Frauengesundheitsgipfel: Frauen kosten nicht zwingend mehr
Nach weitläufiger Meinung kosten Frauen im Gesundheitswesen mehr als Männer. In den USA rechnet man sogar mit bis zu zweieinhalbmal höheren Ausgaben. Selbst junge, gesunde Frauen werden nur mit Argwohn neu versichert. Betrachtet man jedoch nicht nur die absoluten Zahlen der Krankenversicherer, wird schnell klar, dass der Sachverhalt bei Weitem nicht so einfach ist.
Gemäss dem Gender-Gesundheitsbericht 2006 des Bundesamtes für Gesundheit gibt es drei wichtige Bereiche, in welchen die Gesundheitskosten der Frauen deutlich über jenen der Männer liegen: in der sexuellen und reproduktiven Gesundheit, im hohen Alter und in der Psychiatrie.
Bevor man nun falsche Schlussfolgerungen zieht, gilt es zu bedenken, was die Studie „Gesundheitskosten und Geschlecht“ des Gesundheitsobservatoriums (Obsan) aus dem Jahr 2004 aufzeigt: Frauen bezahlen einen wesentlichen Anteil ihrer Gesundheitskosten aus der eigenen Tasche. Dies beginnt schon als Teenager bei der Verhütung und gewinnt im hohen Alter zunehmend an Bedeutung. Während Frauen einen wesentlichen Teil der Pflege ihrer (Ehe-)Männer übernehmen und so jedes Jahr helfen, Millionen einzusparen, bleibt ihnen nach dem Tod des Partners meist nichts anderes übrig, als für die eigenen Pflegekosten weitgehend selbst aufzukommen.
Gender Bias bringt höhere Kosten für die Frau
Dass im Bereich der Gynäkologie und Reproduktionsmedizin die meisten Kosten bei Frauen anfallen (Ausnahme ist die Fertilitätstherapie bei Männern), versteht sich von selbst. Beide Bereiche sind jedoch auch für den Mann oder sogar die ganze Familie von Bedeutung. Erstens betreffen Schwangerschaft und Geburt beide Partner gleichermassen.
Zweitens tragen moderne gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen zu besserer Gesundheit und durch das rechtzeitige Erkennen lebensbedrohender Krankheiten letztlich zu einer höheren Lebenserwartung bei, was für das Familiengefüge nicht zu unterschätzende Auswirkungen hat. Auch diese Kosten gehen in aller Regel zulasten der Frau.
Ein weiterer Bereich, in welchem Frauen ungerechtfertigte (Folge-)Kosten tragen müssen, ist häusliche oder sexuelle Gewalt. Unbestritten sind hingegen die höheren Ausgaben von Frauen für psychiatrische Behandlungen. Zu prüfen wären in diesem Zusammenhang allerdings Hinweise auf eine ungleiche Diagnose- und Medikalisierungspraxis bei den beiden Geschlechtern.
Methodischer Tunnelblick reicht nicht aus
Solche oft einseitigen Betrachtungsweisen begünstigen eine verzerrte Einschätzung der anfallenden Kosten und letztlich schlechtere Bedingungen für Frauen bei der Krankenversicherung. Doch auch abgesehen von allen Ungleichheiten reicht es nicht aus, sich bei der Beurteilung der geschlechtsspezifischen Gesundheitskosten nur auf die höheren Ausgaben der Krankenkassen für weibliche Versicherte zu stützen.
Denn nur etwa ein Drittel der ausgewiesenen Gesundheitskosten wird von den Versicherungen finanziert. Damit wird klar, dass künftige Untersuchungen wesentlich breiter fassen müssen, um das Zusammenspiel der Geschlechter im Gesundheitswesen zu verstehen.
Information zum Frauengesundheitsgipfel
Der Frauengesundheitsgipfel ist ein jährlich stattfindender Fachkongress für interessierte Akteure in den Gesundheitsdiensten, in der Forschung, Lehre, Politik und Wirtschaft sowie im Sozialwesen.
Er hat zum Ziel, bei Entscheidungsträgern und in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für frauenspezifische Massnahmen in der Schweizer Gesundheitsversorgung zu fördern. Im Zentrum der diesjährigen Veranstaltung steht die Umsetzung von Frauengesundheitsförderung und Prävention in der Schweiz. Neben der Präsentation von Best-Practice-Beispielen aus dem Ausland werden die beiden medizinischen Themen Herz- und Knochenerkrankungen bei Frauen behandelt. Ein weiterer Schwerpunkt bildet das geplante Schweizer Präventionsgesetz.
Frauengesundheitsgipfel am 23. November 2010 in Zürich
Informationen unter Tel. 044 250 85 85
oder Email: gesundheitsgipfel@womenshealth.ch.
30.09.2010