Rätsel um Gelenkrheuma während der Schwangerschaft gelöst
Die Krankheitsaktivität der chronischen Polyarthritis nimmt während der Schwangerschaft ab, weil die Immunabwehr zum Schutz des ungeborenen Kindes herabgesetzt wird. Dies haben Rheumatologen aus Bern in Zusammenarbeit mit Fachexperten aus Berlin herausgefunden.
Sie trifft auch junge Menschen. Die Entzündung beginnt in der Innenhaut von Hand-, Knie-, Schulter- oder Hüftgelenken und zerstört mit der Zeit gesundes Knorpel- und Knochen-Gewebe. Ausgelöst wird die Krankheit durch eine Fehlfunktion der körpereigenen Immunabwehr: Der Körper wehrt sich gegen einen nicht vorhandenen Krankheits-Erreger und zerstört dabei gesunde eigene Zellen.
Seit einiger Zeit ist bekannt, dass das Gelenkrheuma bei Frauen während der Schwangerschaft nachlässt. Prof. Peter Villiger vom Inselspital, Universitätsspital Bern und Dr. Thomas Häuptl von der Charité – Universitätsmedizin Berlin wollten wissen, was dahintersteckt – in der Hoffnung, damit einem möglichen Heilungsverfahren auf die Spur zu kommen. Ihre vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützte Studie wurde soeben in der Fachzeitschrift "Arthritis and Rheumatism" veröffentlicht.
Fress- und Killerzellen untersucht
Die beiden Rheumatologen und ihre Forschungs-Teams untersuchten die Aktivität von Immunabwehr-Zellen im Blut von gesunden und kranken Frauen während Schwangerschaft und Entbindung sowie 24 Wochen danach. Je mehr dieser Zellen auftreten, desto stärker ist die Entzündung.
Während der Schwangerschaft waren keine wesentlichen Unterschiede zwischen Gesunden und Erkrankten zu verzeichnen: Beide Gruppen hatten einen erhöhten Spiegel von Monozyten, den so genannten Fresszellen.
Diese gehören der angeborenen Immunabwehr an, die Bakterien und Viren anhand typischer Strukturmerkmale erkennt. Der Anteil von Lymphozyten hingegen war in beiden Gruppen relativ niedrig. Diese Zellen sind Teil der spezifischen Immunabwehr. Sie erlernen, körperfremde Antigene mit grösserer Effizienz als das angeborene Immunsystem zu zerstören.
Nach der Entbindung nahm bei den gesunden Frauen der Anteil an Monozyten wieder ab, während er bei den erkrankten Frauen erhöht blieb und diese Zellen eine verstärkte Aktivität entwickelten. Gleichzeitig nahm bei beiden Gruppen die spezifische Immunabwehr wieder zu.
Immun-Unterdrückung schützt Ungeborenes
Für den Berliner Forschungsleiter Thomas Häuptl ist der Befund eindeutig: "Es ist eine wichtige Tatsache, dass bei schwangeren Frauen die spezifische Immunabwehr unterdrückt wird, damit Abstossungsmechanismen gegen das ungeborenen Kind vermieden werden."
Was das für die Therapie bedeuten könnte, formuliert Prof. Peter Villiger, Direktor und Chefarzt der Universitätsklinik für Rheumatologie und klinische Immunologie am Inselspital Bern, so: "Wir hoffen, dass es uns gelingt, die Schwangerschafts-Mechanismen in der Immunabwehr künstlich in Gang zu setzen und die rheumatoide Arthritis damit zu bekämpfen."
13.11.2008