Wehvolle Geburt
Wehen heissen nicht umsonst Wehen. Sie tun weh. Und das nicht zu knapp. Trotzdem ist die PDA, die medikamentöse Linderung der Geburtswehen, gerade in der Deutschschweiz bei vielen Müttern und solchen, die es werden wollen, verpönt. Die meisten Frauen wollen eine natürliche Geburt. Doch nicht einmal jede zehnte schafft es.
Veronica Bonilla Gurzeler von «wir eltern» bringt es in harten und deutlichen Worten auf den Punkt: «Weite Teile der (weiblichen) Gesellschaft hierzulande sind der Meinung, dass nur diejenige Frau stolz sein kann auf die Geburt, die ihr Kind aus eigener Kraft und ohne medizinische Eingriffe gebiert. Alle anderen sind Weicheicher, Angsthasen, Versagerinnen, Tussis oder gleich alles zusammen.» Die gleiche Gesellschaft würde aber höchstwahrscheinlich eine Person als masochistisch bis geisteskrank bezeichnen, die beim Richten eines offenen Bruchs oder bei einer Zahnwurzelbehandlung eine lokale Betäubung verweigern würde.
Röstigraben der Geburtsschmerzen
Eine neue Studie aus Deutschland belegt: Nur gerade 8.2% der Schwangeren bringen ihre Kinder gänzlich ohne medizinische Intervention, also ohne hormonelle Einleitung, chemische Schmerzmittel oder operative Hilfe zur Welt. In der Schweiz dürften die Zahlen ähnlich tief sein. Und trotzdem wollen alle eine natürliche Geburt – zumindest bis die Wehen einsetzen. Spätestens dann entscheiden sich in Frankreich und in den USA 60% der Gebärenden für die PDA. In der Westschweiz sind es ähnlich viele.
Aber in der Deutschschweiz sind es gerade mal 30%. Der Respekt vor medizinischen Eingriffen jeglicher Art sei in der Deutschschweiz grösser, weiss eine Geburtshelferin. Und die Vorteile der Spontangeburt seien nicht wegzureden: Die Kinder seien wacher, krabbeln selbst in Richtung Brust und die Mütter seien rascher wieder auf den Beinen. Tatsache ist aber auch, dass eine traumatische Geburt den Start für Mutter und Kind erschwert. Darum soll jede Frau ohne gesellschaftliche Abstrafung selbst entscheiden können, ob sie auf die Hilfsmittel der modernen Medizin verzichten will oder nicht.
29.08.2011