Nationalfondsstudie: "Hormonaktive Substanzen"
In Muttermilch und in Sonnencrèmes können hormonaktiven Substanzen vorkommen, die Belastung in Flüssen und Trinkwasser ist eher gering. Das hat das Nationale Forschungsprogramm "Hormonaktive Stoffe" ergeben.
Während sechs Jahren arbeiteten Forscher am Nationalen Forschungsprogramm "Hormonaktive Stoffe: Bedeutung für Menschen, Tiere und Ökosysteme" (NFP 50). In 31 Projekten untersuchten sie, ob und wie hormonaktive Chemikalien für Mensch, Tier und Umwelt eine Gefahr darstellen können.
Einige Resultat seien beruhigend, andere hätten eine genauere Risikoabklärung nahegelegt, schrieb der Schweizerische Nationalfonds (SNF) am Donnerstag zum Abschluss des Programms. Eine gute Nachricht sei, dass die Menge der über das Trinkwasser aufgenommmenen hormonaktiven Substanzen im Allgemeinen zu gering sei, um eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darzustellen.
Auch die Belastung der in Flüssen des Schweizer Mittellandes untersuchten Forellen war eher tief. Erhöhte Werte wurden lediglich direkt unterhalb von Kläranlagen gefunden.
Gefährliche UV-Filter
Das Programm förderte aber auch neue potenziell hormonaktive Stoffe zu Tage. Forscher konnten etwa nachweisen, dass einige UV-Filter, die in Sonnencrèmes und Kosmetika vor den schädlichen UV-Strahlen schützen sollen, zumindest bei Ratten die Entwicklung der Geschlechtsorgane und des Gehirns stören können.
Bei der Untersuchung der Muttermilch von 54 Frauen fanden die Forscher in über drei Viertel der Proben zudem einen oder mehrere UV-Filter. Je mehr Sonnenschutzmittel und Kosmetika mit solchen Filtern die Frauen benutzten, desto höher war die Konzentration in der Muttermilch.
Zum Teil seien die Konzentrationen "besorgnis erregend hoch" gewesen, schreibt der SNF. Um festzustellen, wie gefährlich diese Stoffe tatsächlich sind, braucht es laut den Forschern allerdings weitere Studien.
Flammschutzmittel in Füchsen
Im Verdacht, hormonaktiv zu sein, stehen auch bromhaltige Flammschutzmittel. Sie werden von der Industrie benutzt, um die Entflammbarkeit von Materialien wie Kunststoffe oder Textilien zu senken. Im Rahmen des NFP 50 wurde erstmals aufgezeigt, wie verbreitet diese Stofe in der Schweiz sind.
Forscher fanden bromhaltige Flammschutzmittel etwa in Fischen, in Klärschlamm und in Füchsen in der Stadt Zürich. Aber auch Hausstaub und die Luft von Büroräumen enthielten die Mittel. Extrem hohe Konzentrationen fanden die Forscher in Flugzeugen - was aufgrund der Anforderungen an die Brandsicherheit laut SNF wenig überraschend ist.
Die Forscher gehen aufgrund der Ergebnisse davon aus, dass Menschen von einigen der Substanzen über den Hausstaub ebenso grosse oder grössere Mengen aufnehmen können wie über Lebensmittel. Besonders gefährdet sind Kleinkinder, die auf dem Boden herumkrabbeln, Piloten oder Kabinenpersonal.
Industrie und Bund reagieren
In so genannten Konsensplattformen erarbeiteten Vertreter der Forschung, der Industrie und des Bundes Empfehlungen, um negative Auswirkungen potenziell hormonaktiver Chemikalien zu vermeiden. Einig waren sich die Beteiligten, dass eine Langzeitüberwachung und weitere Forschung nötig seien.
Die Industrie erklärte sich zudem bereits zu prüfen, ob sie in Sonnenschutzmitteln auf die besonders verdächtige UV-Filter-Substanz 4-MBC verzichten kann. Der Bund lässt gleichzeitig abklären, ob weitere Einschränkungen oder Verbote von hormonaktiven bromierten Flammschutzmitteln nötig sind.
Untersuchungen zum Grad der Giftigkeit sind schwierig
Hormonaktive Substanzen sind in ihrem Grad der Giftigkeit, also der Toxizität, nur begrenzt vergleichbar mit anderen für Mensch und Tier schädlichen Chemikalien. Untersuchungen zu ihrer Toxizität sind deshalb schwierig und zeitraubend.
Verschiedene Eigenschaften von hormonaktiven Stoffen erschweren Studien zur tatsächlichen Giftigkeit. So können die Substanzen bereits in Mengen wirken, die weit unterhalb der Schwelle konventioneller Toxizität liegen. Die Forscher sprechen hier von so genannten Tarnkappenchemikalien.
Weiter sind Menschen und Tiere nicht in allen Altersstufen gleich anfällig auf hormonaktive Stoffe. Besonders gefährdet sind ungeborene und neugeborene Kinder, weil die Substanzen die Entwicklung beeinflussen. Der Organismus reagiert später weniger sensitiv auf solche Stoffe.
Ganz unterschiedliche Stoffe können auf den gleichen Rezeptor im Körper einwirken. Dies kann die Wirkung grösser werden lassen, als es aufgrund der Summe der Stoffe zu erwarten wäre.
26.06.2008