Kindliche Haltungsschwächen durch Computerspiele und Fernsehen
Die Aktion Kid-Check der Universität Saarland untersucht seit 1999 Kinder und Jugendliche auf Haltungsschwächen. Ziel: Schlechte Körperhaltung frühzeitig erkennen, die Ursachen erforschen und mit dem richtigen Training den kindlichen Körper ''Haltung'' lernen.
Sie untersuchten 1'600 Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 17 Jahren. Mittels moderner Videotechnik wurden die Teilnehmer bei einem orthopädischen Check, bei einem biomechanischen Test sowie bei Gleichgewichts- und Koordinationsübungen beobachtet.
Die Zwischenergebnisse sind beunruhigend: rund 40% der Teilnehmer gelang es nicht, ihren Körper im Stehen richtig aufrecht zu halten. Das bedeutet z.B.: Hängende Schultern, auffällig nach vorne geneigter Kopf, abstehende Schulterblätter, starkes Hohlkreuz oder seitlich verkrümmte Wirbelsäule (sogenannte Skoliose). Ausserdem wiesen diese Teilnehmer Gleichgewichts- sowie Körperkoordinationsprobleme auf. Bei 13% der Kids ist die Körperhaltung so schlecht, dass ihnen ohne Behandlung dauerhafte Haltungsschäden drohen. Etwa 24% befinden sich in einem Übergangsbereich von stabiler Haltung zur Therapiebedürftigkeit. 12% der Teilnehmer sind stark therapiebedürftig.
Trotz starker Muskulatur fehlendes Körpergefühl
Bei einigen Kids ist definitiv die fehlende Muskulatur Schuld an der schlechten Körperhaltung. Andere Kinder – darunter Sportler - weisen aber trotz kräftiger Muskulatur eine schlechte Körperhaltung auf; ihnen fehlt die Körperwahrnehmung. Trotz kräftiger Muskulatur gelingt es ihnen nicht, ihre Muskeln gezielt zu aktivieren. Sie haben deshalb Schwierigkeiten, ihre schlechte Haltung aktiv zu korrigieren. Parallel dazu schnitten die Kids mit schlechter Körperwahrnehmung in der Regel auch bei Gleichgewichts- und Koordinationsübungen schlechter ab.
Ein Beispiel zur Koordination: Mit geschlossenen Augen einen Hampelmann springen. Teilnehmern mit schlechter Koordination gelang es nicht, mit geschlossenen Augen den Hampelmann korrekt zu springen: Arme und Beine gerieten bei der Übung durcheinander, rechts und links wurde verwechselt.
Eine Gleichgewichtsübung: Die Kinder mussten mit geschlossenen Augen eine Minute still stehen. Dabei wurden die Körperschwankungen gemessen. Je weniger Schwankungen aufgezeichnet wurden, desto besser war das Gleichgewicht.
Haltungsschwächen durch Computerspiele und Fernsehen
Kinder, die viel Zeit vor dem Fernseher oder Computer verbringen, weisen – trotz zum Teil guter Muskulatur - besonders ausgeprägte Haltungsschwächen aus. Auch schnitten sie bei den Gleichgewichts- und Koordinationsübungen schlecht ab. Durch das lange Sitzen am Bildschirm werden Sinneswahrnehmungen zur Köpersteuerung der Jugendlichen nicht ausreichend genutzt und geschult.
Die schlechte Körperhaltung ist also nicht allein auf schwache oder schlecht gedehnte Muskeln zurückzuführen. Der Kid-Check zeigt erstmals auf, dass schlecht trainierte Sinneswahrnehmungen das Körpergefühl der Jugendlichen stören. Für eine gute Körperhaltung braucht es ein trainiertes Nervensystem, das die Muskulatur zielgerichtet, genau dosiert und in einer festen zeitlichen Reihenfolge aktiviert. Dazu benötigt das Gehirn - als Steuerzentrale - von den verschiedenen Sinnessystemen, jederzeit genaue Informationen über die Stellung der Gelenke sowie die Spannung der Sehnen und Muskeln.
Massgeschneidertes Training
Ein massgeschneidertes Trainingsprogramm kann helfen, die Haltung optimal zu steuern. 15 Jugendliche im Alter von 14 bis 16 Jahren absolvierten dazu ein halbes Jahr lang Übungen für Gleichgewicht und Koordination sowie für Kraft und Beweglichkeit. Nach Abschluss der Studie zeigten die Jugendlichen - im Vergleich zur inaktiven Kontrollgruppe – eine deutlich verbesserte Körperhaltung.
26.03.2008