Wechselstrom-Behandlungen als Hirnstimulans
Hirnstimulanzien (Medikamente oder Genussmittel) sollten künftig durch Wechselstrombehandlungen ersetzt werden können. Die Experten, die von dahingehenden Tests positiv überrascht wurden, sehen diese Form von Hirnstimulation aber eher in der medizinischen Behandlung als im Alltag, wie die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) schreibt.
Göttinger Hirnforscher untersuchten in einem Test, ob Hirnströme auch mittels Wechselstrom angeregt werden können. Damit könnten solche Strombehandlungen eventuell auch in der Rehabilitation nach Schlaganfall oder auch bei Alzheimer-Patienten eingesetzt werden.
Die Hirnforscher testeten zunächst das Kurzzeitgedächtnis sowie die Reaktionsgeschwindigkeit der Testpersonen ohne Einfluss von Stimulanzien. Die Teilnehmer mussten per Mausklick auf einzelne Buchstaben, die auf einem Monitor jeweils während 350 Millisekunden erschienen, klicken (Reaktion). Anschliessend mussten sie ebenfalls per Mausklick angeben, wo sie zuvor die einzelnen Buchstaben auf dem Monitor gesehen hatten (Kurzzeitgedächtnis). Während des Tests waren die Teilnehmer an ein Hirnstrommessgerät (EEG) angeschlossen, welches die Hirnströme live aufzeichnete.
Es zeigte sich, dass im EEG 200 bis 500 Millisekunden nach dem Test sogenannte phasensynchrone Theta-Wellen auftauchten. Theta-Wellen treten häufiger auf bei Schläfrigkeit und in der leichten Schlafphase. Sie können aber auch auf eine Hirnfunktionsstörung oder eine Hirnverletzung hinweisen. (*Quelle: Wikipedia).
Die Forscher verstärkten mittel Wechselstromstimulation am Hirn genau diese Theta-Wellen, und hofften damit die Reaktionszeit der Probanden zu verkürzen. Die Technik sei absolut harmlos und schmerzfrei, die Teilnehmer hätten gar nichts davon bemerkt. Denn: Es gehe hier weniger um die Stromstärke, als um die Synchronisation mit den entdeckten Wellen im Theta-Bereich.
Resultat: "Die Reaktionszeit konnten wir mit dieser Methode um etwa fünf Prozent verkürzen", so der Studienleiter. Die Experten können nicht erklären, wie diese Wirkung genau zu Stande kommt. Sie vermuten, dass durch die Stromstimulierung die Bildung neuer Kontakte zwischen Nerven im Gehirn gefördert oder ruhende Synapsen aktiviert werden.
Die Forscher sehen diese Art von Hirnstimulans in erster Linie in der therapeutischen Anwendung, zum Beispiel nach einem Schlaganfall, bei Alzheimer, bei Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder bei Schizophrenie-Patienten - und nicht für den Alltag. Sie hoffen, dass mit Hilfe der Stromwellen überlebende Hirnzellen verloren gegangene Aufgaben übernehmen würden. Dadurch könnten sich zum Beispiel nach einem Schlaganfall allenfalls Lähmungen zurückbilden. Bereits heute wird dies an Schlaganfallpatienten mit Hilfe von Gleichstromstimulationen (tDCS) geprüft.
Dass solche Anwendungen jemals die im Alltag üblichen Stimulanzien wie zum Beispiel Koffein oder Nikotin ersetzen können, davon gehen die Experten zurzeit nicht aus.
13.08.2012