Mehr Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen – Prognosen bis 2030
Der Bedarf an stationärer medizinischer Versorgung wird ansteigen – insbesondere bei den älteren Menschen. Bei den jüngeren gehen diese Zahlen zurück, dafür steigt die Anzahl von Herz-Kreislauferkrankungen sowie Krebs, wie die prognostische Auswertung von 2 Millionen Datensätzen im Bezug auf den demografischen Wandel in Mecklenburg-Vorpommern zeigt.
Die Untersuchung einer Dissertation an der Universität Rostock, die in Kürze veröffentlicht wird, zeigt den Einfluss des demografischen Wandels auf die stationäre medizinische Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern.
Eines vornweg: Die Einwohnerzahl wird zurückgehen, dafür wird der Anteil der älteren Bevölkerung zunehmen. Welche Folgen hat dies für die verschiedenen medizinischen Fachrichtungen? Wo steigt der Bedarf, wo sinkt er? Und steigt oder sinkt der Versorgungsbedarf insgesamt? – das waren die zentralen Fragen.
Der Humanmediziner Dr. Sebastian Fenger analysierte in seiner Arbeit "Untersuchungen zur Veränderung des Morbiditätsspektrums einer alternden Bevölkerung am Beispiel des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern" die Gesamtzahl an stationären Fällen des nordöstlichen Bundeslandes der Jahre 2005 bis 2009 (ca. 2 Mio. Fälle), um auf dieser Basis Prognosen bis zum Jahr 2030 zu erstellen, aber auch um das zu erwartende Morbiditätsspektrum abzubilden.
Die anonymisierten Patientendaten stellte das Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales zur Verfügung. Die Prognosen beruhen also nicht nur auf repräsentativen Erhebungen, jeder stationäre Aufenthalt wurde unter die Lupe genommen. Das ist neu. "Die Doktorarbeit baut auf ein Versorgungsforschungsprojekt auf, das im Jahr 2005 in Zusammenarbeit mit der Bundesärztekammer begonnen wurde. Sie soll einen Beitrag leisten, um das Gesundheitswesen auf die bevorstehenden Aufgaben vorzubereiten", sagt Dr. Fenger.
"Untersuchungsgegenstand war ausschliesslich der Einfluss des demografischen Wandels. Damit wurden Prognosen geschaffen, die nicht durch subjektive Eindrücke oder Vermutungen von Fachgesellschaften beeinflusst wurden", ergänzt er. Von 2005 bis 2009 wurden Fallzahlen, Belegungstage und Verweildauer im Krankenhaus in allen Altersgruppen für alle Fachabteilungen analysiert. Daraus wurden Prognosen bis 2030 entwickelt.
Im Beobachtungszeitraum zeigten sich bereits einen deutlichen Zuwachs bei einzelnen Erkrankungen wie z. B. der Herzschwäche (häufigste stationäre Diagnose im Land) von 7‘000 Fällen im Jahr 2005 auf über 10‘000 im Jahr 2009. Bis 2030 ist ohne Intervention davon auszugehen, dass sich die Zahl noch einmal fast verdoppeln wird. Andere Erkrankungen wie z. B. Herzinfarkte und Bluthockdruck waren erfreulicherweise rückläufig.
Wichtiges Ergebnis der Arbeit: Der demografische Wandel lässt insgesamt einen weiteren Anstieg der Fallzahlen, der Belegungstage und der mittleren Verweildauer erwarten. "Wir haben festgestellt, dass sich die Zunahme der über 60-Jährigen mit ihrem höheren Bedarf an medizinischer Versorgung nicht durch die rückläufige Zahl der unter 60-Jährigen kompensieren lässt", fasst Dr. Fenger zusammen.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs zunehmend
In der Inneren Medizin werden zum Beispiel 25% mehr Fälle, in der Allgemeinchirurgie und der Neurologie 10% mehr Fälle erwartet. Auch in Orthopädie und Augenheilkunde wurden steigende Zahlen ermittelt. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gewebeneubildungen, Knochenbrüche, künstliche Gelenke, Schlaganfälle - das sind die häufigsten Behandlungsfälle bei Älteren. In der Kinderheilkunde, Gynäkologie und Geburtshilfe sowie HNO-Heilkunde werden die absoluten Zahlen laut Prognosen deutlich sinken.
"Die Arbeit ist eine wichtige Grundlage für unsere Bettenplanung an der Universitätsmedizin Rostock sowie für die Investitionsplanung im Land - und letztlich sogar bundesweit", fasst Professor Dr. med. Peter Schuff-Werner, Ärztlicher Vorstand und Betreuer der Promotion, zusammen.
"Empfehlungen, die in der Arbeit getroffen wurden, wie die Bildung von Behandlungszentren für die Nutzung von Synergieeffekten, der Ausbau von ambulanter und tagesklinischer Versorgung sowie von Spezialsprechstunden werden in Rostock bereits zunehmend in die Tat umgesetzt", ergänzt er. "Ein sehr wichtiges Promotionsthema für die Volksgesundheit", hebt Dekan Professor Dr. med. Emil C. Reisinger hervor, "wir wünschen uns sehr, dass Dr. Fenger dieses Thema weiter verfolgt. Es hat über Mecklenburg-Vorpommern hinaus Bedeutung."
Dr. Sebastian Fenger, geboren 1984 in Neubrandenburg, studierte von 2005 bis 2011 an der Universität Rostock Humanmedizin und wird 2013 seine Facharztweiterbildung aufnehmen. Die Ergebnisse seiner Doktorarbeit führten ihn bereits zu Vorträgen an Kliniken in Mecklenburg-Vorpommern und darüber hinaus. Sein wissenschaftliches Thema will er weiterverfolgen.
28.01.2013