Wirksamkeit von modernen Antidepressiva wird bei Kindern in Frage gestellt
Eine in der Fachzeitschrift "The Lancet" veröffentlichte Studie zur Wirksamkeit von modernen Antidepressiva bei Kindern und Jugendlichen lässt aufhorchen. Nicht veröffentlichte Studienresultate liessen die Wirkstoffe potenter erscheinen als sie in Wirklichkeit sind.
In der Schweiz sind die meisten SSRIs, mit Ausnahme von Fluvoxamin (Floxyfral®) und Fluoxetin (Fluctine®), nicht offiziell für die Behandlung von Zwangsstörungen und Depressionen bei Kindern und Jugendlichen zugelassen. Damit ist aber die Verwendung im Einzelfall nicht verboten.
Das britische Committee of Safety of Medicine (CMS) hatte im letzten Jahr für mehrere dieser Substanzen festgestellt, dass unter Behandlung mit einem SSRI im Vergleich zu Placebo (Scheinmedikament) eine erhöhte Rate von Selbstverletzungen und suizidalen Gedanken bei Kindern und Jugendlichen mit schweren bis mittelschweren depressiven Episoden aufgetreten sind. Nur ein Wirkstoff, Fluoxetin (Fluctine® und weitere Markenpräparate), wurde bezüglich Nutzen und Risiko positiv bewertet.
Diese kritische Stellungnahme wird von zahlreichen Experten nicht geteilt.
Eine in der Fachzeitschrift "The Lancet" publizierte Studie untersuchte nun Wirksamkeit und Nebenwirkungen verschiedener SSRI’s bei Kindern und Jugendlichen mit schweren bis mittelschweren Depressionen (Major Depression) in veröffentlichten Studien und in unveröffentlichten Studien. Dabei werteten die Forscher die Resultate nur veröffentlichter Studien alleine oder zusammen mit Resultaten aus unveröffentlichten Studien aus.
Sie kamen zu folgendem Schluss: Ausgehend von nur veröffentlichten Studien ergab sich für die meisten SSRI’s ein günstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis, werden Resultate von nicht veröffentlichten Studien dazugenommen, überwiegen bei allen untersuchten Wirkstoffen, mit Ausnahme von Fluoxetin, die Risiken über den Nutzen einer Behandlung.
Mit dieser Studie konnte gezeigt werden, dass durch Weglassen von Studienresultaten nicht veröffentlichter Studien das Nutzen-Risiko-Profil der Substanzen positiver ausfiel, als es in Wirklichkeit war.
Forscher kritisieren diese gängige, wenn auch höchst umstrittene Praxis in der medizinischen Forschung. Pharmafirmen publizieren nur jene Medikamentenstudien, die eine deutliche Wirkung zeigen. Die anderen fallen oft unter den Tisch. Damit wächst die Gefahr, dass durch Weglassen wichtiger Resultate - auch eine nicht nachgewiesene Wirksamkeit ist ein Resultat -falsche Schlüsse bezüglich Wirksamkeit und Risiken einer Substanz gemacht werden. Es wird deshalb eine grössere Offenheit und Transparenz im Umgang mit Studienresultaten gefordert.
23.02.2005