Sind Alzheimer und Parkinson ansteckend?
Diese Frage, aufgeworfen von Deutschen Neuropathologen, kann Angst, aber auch Hoffnung machen. Angst deshalb, weil man befürchten müsste, sich bei der Pflege von Alzheimerpatienten anzustecken. Hoffnung deshalb, weil dies eine neue Dimension in der Behandlung der beiden Krankheiten bedeuten würde, wie die Deutsche Gesellschaft für Neuropathologie schreibt.
Eine wichtige Aufgabe für die moderne Medizin ist die Translation, also die Umsetzung von neuen Erkenntnissen aus der Forschung in eine bessere medizinische Versorgung der Patienten. Hierbei spielt die Neuropathologie als Bindeglied zwischen der Arbeit im Labor und der direkten ärztlichen Krankenversorgung eine zentrale Rolle.
Zwei aktuelle Beispiele, die in dieser Woche auf dem Kongress Neurowoche 2014 in München intensiv diskutiert werden, sind die massgeschneiderte Therapie von Hirntumoren sowie die Frage nach der Entstehung, Diagnose und Therapie der Alzheimer-Demenz und der Parkinson-Erkrankung.
„Die Neuropathologie arbeitet zum Beispiel an der Frage, ob die Alzheimer-Demenz und die Parkinson-Erkrankung sich wie Prion-Erkrankungen über eine Kettenreaktion im Gehirn ausbreiten und sich damit ähnlich wie eine Infektionskrankheit verhalten können“, berichtet Professor Dr. Armin Giese heute auf der Neurowoche, in deren Rahmen die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neuropathologie und Neuroanatomie (DGNN) stattfindet.
„Es gibt derzeit keinen Hinweis, dass man sich mit Alzheimer oder Parkinson beim sozialen Kontakt oder bei der Pflege von Patienten anstecken kann. Mögliche Übertragungswege z.B. durch Operationen und Bluttransfusionen sind aber ein derzeit ungeklärtes Risiko – in Tierexperimenten konnten solche Mechanismen gezeigt werden“, so Professor Giese weiter. Die Forschung zeige aber nicht nur neue Risiken, sondern auch neue Chancen. Das bessere Verständnis der molekularen Krankheitsprozesse eröffnet Möglichkeiten für eine bessere Früherkennung und Therapie.
Ähnlich einer Infektion? Ausbreitung von Alzheimer-Demenz und Parkinson-Krankheit
Wie vielfältig der Fortschritt in der molekularen Erforschung für die klinische Medizin von Bedeutung ist, ist am Beispiel der neurodegenerativen Krankheiten Alzheimer und Parkinson zu sehen. Die neuropathologische Untersuchung des Gehirns von betroffenen Patienten zeigt, dass alle häufigen neurodegenerativen Krankheiten durch die Ablagerung von aggregierten (verklumpten) Eiweissen in den betroffenen Hirnregionen gekennzeichnet sind. Bei Alzheimer sind dies z.B. das A-Beta und das Tau-Protein, bei Parkinson das Protein Alpha-Synuclein.
Die aktuelle Forschung zeigt, dass diese Ablagerungen nicht nur Folge der Erkrankung, sondern ganz zentral für die Krankheitsentwicklung sind. Zum einen können solche Proteinaggregate die Nervenzellen direkt schädigen und die entsprechenden Funktionsverluste wie Gedächtnis- oder Bewegungsstörungen auslösen, zum anderen zeigen molekulare Untersuchungen, dass diese Aggregate auch für die Krankheitsausbreitung im Gehirn von entscheidender Bedeutung sind.
Wie bei der Creutzfeldt-Jakub-Krankheit schon länger erkannt, können fehlgefaltete und aggregierte Eiweisse diese Fehlfaltung und Aggregation mittels eines Domino-Effekts auf gesunde Eiweisse übertragen. Eine wesentliche Erkenntnis ist, dass sich auch Alzheimer, Parkinson und einige andere verwandte neurodegenerative Krankheiten Prion-artig im Gehirn ausbreiten können.
Eine Frage der Sicherheit: Sind Alzheimer und Parkinson übertragbar?
Die Erkenntnis der Prion-Ähnlichkeit ist durchaus zweischneidig: Zum einen stellt sich die Sicherheitsfrage, ob auch diese Krankheiten z.B. durch neurochirurgische Instrumente oder Blutspenden übertragbar sein könnten – eine wichtige, aber schwer zu beantwortende Frage, die auch im Rahmen der Neurowoche von den Experten diskutiert wird (siehe Veranstaltungshinweis unten). Zum anderen ergeben sich aber auch ganz konkrete Chancen.
Ergebnisse im Reagenzglas, in Zellkultur und im Tierversuch zeigen, dass es vielversprechende neue Wirkstoffe gibt, die die pathologische Proteinaggregation stoppen können. Diese Wirkstoffe lassen eine kausale Therapie dieser bisher unheilbar fortschreitenden Krankheiten möglich erscheinen. Zudem zeigen neueste Studien, dass man die Prion-artige Vermehrung dieser fehlgefalteten Eiweisse auch nutzen kann, um diese im Reagenzglas zu vervielfältigen und damit einen wesentlich empfindlicheren Nachweis z.B. im Liquor oder Blut zu ermöglichen. Das eröffnet für die Zukunft die Chance, diese Krankheiten früher zu erkennen – bevor grössere Schäden im Gehirn entstanden sind – und damit wesentlich erfolgreicher zu behandeln
Tumormarker für die optimale Therapie
Die moderne neuropathologische Diagnostik bei Hirntumoren umfasst nicht nur die detaillierte mikroskopische Untersuchung der entnommenen Gewebeproben, sondern zunehmend auch die Analyse molekulargenetischer Biomarker. Diese Daten helfen nicht nur, die genaue Art des Tumors sicher zu bestimmen, sie liefern auch ein besseres Verständnis der Biologie des Tumorgewebes und sind wichtig für die Wahl der optimalen Therapie. Nur so kann jedem Patienten die für ihn und seinen Hirntumor jeweils individuell beste Therapie zukommen. Denn auf Grundlage umfangreicher wissenschaftlicher Daten kann zunehmend genau vorhergesagt werden, welche speziellen Medikamente oder Behandlungsverfahren wirksam sind und welche nicht. Dies trägt auch dazu bei, unwirksame Therapien und deren Nebenwirkungen zu vermeiden.
16.09.2014