Manisch-Depressive Erkrankungen: Antidepressiva wirkungslos?
Patienten mit bipolaren Störungen (manisch-depressive Erkrankungen) werden häufig begleitend mit Antidepressiva behandelt. Forscher untersuchten die Wirkung der medikamentösen antidepressiven Behandlung.
Bei der Manie zeigt der Betroffene eine übermässig gesteigerte Aktivität und eine übersteigert gute Stimmungslage. Die Depression ist durch antriebslose Phasen mit gedrückter Stimmung gekennzeichnet.
Heute wird ein manisch-depressive Betroffener standardmässig mit sogenannten Mood-Stabilizern (''Stimmungs-Stabilisatoren'') wie z.B. Lithium, Valproat oder Carbamazepin behandelt. Damit will man das erhöhte Suizid-Risiko (Gefahr zu Selbststötung) in den manischen Phasen möglichst verhindern.
Die meisten Betroffenen leiden aber mehr unter den depressiven Phasen, sodass viele Ärzte zusätzlich Antidepressiva verordnen. Meistens werden Antidepressiva eingesetzt, die sich bei Depressionen als wirksam erwiesen haben und dafür auch zugelassen sind. Obwohl sie für bipolare Störungen nicht zugelassen sind, werden solche Antidepressiva bei dieser Erkrankung ebenfalls eingesetzt; deshalb nennt man sie ''off-label-Medikamente''. Noch gibt es zu wenig Studien, welche die Sicherheit solcher ''off-label-Medikamente'' untersucht haben.
Die Autoren der Systematic Treatment Enhancement Program for Bipolar Disorder-Studie (STEP-BD-Studie) wollten wissen, wie sicher die Antidepressiva wirken; mit Sicherheit meinen sie, wie gross das Suizid-Risiko bei manisch-depressive Patienten unter zusätzlichen Antidepressiva ist.
An der 26-wöchigen Studie nahmen 366 Patienten aus 22 verschiedenen amerikanischen Gesundheitszentren teil. Die Teilnehmer wurden von Ärzten behandelt, die sich auf die Behandlung von Patienten mit bipolaren Störungen spezialisiert hatten.
Erst wurden die Teilnehmer mit einer optimalen Dosis Mood-Stabilizer behandelt. Später bekamen die Patienten zusätzlich ein Antidepressivum oder ein Placebo (Scheinmedikament). Als Antidepressiva wurde entweder Paroxetin oder Bupropion gegeben. Diese Wirkstoffe werden in den USA am häufigsten ''off-label'' bei bipolaren Störungen eingesetzt.
Suizid-Risiko, aber keine Todesfälle
In beiden Gruppen mussten 3 Patienten wegen suizidaler Gedanken hospitalisiert werden. Es gab aber keine Todesfälle.
Antidepressiva sind sicher, aber nicht heilend
Das primäre Ziel bei der Behandlung der Teilnehmer mit bipolaren Störungen war, die extremen Schwankungen zwischen den manischen und depressiven Phasen zu verhindern. Die Stimmungslage sollte über eine möglichst lange Zeit - über mindestens 8 Wochen - stabil sein. Dieses Ziel erreichten aber nur 24% der Teilnehmer unter zusätzlichen Antidepressiva und 27% unter Placebo.
Fazit der Autoren
Die optimale Einstellung mit Mood-Stabilizern mit zusätzlichen Antidepressiva scheint bei manisch-depressiven Patienten eine sichere Behandlungsmethode zu sein (kein erhöhtes Suizidrisiko).
Die Hoffnung, mit zusätzlichen Antidepressiva eine ausgeglichene Stimmungslage über längere Zeit zu erreichen, erfüllte sich jedoch nicht.
Für die Studienleiter heisst das, dass Patienten mit bipolaren Störungen in erster Linie optimal mit Mood-Stabilizern behandelt werden müssen. Antidepressiva helfen offensichtlich hinsichtlich der Heilung nicht wesentlich.
04.04.2007