Schlafwandler spüren keinen unmittelbaren Verletzungsschmerz
Schlafwandeln hat etwas Mystisches an sich und der sogenannte Somnambulismus gibt auch Wissenschaftlern immer noch Rätsel auf. Eine neue Studie im Fachblatt Sleep zeigt nun, dass Schlafwandler, die sich während des ''Wandelns'' Verletzungen zuziehen, teilweise keinen Schmerz verspüren.
Obwohl Betroffene scheinbar schlafen, steigen sie aus dem Bett und verrichten teilweise Dinge, die sie auch nichtschlafend ausführen würden: So können sie z.B. kochen, Auto fahren, Spazierengehen, Gegenstände werfen und Unterhaltungen führen, schimpfen oder auch fluchen. Am Morgen können sich Schlafwandler aber überhaupt nicht an irgendeine Tätigkeit oder an das Wandeln erinnern.
Kann das Hirn einer Person während des Schlafwandelns untersucht werden, dann zeigen sich dieselben Muster wie im Tiefschlaf. Im Unterschied zum normalen Schlafen sind aber Hirnbereiche, die für Bewegung und Muskelspannung zuständig sind, aktiv. Die braucht es, um aktiv zu laufen oder um Handlungen auszuführen. Manchmal sitzen Schlafwandler auch nur kurz auf oder reden mit dem Partner. Sie können sich am anderen Morgen aber nicht daran erinnern.
Die Ursachen von Schlafwandeln sind nicht geklärt. Eine familiäre Belastung scheint gesichtert zu sein. Diskutiert werden ausserdem Stress, Belastungen, Medikamente, Fieber, Alkoholkonsum.
In einer neuen Studie wurden 100 Personen in Montpellier (F) untersucht. Die Testpersonen gaben an, regelmässig schlafzuwandeln. Fast die Hälfte hatte sich dabei schon einmal verletzt, aber nur 10 davon gaben an, dass sie unmittelbar aufgrund von Verletzungsschmerzen aufgewacht sind. Die anderen berichteten, erst später in der Nacht oder am Morgen aufgrund der Schmerzen aufgewacht zu sein. Dabei handelte es sich nicht nur um kleine Prellungen: Eine Person war aus dem 3. Stockwerk gefallen und hatte sich starke Verletzungen zugezogen, dennoch war sie nicht unmittelbar davon aufgewacht.
Woher die Schmerzfreiheit während des Schlafwandelns herrührt, ist nicht klar. Vermutet wird eine Trennung zwischen dem Wachzustand und dem Bewusstsein, das auch das Schmerzempfinden beinhaltet.
Weiter fanden die Forscher, dass Schlafwandler dafür tagsüber öfter unter Schmerzen leiden als Nichtschlafwandler, etwa viermal häufiger unter Kopfschmerzen und zehnmal häufiger unter Migräne – tagsüber, wohlverstanden.
Verglichen mit schmerzfreien Schlafwandlern waren Schlafwandler mit chronischen Schmerzen eher älter und litten stärker unter Tagesschläfrigkeit, Schlafstörungen und depressiven Symptomen. Aber in polysomnographischen* Untersuchungen fanden die Forscher keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen.
*Zu den polysomnographischen Untersuchungen zählen: Elektroenzephalogramm (Messung der Hirnströme), Langzeit-EKG, Elektromyogramm (Messung der Muskelaktivität), Messung der Augenbewegungen, Sauerstoffsättigung, Atemflussmessungen und andere Messungen.
29.12.2015