Lampenfieber: Wenn Aufregung zu viel wird
Wer kennt das nicht? Herzklopfen, weiche Knie, zittrige Hände - bei der Prüfung, beim Vorstellungsgespräch oder bei einem Vortrag. Am Beispiel von Berufsmusikern erklärt eine Expertin, wie man lernen kann, mit solchen Ängsten umzugehen.
Frau Dr. Mahkorn, Leiterin der „Ambulanz für Berufsmusiker“ in Köln berichtet über ihre jahrelange Erfahrung mit lampenfiebergeplagten Musikkünstlern in einem Interview im Fachblatt medscapemedizin.de. Hier eine Kurzfassung des Gesprächs.
Eines vornweg: Vor Lampenfieber davon rennen bringt nichts. Im Gegenteil: In der nächsten ähnlichen Situation kommt es noch stärker. Und: Ein bisschen Lampenfieber gehört zu neuen Situationen. Wenn man damit umzugehen lernt, kann der etwas erhöhte Stresspegel ein hilfreicher Begleiter sein, weil er die Präsenz und Aufmerksamkeit steigert und so zum Erfolg beiträgt. Zu starkes Lampenfieber hingegen, kann Betroffene jedoch in die Bredouille bringen. Denn: wie soll eine stark zitternde Hand zum Beispiel mit dem Geigenbogen die richtigen Töne hervorbringen?
Die Angst, nicht gut genug zu sein, Angst, sich in der Öffentlichkeit lächerlich zu machen, Angst, die Menschen mit seiner Darbietung zu langweilen – all dies könnte als Ursache für Lampenfieber genügen. Meist steckt aber laut der Expertin noch mehr dahinter. Schlechte Erfahrungen in einer ähnlichen Situation, zum Beispiel bereits in der Kindheit oder auch das Gefühl, sich nicht genügend vorbereitet zu haben, können wahre Panikgefühle hervorrufen.
Beim ersten Rendezvous kann die Angst davor, dass die Liebe nicht erwidert wird, ebenfalls ähnliche Gefühle hervorbringen. Perfektionisten, Menschen mit einem schlechten Selbstbewusstsein, emotional instabile Personen und solche, die bereits schlechte Erfahrungen mit Lampenfieber gemacht hatten, sind dabei am stärksten gefährdet, so die Expertin.
Doch was tun, wenn Atemnot, Schweissausbrüche, Herzklopfen, zittrige Hände, Schwindelgefühle, Hektik in Bewegungen und der Stimme, trockener Mund und ein allgemeines Unwohlsein sich vor einer Rede, einem Auftritt, einem Vorstellungsgespräch breit machen? Der Rat der Expertin: in erster Linie ja nicht aus der Situation davon laufen, sich reingeben und möglichst die Gedanken auf das zu lenken, was zu tun ist: zu reden, zu musizieren, zu singen, zu tanzen etc.
Vor Experimenten mit Alkohol, Drogen oder Medikamenten rät die Expertin ab und räumt auch gleich mit dem Cliché auf, wonach sich Künstler sowieso mit „irgendetwas “ beruhigen. Nach einer Umfrage gaben nämlich nur 20% von Berufsmusikern mit Lampenfieber an, schon mal Betablocker* genommen zu haben und die Zahl jener, die sich mit Alkohol beruhigen oder Beruhigungsmedikamente ausprobiert hatten, lag unter 10%. *Betablocker setzen die Herzfrequenz herunter.
Welche Behandlungsstrategien gibt es gegen Lampenfieber?
Die Expertin plädiert für Verhaltenstherapie und erklärt diese am Beispiel einer Sängerin, die auf einer 20 Meter hohen Plattform hätte singen sollen und dabei die Stimme „verlor“. Die Sängerin musste daraufhin in einem gemütlichen Raum auf einer Vibrationsplattform singen. Nach einigen solchen Sitzungen, wo sie in dieser doch ungemütlichen Situation ihre Lieder zum Besten gab, verlor die Sängerin auch die Angst, in luftigen Höhen zu singen, gänzlich.
Wichtig sei, dass Expositionstrainings, in denen man sich zum Beispiel als Redner oder als Musiker zu nächst vor Freunden, später vor Fachleuten exponiert, möglichst früh beginnen. Zur Therapie gehört auch das Lernen, die Gedanken so zu lenken, dass man sich nicht dauernd auf die Symptome konzentriert, sondern auf das, was man tun will (der Sänger konzentriert sich auf Melodien, der Musiker stimmt sein Instrument, der Redner liest sich seine Rede vor etc.). Bereits nach 10-15 Sitzungen kommen viele Betroffene wieder viel besser mit ihren Ängsten zu Recht und getrauen sich auch wieder, sich schwierigen Situationen zu stellen.
In einigen Fällen wird während der Therapie eine Depression entdeckt oder die Panikattacken werden so stark, dass Medikamente verordnet werden müssten. Aber das seien unter den Berufsmusikern wenige, so die Expertin.
Auf einer Plattform für Lampenfieber kann man lesen, dass der souveräne und für seinen trockenen Humor bekannte britische Premierminister Winston Churchill vor seinen Reden unsäglich an Lampenfieber gelitten habe. Sein Variante: Er stellte sich das gesamte Publikum mit einem Loch im Strumpf vor. Vielleicht ist das der Trick, dass man trotz Aufregung seinen Humor nicht verlieren sollte.
01.10.2014