Pflanzen-Schmerzmittel bei rheumatischen und neuralgischen Beschwerden
Anstelle (oder zusätzlich) von nichtsteroidalen Antirheumatika kommen verschiedene schmerzstillende, entzündungshemmende und abschwellende Pflanzenextrakte als Bäder, Umschläge oder auch zum Schlucken als Schmerzmittel in Frage. Hauptindikation: Rheumatische oder neuralgische (Nerven-) Beschwerden.
Bei leichten Beschwerden werden sie als Monotherapie (Einzeltherapie) eingesetzt, bei stärkeren Beschwerden können die pflanzlichen Wirkstoffe helfen, die Dosis der nichtsteroidalen Antirheumatika zu reduzieren. Die Wirkung einiger pflanzlicher Arzneimittel (Phytotherapeutika) wurde durch Studien belegt, bei anderen existieren nur Erfahrungsberichte.
Im Folgenden eine Zusammenfassung des für Ärzte geschriebenen Artikels im Fachblatt ArsMedici.
Wirkmechanismen
Die wichtigsten Wirkprinzipien:
- Irritativ wirksame Phytotherapeutika (Irritanzien)
- Phytotherapeutika mit ätherischen Ölen sowie andere Phytotherapeutika zur äusserlichen Anwendung
- Innerlichen Anwendungen durch Phytotherapeutika (sogenannte Interna)
Irritanzien – schmerzlindernder Effekt nach Reizung und Entzündung
Hier werden in erster Linie Cayennepfeffer-Früchte (Capsici fructus acer) oder weisse Senfsamen (Sinapis albae semen) genannt. Diese werden äusserlich angwendet (Bäder, Umschläge) und rufen zunächst eine Entzündungsreaktion hervor.
Das äussert sich in einem lokalen Ausschlag, verstärktem Schmerz- oder Wärmegefühl. Danach erst kommt die schmerzlindernde und abschwellende Wirkung zum Tragen. Danach kann eine Phase der Unempfindlichkeit eintreten. Senfsamen haben eine stark durchblutungsfördernde Wirkung.
Wann werden Cayennepfeffer-Früchte oder Senfsamen angewendet?
- Cayennepfefferfrüchte: Bei schmerzhafter Muskelverspannung in Armen, Schultern und im Wirbelsäulebereich bei Erwachsen und Schulkindern
- Senfsamen: Bei chronisch-degenerativen Gelenkerkrankungen (z.B. Arthrose) sowie bei Weichteilrheumatismus
Anwendung von Cayennepfeffer-Früchten
Halbfeste oder flüssige Früchte (z.B. als Fertigarzneimittel aus der Apotheke) werden auf der Haut und über die schmerzenden Gelenke verrieben.
Anwendung von Senfsamen
- Umschlag: Senfsamenmehl (4EL) für Senfbreiumschläge: Im Wasser verrührt auf die Haut auftragen; ca. 10 bis 15 Minuten belassen (Kinder 5-10 Minuten). Wenn sich die Haut rötet, Umschlag wegnehmen; nur 14 täglich anwenden!
- Senfmehlbad: Ca. 150 Gramm in möglichst warmem Badewasser (35-40°) einrühren (ca. 8-10 Minuten). Achtung: Bei Bluthochdruck und Fieber keine heissen Bäder!
- Senfmehlfussbad. Ca. 20-30 Gramm in möglichst warmes Fussbadewasser (35-40°) einrühren.
Wichtig: Nach der Anwendung (Umschlag, Bad) sofort mit warmem Wasser das Senfmehl gründlich abspülen. Bäder können täglich, aber nicht länger als 14 Tage gemacht werden.
Nebenwirkungen
Diese Irritanzien dürfen nicht angewendet werden bei:
- Geschädigter Haut
- Offenen Wunden und Verletzungen
- Auf Schleimhäuten
- Bei Überempfindlichkeit auf einen der Wirkstoffe
- Bei Kindern unter 6 Jahren
Nebenwirkungen
In seltenen Fällen oder bei langer Anwendung sowie bei Kontakt mit Schleimhäuten kann es zu Nebenwirkungen (Schädigung der Haut und Nerven) kommen. Cayennepfefferzubereitungen: Schon geringste Mengen reizen die Schleimhäute sehr stark (Brennen, Schmerzen).
Wichtig: Bei erstmaliger Anwendung nur niedrige Dosen verwenden und Reaktion der Haut abwarten.
Studienergebnisse
Zur Zeit gibt es ca. 10 Studien, welche im Plazebovergleich bei der Verwendung von Cayennepfefferfrüchten gute Resultate belegen; und zwar bei:
- Neuralgien nach Operationen
- Polyneuropathien (Nervenschädigungen) bei Diabetes
- Rheumatischen Erkrankungen
Bei Anwendungen von Cayennepfefferzubereitungen zwischen 2 und 9 Wochen zeigte sich eine starke Schmerzlinderung. Für Anwendungen mit Senfmehl existieren nur Erfahrungsberichte.
Extern anwendbare Pflanzentherapeutika
Einige ätherisch-ölige Phytotherapeutika wirken indirekt schmerzlindernd. Andere Pflanzenöle hingegen wirken durchblutungsfördernd oder auch immunmodulierend (Dämpfung des Immunsystems)
Folgende Wirkstoffe werden verwendet:
- Pfefferminzöl (Menthae piperitae aetheroleum)
- Kiefernadelöl (Pini aetheroleum)
- Eukalyptusöl (Eucalypti aetheroleum)
- Rosmarinöl (Rosmarini aetheroleum)
- Beinwellwurzel
- Johannisöl
Wirkungsweise
- Pfefferminzöl: Aktiviert die körpereigenen Kälterezeptoren und wirk so indirekt schmerzlindernd.
- Kiefernadelöl, Eukalyptusöl und Rosmarinöl wirken durchblutungsfördernd.
- Beinwellwurzel: Abschwellend, das Komplementsystem hemmend
- Johannisöl: Abschwellend, immunmodulierend (dämpfen das Immunsystem)
Wann werden diese Pflanzentherapeutika angewendet?
- Pfefferminzöl: Leichte Spannungskopfschmerzen, Muskelschmerzen
- Kiefernadelöl: Chronisch-rheumatische und neuralgische Beschwerden
- Eukalyptusöl und Rosmarinöl: Rheumatische Beschwerden
- Beinwellwurzel: Stumpfe Verletzungen, Arthrose, Ellbogen-, Sehnenscheiden- oder Gelenkentzündungen – nicht bei offener oder irritierter Haut anwenden.
- Johanniskrautöl: Stumpfe Verletzungen, Wunden, Verbrennungen
Verwendungsarten
- Pfefferminzöl: Bei leichten Spannungskopfschmerzen leicht auf Stirn und Schläfe einreiben. Bei rheumatischen oder neuralgischen Beschwerden direkt auf die betroffene Region einreiben.
- Kiefernadelöl: Wenige Tropfen auf die Hand geben und die betroffenen Regionen einreiben oder ins Badewasser geben (10 bis 20 Minuten bei 35-38°).
- Eukalyptusöl: Auf die betroffene Region einreiben.
- Rosmarinöl: Als Badezusatz (50 g auf 1 Liter Wasser, Voll- oder Sitzbad oder in flüssiger oder halbflüssiger Form schmerzstillende Einreibungen (2-3 Mal täglich).
- Beinwellwurzel und Johannisöl: Nur äusserlich anwenden (auftragen, auf Umschlag).
Wann sollten diese Wirkstoffe nicht angewendet werden?
- Bei gereizter oder verletzter Haut
- Pfefferminzöl: Bei Spannungskopfschmerzen bei Personen unter 18 Jahren
- Behandlungen von Muskelschmerzen bei Kindern unter 4 Jahren
- Kiefernadelöl: Nicht anwenden bei Asthma, Keuchhusten sowie bei einer Überempfindlichkeit auf Terpentinöl
- Eukalyptusöl: Bei Kindern und Säuglingen nicht im Bereich des Gesichtes anwenden
Unerwünschte Nebenwirkungen
Hautausschläge, Ekzeme, Augenreizung, Reizung der Nasenschleimhaut oder Kontaktallergien werden beschrieben – wie häufig ist nicht bekannt.
Studiensituation
Die Wirkung von Pfefferminzöl bei Spannungskopfschmerzen wurde belegt; bei Kiefernadelöl, Eukalyptusöl und Rosmarinöl gibt es lediglich Erfahrungsberichte.
Gut belegt sind ausserdem Anwendungen von Beinwellwurzeln bei Knöchelprellungen, Ellbogen-, Sehnenscheiden- oder Gelenkentzündungen. Die Wirkung von Johanniskrautöl ist eher schwach belegt.
Intern angewendete Pflanzentherapeutika (Internas)
Wichtig: Bei interner Anwendung von Pflanzentherapeutika ist der Rat des Arztes oder Apothekers einzuholen – auch wegen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten.
Wir gehen hier nicht detailliert, sondern nur kurz auf die wichtigsten Wirkstoffe ein:
- Weidenrinde
- Teufelskrallenwurzel
- Brennnesselkraut
- Zitterpappelblätter und –rinde
- Eschenrinde
- Goldrutenkraut
Wirkung
Die schmerzlindernden und abschwellenden Effekte aller genannten Extrakte entsprechen denen niedrig dosierter nichtsteroidaler Antirheumatika.
Weidenrinde, Eschenrinde sowie Zitterpappel wirken ausserdem fiebersenkend und entzündungshemmend.
Andere Stoffgruppen wie Polyphenole haben ebenfalls eine grosse Wirkung: Sie kommen unter anderem im Brennesselkrautextrakt vor und schützen Knorpel und Bindegewebe. Die Teufelskralle enthält unter anderen entzündungshemmende Stoffe.
Für die folgenden Anwendungsgebiete ist die Wirkung gut belegt; schwere Nebenwirkungen gab es keine.
Anwendungsgebiet
Häufig werden diese Extrakte in Kombinationen angewendet, wir können demnach hier nur auf einzelne Beschwerdebilder eingehen:
- Weidenrinde: Bei Lendenwirbelsäulenbeschwerden (LWS-Syndrom)oder leichten Gelenkschmerzen
- Kombinierte Präparate wie das Fertigarzneimittel Phytodolor®: Akute rheumatische Erkrankungen (Lenden, Ischias, Neuralgien)
- Brennesselkraut und Teufelskrallenwurzel: Bei leichten Gelenkschmerzen
Wann dürfen diese internen Phytotherapeutika nicht angewendet werden?
- Weidenrinde: Bei Überempfindlichkeit gegenüber dem Stoff sowie gegenüber Salizylaten (Aspirin®) oder anderen nichtsteroidalen Anirheumatika (z.B. bei Ödemen, Bronchospasmus, chronischem Ekzem auf Salizylate oder nichtsteroidale Anirheumatika). Auf keinen Fall bei Magengeschwür sowie im letzten Drittel der Schwangerschaft. Personen unter 18 Jahren dürfen den Extrakt nur unter ärztlicher Aufsicht einnehmen.
Nebenwirkungen
- Weidenrindenextrakt: Allergische Reaktionen wie Ausschlag, Juckreiz, Ekzem, Asthma, akut auftretende Hautausschläge, Magen-Darm-Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Diarrhö, Verdauungsstörungen, Magenbrennen) sind bekannte Nebenwirkungen.
- Phytodolor®: Magen-Darm-Beschwerden und Überempfindlichkeiten
- Brennesselkraut, Teufelskralle: Allergisch Reaktionen, Magen-Darm-Beschwerden; Teufelskralle kann auch Kopfschmerzen und Benommenheitsgefühl auslösen.
Zusammenfassung
Intern wirksame pflanzliche Schmerzmittel und abschwellende Wirkstoffe können vor allem bei leichteren chronischen Schmerzen und Entzündungen eine sinnvolle Alternative zu nichtsteroidalen Antirheumatika sein.
Lokal wirksame Phytotherapeutika sind bei akuten und chronischen Beschwerden sinnvoll; eine langfristige Anwendung ist jedoch meist nicht zulässig.
24.08.2010