Wenn Sehbehinderung mit Demenz verwechselt wird
Zunehmend mehr Menschen sehen im Alter immer schlechter – das hat Folgen im Alltag. Doch oft werden diese Folgen mit dem Beginn einer Demenz verwechselt! Die neue Studie des Schweizerischen Zentralvereins für das Blindenwesen SZB zeigt die Folgen dieser Verwechslungen eindeutig.
Schon wieder findet die ältere Dame ihren Schlüssel nicht. Auf dem Weg zum Arzt ist sie kürzlich verwirrt stehen geblieben: Wohin jetzt? Und sie hat ihre Nachbarin erst begrüsst, als sie schon vorbei war. Vergesslichkeit? Eine beginnende Demenz? Oder schlicht eine schlechtere Sehfähigkeit?
„Wir hatten schon lange die Vermutung, dass es bei Sehbehinderung und Demenzerkrankung im Alter zu Verwechslungen kommt“, so Stefan Spring, Forschungsbeauftragter des Schweizerischen Zentralvereins für das Blindenwesen SZB. Tatsächlich gehören Schwierigkeiten sich an einem fremden Ort zu orientieren, Gegenstände zu finden und Personen zu erkennen, sowohl zu den Folgen einer beginnenden Demenzerkrankung, wie auch zu jenen einer Sehbehinderung.
Wenn aber die Diagnose vorschnell „Demenz“ lautet, so entsteht die Gefahr gravierender Behandlungsfehler. Konkrete Folge dieser Verwechslung ist eine Falsch- oder Unterversorgung der betroffenen Personen. Da man ihre Verwirrung und Orientierungslosigkeit für eine Demenz hält – „gegen die man eh nichts unternehmen kann“ – werden ihnen angepasste Hilfsmittel und eine auf Sehbehinderung angepasste Umgangsform vorenthalten. Dies zeigt die neueste Untersuchung des SZB eindeutig.
Im Auftrag des SZB raten befragte Expertinnen und Experten, wie Augenärztinnen, Geriater, Hausärzte, Optikerinnen und Berater für Sehbehinderung dringend, sorgfältige Abklärungen vorzunehmen und keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Ärztinnen und Ärzte sind sich zwar bewusst, dass ähnliche Symptome zu derartigen Problemen führen können und neigen dazu, ihre Fachdisziplin im Vordergrund zu sehen. So untersuchen Augenärzte oft nur die Sehleistung und Geriater die Hirnleistungen ihrer Patienten.
Sehprobleme, die auch mit Brillen nicht mehr korrigiert werden können, sind eine Behinderung. Diese tritt bei jeder zehnten Person zwischen 60 und 80 auf, in späteren Jahren sogar bei jeder fünften Person. „Für betroffene Menschen ist es weitaus schwerwiegender, wenn sie mit dem Verdacht auf Demenz konfrontiert werden“, betont Stefan Spring. Gegen ihre Sehbehinderung lässt sich im Bereich der Rehabilitation viel erreichen. Bleibt sie aber unerkannt, kann nichts unternommen werden.
29.04.2014