Schlafstörungen: Empfehlungen zum Management und Therapie
Die British Association for Psychopharmacology hat zusammen mit Schlafmedizinern Empfehlungen zu Diagnose und Therapie von Schlafstörungen sowohl bei älteren Menschen wie auch bei Kindern ausgearbeitet.
Definitionen und Fakten zu Schlaflosigkeit (Insomnie)
- 30-40% der Erwachsenen leiden unter Schlafstörungen
- Frauen sind 1.5 Mal häufiger als Männer betroffen
- Ältere Menschen: Mit zunehmendem Alter nimmt das Schlafhormon Melatonin ab
- Definition von Insomnie: Verzögertes Einschlafen, verfrühtes Aufwachen, qualitativ und quantitativ nicht erholsamer Schlaf
- Tagesmüdigkeit schränkt die Lebensqualität am Arbeitsplatz sowie im sozialen Leben ein
- Schlaflabor: Die Schlafmenge kann zwar gemessen werden, die Schlafqualität jedoch ist nicht messbar
Diagnose: Wie stellt der Arzt eine zu behandelnde Schlafstörung fest?
Meist kann der Arzt aufgrund der Beschwerden und der Angaben des Patienten eine Insomnie feststellen. Auf die Sprünge helfen kann ein Schlaftagebuch.
In folgenden Fällen kann eine Untersuchung in einem Schlaflabor/einer Schlafklinik notwendig sein:
- Verdacht auf zirkadiane Schlafstörung, bei der der Körper seinen ureigensten Schlafrhythmus, unabhängig von äusseren Einflüssen, weitgehend verloren hat (die innere Uhr stimmt nicht mehr).
- Bei Parasomnie, bei der der Schlafprozess unterbrochen wird. Dies kann verschiedene Ursachen haben, zum Beispiel Schlafwandeln, Zuckungen, lautes Stöhnen, Essstörungen, Halluzinationen etc.
- Therapieresistente Schlafstörungen
Empfehlungen zur Therapie
Wichtig: Länger dauernde Schlafstörungen sollten behandelt werden. Es besteht das Risiko, dass sich andere Störungen wie Angst, Depressionen oder Herz-Kreislaufbeschwerden entwickeln.
Ziel der Behandlung: Verringerung des „Schlafstresses“ sowie Verbesserung der Lebensqualität tagsüber.
Behandlungsmöglichkeiten
Bei chronischer Insomnie haben sich verhaltenstherapeutische Massnahmen bestens bewährt. Möglichkeiten sind: Bewusste Einschränkung der Schlafzeit (Restriktion oder Schlafdiät) sowie Aufzeichnung der Stimuli (Nikotin, Alkohol etc.)
Medikamente
Die Einnahmedauer einer chemischen Schlafhilfe solle auf 3-6 Monate beschränkt sein. Wichtig sind die vorabgehende Abklärung bezüglich Suchtverhalten sowie das bewusste Beenden (Ausschleichen) des Wirkstoffes.
Antidepressiva: sollten nur bei gleichzeitigen Stimmungsstörungen verordnet werden. Achtung: Gefahr von Überdosierung bei trizyklischen Andidepressiva. Neuroleptika werden wegen der Nebenwirkungen nicht empfohlen.
Behandlung von Kindern, Frauen in den Wechseljahren, Lernstörungen sowie von zirkadianen Schlafstörungen:
- In den Wechseljahren kann eine Hormonersatztherapie Schlafstörungen lindern. Wichtig für diese Entscheidung ist das genaue Abwägen von Nutzen und Risiken.
- Kinder mit Schlafstörungen: Kinder sprechen gut auf Verhaltenstherapie an. Bei Kindern mit ADHS kann eventuell Melatonin von Nutzen sein. Achtung: Darf nicht bei gleichzeitiger stimulierender Behandlung genommen werden.
- Lernstörungen können sowohl Kinder als auch Erwachsene betreffen: Hier müssen vor allem die Ursachen, respektive die verschlimmernden Faktoren ermittelt werden. Gute Ergebnisse sind belegt durch Verhaltenstherapie, Erziehungs- sowie Umgebungsinterventionen. Melatonin kann den Schlaf verbessern.
- Behandlung der inneren Uhr (zirkadiane Schlafstörungen): Bei verzögerten Schlafphasen sowie Schlafen ohne eigenen Rhythmus und bei Jetlag haben sich folgende Behandlungsmöglichkeiten bewährt: Melatonin, Verhaltenstherapie, Lichtexposition zum Wachhalten.
Wirkungsart und Risiken von Schlafmedikamenten
Schlafmittel können die Einschlafzeit verkürzen oder die Schlafdauer verlängern. Sie sind aber nicht zur Verbesserung der Schlafqualität oder zur Leistungsverbesserung bei Tagesmüdigkeit zugelassen und ein Nutzen hierfür ist nicht belegt.
Hypnotika: Sie korrigieren die gestörte Einschlaf- und Durchschlafdauer. Sie verändern zudem die Schlafzyklen. Tiefschlaf- und REM-Phasen können durch Hypnotika verkürzt sein.
Risiken: Gestörte Tageswachheit, Vergesslichkeit, Sturz- und Unfallgefahr, zunehmende Abhängigkeit, Rückfallrisiko nach Absetzen des Medikaments.
Melatonin: Körpereigenes Hormon, welches vorwiegend in der Nacht in der Zirbeldrüse gebildet wird und als Schlafregulator und als Signal für Dunkelheit fungiert. Jetlag, Schlafstörungen, Tagesmüdigkeit sowie nächtliche Schichtarbeiten können diese Produktion empfindlich stören. Im Alter geht die körpereigene Produktion von Melatonin zurück.
Risiken: Melatonin wirkt nicht lange und wird sehr schnell ausgeschieden. In der Schweiz ist erst ein Präparat in Tablettenform erhältlich.
Der Artikel wurde für Ärzte geschrieben und erschien im Fachblatt Gynäkologie des Rosenfluhverlages.
05.01.2011