Psychoonkologische Versorgung : Grosses Stadt-Land-Gefälle
Rund 200 Fachpersonen, die im Bereich der Onkologie arbeiten, tagen heute und morgen in St. Gallen. Anlässlich ihres 10-jährigen Bestehens hat die Schweizerische Gesellschaft für Psychoonkologie SGPO zur «Schweizer Fachtagung Psychoonkologie» eingeladen. Ein zentrales Ziel der Tagung ist es aufzuzeigen, dass landesweit Lücken in der psychoonkologischen Begleitung und Betreuung von Krebsbetroffenen geschlossen werden müssen.
Die Lebensqualität vieler Krebspatienten und ihrer Angehörigen ist eingeschränkt. Als Folge der Erkrankung und der Behandlung leiden rund ein Drittel der Betroffenen unter psychischen Belastungen wie Angststörungen oder Depressionen. Psychoonkologische Beraterinnen und Therapeuten stellen die emotionalen und sozialen Faktoren, die eine Tumorerkrankung begleiten und die Lebensqualität Betroffener entscheidend beeinflussen, ins Zentrum ihrer Tätigkeit.
Sie arbeiten im direkten Kontakt mit den Krebsbetroffenen, unterstützen aber auch behandelnde Ärzte und Pflegende in belastenden Gesprächssituationen mit Patienten und Angehörigen. Ein wichtiger Fokus angesichts der 37 000 Menschen, die in der Schweiz jährlich neu an Krebs erkranken, und der wachsenden Zahl an Langzeitüberlebenden, die mit Krebs als einer chronischen Krankheit leben.
30 Jahre Psychoonkologie in der Schweiz, zehn Jahre Schweizerische Gesellschaft für Psychoonkologie: Die SGPO nimmt diese Jubiläen zum Anlass, um im Rahmen einer zweitägigen nationalen Fachtagung in St. Gallen künftige Herausforderungen für die Entwicklung einer qualitativ hochwertigen Psychoonkologie in der Schweiz zu benennen.
Schweizweites Angebot und Finanzierung sicherstellen
"Es gibt noch Einiges anzupacken", betonte Dr. Brigitta Wössmer, Präsidentin der SGPO, heute anlässlich der Tagungseröffnung. So kann derzeit eine angemessene psychoonkologische Versorgung von Patienten und Angehörigen nicht gewährleistet werden. Nach wie vor bestehen erhebliche stationäre und ambulante Angebotsunterschiede zwischen den städtischen und den weniger gut versorgten, ländlichen Gebieten. "Von einer flächendeckenden psychoonkologischen Betreuung von Krebsbetroffenen und ihren Angehörigen sind wir in der Schweiz noch weit entfernt", hielt Brigitta Wössmer fest. Insbesondere Unterstützungsprogramme für Kinder von an Krebs erkrankten Familienmitgliedern müssten gefördert werden.
Obgleich die Bedeutung der psychoonkologischen Betreuung steigt, ist bis heute die Finanzierung von stationären und ambulanten psychoonkologischen Angeboten nicht geregelt. Psychoonkologische Leistungen können beispielsweise nicht über das Swiss-DRG-Fallpauschalensystem abgegolten werden. "Psychoonkologische Angebote müssen fixer Bestandteil der Grundversorgung von Krebspatienten sein. Dazu bedarf es einer nationalen Regelung", unterstrich Brigitta Wössmer und verwies auf das Nationale Krebsprogramm 2011-2015, welches den Handlungsbedarf in diesem Bereich ausdrücklich formuliert.
Psychoonkologie ist unabdingbar für professionelle Patientenbetreuung
Einen Blick auf die Qualitätssicherung der psychoonkologischen Angebote warf Brigitte Baschung, stellvertretende Geschäftsführerin und Leiterin des Bereichs Beratung & Unterstützung der Krebsliga Schweiz. Es gelte, einheitliche Qualitätskriterien für psychoonkologische Therapeuten und Beraterinnen zu entwickeln und Standards für die psychosoziale Versorgung von Krebskranken und ihren Angehörigen in der Schweiz zu erarbeiten. Nationale Richtlinien werden derzeit gemeinsam von SGPO und Krebsliga Schweiz sowie einem Netzwerk von Expertinnen und Experten erarbeitet.
In der Schweiz ist die Psychoonkologie ein noch junges Fachgebiet, welches sich laufend weiterentwickelt. Gleichwohl ist sie schon heute aus der modernen Tumortherapie nicht mehr wegzudenken. In St. Gallen unterstrich Prof. Dr. Thomas Cerny, Chefarzt Onkologie/Hämalogie des Kantonsspitals St. Gallen, denn auch die grosse Bedeutung der Psychoonkologie für die onkologische Praxis. So habe sie unter anderem dazu beigetragen, die Kommunikationskultur zwischen Krebsbetroffenen einerseits und Ärztinnen, Ärzten und Pflegenden andererseits zu verbessern und zu professionalisieren.
"Die Psychoonkologie hat enorm geholfen, eine geeignete Sprache für das bisher Unaussprechliche zu entwickeln", betonte der Experte. "Es liegt im Interesse der gesamten Gesellschaft, diesen unverzichtbaren Bereich der Betreuung von Krebsbetroffenen und ihren Familien flächendeckend und in hoher Qualität anzubieten. Dazu gehört es auch, die Ausbildung der Betreuenden weiterzuentwickeln."
06.06.2013