akteurinnen und Akteure mit einem Bezug zum Schweizer Gesundheitswesen sind dazu aufgerufen, Fragen der geschlechtsspezifischen Gesundheit – speziell der Frauengesundheit – in ihrem Umfeld aufzunehmen.
09.12.2010