Kein erhöhtes Hirntumor-Risiko durch Mobiltelefonie
Die lang erwarteten Schlussresultate der von der Internationalen Krebsagentur (IARC) koordinierten Interphone-Studie über einen möglichen Zusammenhang zwischen Mobiltelefonie und Hirntumor-Risiko sind publiziert.
Für die Nutzergruppe mit dem intensivsten Telefongebrauch zeigen die Daten allerdings eine Risikoerhöhung. Die Autoren weisen aber darauf hin, dass diese Resultate unter anderem auf teilweise wenig plausiblen Interviewangaben beruhen. Ob die intensive Langzeitnutzung während mehr als 12 Jahren oder der Handygebrauch für Kinder und Jugendliche mit Risiken verbunden sind, müssen weitere Forschungsarbeiten zeigen.
Die Interphone-Studie untersuchte, ob zwischen der Handynutzung und dem Risiko, an einem Tumor im Kopfbereich zu erkranken, ein Zusammenhang besteht. In der Gesamtstudie wurden in 13 Ländern (die Schweiz hat nicht teilgenommen) insgesamt etwa 6'500 Patientinnen und Patienten berücksichtigt, die zwischen 2000 und 2004 an einer von vier ausgewählten Tumorarten erkrankten: Hirnhauttumore (Meningeome), Hirngewebstumore (Gliome), Hörnervtumore (Akustikusneurinome) und Ohrspeicheldrüsentumore (Parotistumore). Ihr Mobiltelefongebrauch in der Vergangenheit wurde verglichen mit der Handynutzung von etwa ebenso vielen gesunden Kontrollpersonen gleichen Alters, Geschlechts und weiterer vergleichbarer Merkmale. Die Studie untersuchte, ob die Erkrankten das Telefon intensiver nutzten als die Kontrollpersonen. Falls ja, könnte die Handynutzung als Hinweis auf ein Risiko interpretiert werden.
Hauptergebnisse im Überblick
Nach der Datenanalyse einzelner Länder wurde in der vorliegenden Publikation nun die Gesamtanalyse der Studienergebnisse für Hirntumore (Gliome und Meningeome) veröffentlicht. Die Ergebnisse zu den zwei weiteren Tumorarten (Hörnervtumor und Ohrspeicheldrüsentumor) werden zu einem späteren Zeitpunkt publiziert. Die Analyse hat im Wesentlichen das Bild der bereits veröffentlichten Resultate der Länderstudien bestätigt, vor allem aber auch präzisiert:
- 1) Die Handynutzung (auch während mehr als 10 Jahren) war insgesamt nicht mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko für Hirntumore assoziiert.
- 2) Eine Risikoerhöhung wurde bei einer von mehreren definierten Nutzergruppen (Handynutzung in Anzahl Stunden) – derjenigen mit dem höchsten Mobiltelefongebrauch – festgestellt. Die Autoren relativieren diesen Befund und weisen darauf hin, dass das Resultat durch teilweise wenig plausible Angaben der Befragten zum eigenen Telefongebrauch sowie methodische Limitationen beeinflusst wird.
- 3) Die vorliegenden Resultate lassen keine Aussagen zu möglichen Langzeiteffekten für Mobiltelefongebrauch über 12 Jahre hinaus zu, insbesondere bei intensiver Nutzung, ebensowenig zu allfälligen Risiken der Handynutzung für Kinder und Jugendliche. Gemäss den Autoren ist hier weiterer Forschungsbedarf angezeigt.
Erste Beurteilung der Studienresultate aus Sicht von FSM und KLS
Die Interphone-Studie ist die bislang aufwendigste Forschungsarbeit zum Thema Handynutzung und Hirntumor-Risiko. Die vorgelegte Publikation präsentiert die Resultate zu den zwei Hirntumorarten Gliome und Meningeome (Hörnervtumore und Ohrspeicheldrüsentumore sind in dieser Auswertung noch nicht berücksichtigt). Diese Gesamtanalyse ausschliesslich zu den Hirntumoren ist wegen der grossen Anzahl berücksichtigter Personen (total mehr als 5 100 Patientinnen und Patienten) statistisch aussagekräftiger als die zu einem grossen Teil bereits veröffentlichten einzelnen Länderanalysen.
Insgesamt konnte auch in dieser grossangelegten Studie ein erhöhtes Erkrankungsrisiko durch Handynutzung nicht nachgewiesen werden. Die vorgelegten Daten lassen kein eindeutiges Muster erkennen, das einem ursächlichen Zusammenhang zwischen Handynutzung und Hirntumorrisiko entsprechen würde; etwa ein ansteigendes Risiko bei zunehmender Telefonnutzung (in Anzahl Stunden) oder ein zunehmendes Risiko mit der Dauer der Nutzung (in Anzahl Jahren).
Bei intensivem Gebrauch (durchschnittlich etwa 30 Minuten pro Tag während mehr als 10 Jahren) zeigte sich allerdings ein leicht erhöhtes Risiko für Gliome und Meningeome. Dieses wurde auf Robustheit und Plausibilität hin durchleuchtet und konnte zum Teil (aber nicht vollständig) durch methodische Effekte erklärt werden.
Wie erwähnt kann die Studie aufgrund ihrer Anlage keine Aussagen zu möglichen Langzeiteffekten (über 12 Jahre) bei intensiver Telefonnutzung und zu allfälligen Risiken für Kinder und Jugendliche machen. Hierzu sind weitere Forschungsarbeiten nötig. Zu berücksichtigen gilt auch, dass heute einerseits eine neue Technologiegeneration (UMTS) mit niedrigeren Sendeleistungen verbreitet ist, andererseits aber auch veränderte Telefonnutzungsgewohnheiten vorherrschen (d.h. fast alle telefonieren heute mit Handys und häufiger als früher).
Vorsorgliche Empfehlungen
Die Forschungsstiftung Mobilkommunikation (FSM) und die Krebsliga Schweiz (KLS) empfehlen nach wie vor, die Strahlenbelastung durch einfache Massnahmen vorsorglich niedrig zu halten. Sie haben deshalb für Benutzerinnen und Benutzer von Mobiltelefonen Empfehlungen zu immissionsarmem Telefonieren formuliert. Die wichtigsten Massnahmen sind: während des Telefonierens eine Freisprecheinrichtung zu benutzen und wenn möglich ein immissionsarmes Mobiltelefon zu verwenden.
Weitere Informationen zu immissionsarmem Telefonieren:
17.05.2010