Zahl der Alkoholvergiftungen bei Jugendlichen sinkend
Im Jahr 2012 wurden 24‘649 Personen wegen einer Alkoholvergiftung oder -abhängigkeit in einem Schweizer Spital stationär behandelt. Sowohl Abhängigkeit wie auch Fälle von Vergiftungen werden mit zunehmendem Lebensalter häufiger festgestellt. Nach einem Höchststand im Jahr 2008 haben die Alkoholvergiftungen stetig abgenommen, am stärksten bei den jungen Menschen.
Seit dem Höchststand von 2008 nimmt die Anzahl der wegen Alkoholvergiftung stationär behandelten Personen in allen Altersgruppen stetig ab. Am stärksten ist die Abnahme in der Altersgruppe zwischen 10 und 23 Jahren, nämlich um 19%. Die Anzahl liegt in dieser Altersgruppe aber noch immer rund 60% über dem Stand von 2003 und damit besorgniserregend hoch. Unter den jungen Menschen fällt aber auf, dass die Spitaleinweisungen mit Hauptdiagnose Alkoholvergiftung bei den 14- und 15-Jährigen am häufigsten sind. Das zeigt, dass sie im Umgang mit Alkohol unerfahren sind und eher riskieren, über die Massen zu trinken.
Die Studie zeigt, dass 1'090, also 9,3% der rund 11'679 Personen, die im Jahr 2012 mit einer Haupt- oder Nebendiagnose Alkoholvergiftung stationär hospitalisiert wurden, jünger als 24 Jahre sind. "Die Spitalstatistik zeigt klar, dass es sich bei Hospitalisierungen aufgrund von Alkoholintoxikation nicht nur um ein Jugendphänomen handelt“, erklärt Matthias Wicki, Studienautor und Forscher bei Sucht Schweiz. So weist die Alterskategorie zwischen 45 und 54 Jahren mit 2'464 die grösste Anzahl Personen aus. Gemessen an der Bevölkerungszahl liegt allerdings die Altersgruppe zwischen 65 und 74 Jahren mit knapp 2,5 eingewiesenen Personen pro 1000 Einwohner an der Spitze.
Häufige Diagnose Alkoholabhängigkeit
Im Jahr 2012 wurden insgesamt 17'156 Personen wegen einer Alkoholabhängigkeit im Spital behandelt. Eine solche Diagnose wird in fortschreitendem Lebensalter öfter gestellt. Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit, welcher in der Regel ein jahrelanger Risikokonsum vorausgeht. Über alle Altersgruppen hinweg haben stationäre Hospitalisierungen aufgrund von Alkoholabhängigkeit seit 2003 um 28 % abgenommen, da ein Teil der Behandlungen heute in anderen Einrichtungen erfolgt.
Erfolgt eine Spitaleinweisung hauptsächlich wegen eines schweren Rauschs, handelt es sich mit zunehmendem Alter nicht ausschliesslich um eine Alkoholvergiftung. "Die Tatsache, dass etwa die Hälfte der über 34-Jährigen, die mit einer Hauptdiagnose Alkoholintoxikation behandelt werden, auch alkoholabhängig sind, widerspricht der Annahme, dass es sich hierbei um verantwortungslose Spasstrinker handelt, erläutert Matthias Wicki.
Nur ein Teil aller Intoxikationen werden erfasst
Die ermittelten Zahlen spiegeln allerdings nicht das gesamte Ausmass des Problems wider, denn sie beruhen ausschliesslich auf stationär behandelten Fällen. Personen, welche die Polizei betrunken nach Hause bringt, Behandlungen in Hausarztpraxen oder ambulante Behandlungen in Spitälern werden in der medizinischen Statistik nicht ausgewiesen.
Herausforderungen für Prävention und Frühintervention
Trotz rückläufigen Zahlen besteht angesichts von noch immer fast 25'000 stationär behandelten Menschen grosser Handlungsbedarf. Für die Zukunft ist es entscheidend, dass Menschen, die auf Grund eines missbräuchlichen Alkoholkonsums ins Spital eingeliefert werden, nicht nur medizinische Versorgung erhalten, sondern auch motiviert werden, sich mit dem riskanten Konsumverhalten auseinanderzusetzen. Gefährdete Personen sollten mittels eines Beratungsgesprächs "am Krankenbett" frühzeitig erfasst und bei Bedarf weiterführende Unterstützung angeboten werden, wie dies in einigen Spitälern bereits umgesetzt wird. Auf der Grundlage dieser vorliegenden Erfahrungen erarbeitet Sucht Schweiz bis Ende Jahr im Rahmen des Nationalen Programms Alkohol (NPA) und in Zusammenarbeit mit Fachleuten aus dem Spital- und Suchtbereich Empfehlungen, wie solche Massnahmen durchgeführt werden sollten, damit sie Erfolg haben. Fest steht: Weiterführende Unterstützungsangebote sollen möglichst viele der gefährdeten Personen erreichen.
Genau dies wird mit der parlamentarischen Initiative Bortoluzzi aber aufs Spiel gesetzt: Mit der Annahme der Initiative, welche die Kostenübernahme durch die Betroffenen anstrebt, würde riskiert, dass Menschen aus Angst vor den Kosten auf eine Versorgung im Spital verzichten würden.
Eine wirksame Prävention sieht anders aus: Sie setzt bei den Ursachen an, beispielweise bei der Tatsache, dass Alkohol beinahe jederzeit und überall verfügbar ist. Auch dazu liegen Erfahrungen sowohl aus dem Ausland wie auch aus dem Inland vor: So gilt beispielsweise im Kanton Genf seit 2005 für Läden nachts sowie für Tankstellen und Videotheken auch tagsüber ein Alkoholverkaufsverbot. Damit wurde ein durchschlagender Erfolg erzielt: Die Zunahme der Anzahl von Personen unter 30 Jahren, die mit Alkoholvergiftung hospitalisiert wurden, war in Genf zwischen 2005 und 2007 in Folge der Verkaufseinschränkung um 35 % tiefer als in der übrigen Schweiz.
27.11.2014