''Biologics'' – Neue Hoffnung für Patienten mit schwerster Psoriasis
Etwa zwei Prozent der Bevölkerung leiden an der so genannten Schuppenflechte. Die Erkrankung ist chronisch und verläuft schubweise. Ein kleiner Teil der Patienten spricht auf keine gängigen Therapieformen an. Mit neu entwickelten Wirkstoffen, die direkt ins Immunsystem eingreifen, kann diesen Patienten geholfen werden.
Jeder kennt sie: Menschen mit Psoriasis fallen wegen ihrer roten, entzündeten Hautpartien auf. Die Krankheit wirkt sich nicht nur körperlich aus, sondern auch psychisch. Menschen mit Psoriasis werden ausgegrenzt, man nimmt von ihnen Abstand.
Doch ansteckend ist die Krankheit nicht. Heute weiss man, dass Psoriasis eine genetisch bedingte, meist ererbte Krankheit ist und dass die Hauterscheinungen Folgen einer gegen den eigenen Körper gerichteten immunologischen Reaktion sind.
"Die fehlgeleitete Immunreaktion und damit ein Psoriasisschub können durch unterschiedlichste Faktoren in Gang gebracht werden", erklärt Prof. Günter Burg, Leiter der Dermatologischen Universitätsklinik Zürich. "Hautverletzungen und andere mechanische Einwirkungen, Infekte – vor allem Halsinfekte –, Arzneimittel, Alkohol, psychischer Stress oder hormonelle Veränderungen sind nur einige der möglichen Auslöser."
Beim gesunden Menschen erneuert sich die Epidermis in einem Zeitraum von 28 Tagen. Bei Psoriatikern hingegen vollzieht sich der Prozess von der Zellbildung bis zur Abstossung der obersten Hautschicht in nur etwa vier Tagen. Weil zu rasch zu viele Epidermiszellen gebildet werden, können sich diese nicht richtig entwickeln. Die Verhornung der schützenden obersten Hautschicht ist gestört und es bilden sich die typischen starken Schuppenauflagerungen. An sich verursacht die Krankheit keine Schmerzen, sie kann jedoch zu Juckreiz und Spannen in der Haut führen.
Neue Präparate für schwere Fälle
Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen Immunsystem und Psoriasis haben zu einer neuen Generation von Arzneimitteln geführt, die direkt ins Immunsystem eingreifen und dort die Prozesse unterbinden, die einen Psoriasisschub auslösen. Dabei geht es darum, die Überaktivität bestimmter Abwehrzellen frühzeitig zu stoppen.
Die neuen Präparate enthalten biotechnologisch erzeugte Wirkstoffe, die auf der Ebene des Immunsystems in die Kommunikation der Zellen eingreifen und körpereigene Prozesse, die der Regulierung dienen, nachbilden.
Diese Wirkstoffe werden unter dem Begriff "Biologics" zusammengefasst. Es handelt sich meist um Antikörper oder Fusionsproteine, welche die Signaleiweisse der Hautentzündung zu blockieren versuchen. Sie werden dem Körper mittels Injektion zugeführt, da sie im Magen verdaut werden, bevor sie wirken können.
Konservative Therapiemöglichkeiten
Die schon seit dem Altertum bekannte Schuppenflechte ist bislang nicht heilbar. Daran ändern auch die Biologics nichts. Das bisher verschriebene therapeutische Spektrum reicht von äusserlich anzuwendenden Präparaten über verschiedene Arten der Lichttherapie bis hin zu im ganzen Organismus wirkenden Medikamenten bei schwereren Erkrankungsformen.
"Da die meisten systemischen Therapien mit gravierenden Nebenwirkungen vor allem auf Nieren und Leber behaftet sind, setzen wir sie nur sehr zurückhaltend ein", sagt Sybille Jungen, Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Basel. Sie arbeitet vor allem mit lokalen Therapien sowie mit der Behandlung mit UV-B-Licht und hat damit gute Erfolge. Allerdings, räumt sie ein, sehe sie in ihrer Praxis auch keine wirklich schweren Fälle, denn diese Patientinnen und Patienten würden sich direkt an die Unikliniken wenden.
Verfügbarkeit der neuen Wirkstoffe
An der Dermatologischen Universitätsklinik am Inselspital in Bern hat man gute Erfahrungen gemacht mit den neuen biologischen Therapien. "Auch bezüglich der zu erwartenden Nebenwirkungen sieht es bis jetzt gut aus", sagt Klinikleiter Prof. Lasse R. Braathen. Wobei man sich bewusst sein müsse, dass mit dem Eingreifen ins Immunsystem auch Mechanismen blockiert werden könnten, die man anderweitig zur Immunabwehr brauche, was wiederum das Risiko, eine Infektion zu erleiden, erhöht.
"Die neue Therapiestrategie ist sehr wirksam, da aber die einzelnen Biologics an unterschiedlichen Stellen ins Immunsystem eingreifen, vertragen nicht alle Patienten jedes dieser Arzneimittel", bestätigt auch Günter Burg in Zürich.
Ein Pferdefuss der neuen Therapien sind zudem die aufgrund des teuren Herstellungsverfahrens entstehenden Kosten, die Braathen mit 20 000 bis 26 000 Franken pro Patient und Jahr beziffert.
Aus Kostengründen werden Biologics nur Patienten verschrieben, "die wirklich geplagt sind mit ihrer Schuppenflechte und die auf systemische Behandlungen nicht ansprechen oder diese wegen der Nebenwirkungen abbrechen mussten", sagt Burg.
Einige der neuen Medikamente werden teilweise von der Krankenkasse bezahlt, andere sind noch im Bewilligungsverfahren. "In manchen Fällen beantragen wir deshalb die Kostenübernahme auch für noch nicht kassenpflichtige Biologics", erklärt Burg.
02.11.2006