In 30 Minuten bereit für den Herznotfall
Die Schweizerische Herzstiftung lanciert mit dem HELP-Jugend- und -Familienprogramm ein innovatives Selbstlern-Konzept zur Lebensrettung. Durch ein autodidaktisches Training mit dem Übungs-Kit MiniAnne können Laien schnell, einfach und kostengünstig lernen, was bei einem Herznotfall zu tun ist.
Nur jede zweite befragte Person traute sich deshalb eine Beatmung und sogar nur jede dritte die Herz-Lungen-Massage zu. In der Schweiz ereignen sich pro Jahr 8'000 Herz-Kreislauf-Stillstände – weniger als fünf Prozent der Opfer überleben ein solches Ereignis. Es könnten deutlich mehr sein, wenn der Anteil der in Herz-Lungen-Wiederbelebung ausgebildeten Bevölkerung gesteigert würde.
Neues Selbstlern-Konzept eröffnet Chancen
Lebensrettungswissen und seine Anwendung in der Bevölkerung auf breiter Basis zu implementieren ist ein Anliegen der Schweizerischen Herzstiftung und ihrem HELP-Jugend- und -Familienprogramm. Zentrales Element bildet das Lebensrettungs-Training, das bereits bei Kindern und Jugendlichen ansetzt und auf dem neuen Selbstlern-Kit MiniAnne basiert. Eine autodidaktische DVD vermittelt die Technik der Herz-Lungen-Massage, der Beatmung und des Einsatzes des automatischen externen Defibrillators (AED).
Studien zeigen: Das Training mit dem MiniAnne-Kit ist wirksam, dies bei geringerem Zeitaufwand und deutlich tieferen Kosten. Der Besuch eines traditionellen Lebensrettungskurses wird als sinnvolle Fortsetzung dieser Ausbildung angesehen. Eine weitere Studie belegt: Mit dem MiniAnne-Kit können Jugendliche die Kenntnisse praktisch gleich gut erwerben und sich daran erinnern wie Erwachsene. Bereits Kinder ab 10 Jahren lernen in weniger als 30 Minuten, wie man ein Leben rettet.
Besonders sinnvoll für Schulen
Am Lancierungsanlass in Bern haben sich 100 Schülerinnen und Schüler aus fünf Schulen der Deutsch- und Westschweiz mit dem MiniAnne-Kit die Kenntnisse der Lebensrettung angeeignet. Bundesrat Didier Burkhalter, Vorsteher des Departments des Innern und zuständig für Gesundheit, war ebenfalls vor Ort. Er übergab den Jugendlichen, die erstmals in der Schweiz mit dem neuen Konzept ausgebildet wurden, ein Lebensrettungs-Zertifikat.
„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“, heisst ein bekanntes Sprichwort. Die Schweizerische Herzstiftung ist deshalb davon überzeugt, dass man bereits Kindern und Jugendlichen das Lebensrettungswissen vermitteln sollte, um langfristig ein höheres Kompetenzniveau in der Bevölkerung zu erreichen.
Zudem sind Jugendliche gute Multiplikatoren, denn sie geben, laut einer Studie mit dem Selbstlern-Konzept, ihre Kenntnisse an durchschnittlich 2.5 Personen weiter. Das Training mit dem Übungs-Kit hat noch weitere günstige Effekte: Es kann Lehrkräften helfen, zentrale Grundwerte wie Toleranz, Solidarität und Hilfsbereitschaft und damit soziale Kompetenzen bei Jugendlichen zu fördern. Weltweit ist das Selbstlern-Konzept in etwa 20 Ländern erfolgreich eingeführt worden, unter anderem in den USA, in Australien und in mehreren europäischen Ländern wie Dänemark, Holland oder Deutschland.
Regelmässig üben macht sicher
Nach wie vor gibt es in der Schweiz keine obligatorische Ausbildung zur Lebensrettung. Man geht davon aus, dass lediglich ein bis zwei Prozent der Bevölkerung pro Jahr in Lebensrettung ausgebildet werden, was eindeutig zu wenig ist. Ferner mangelt es an der regelmässigen Auffrischung des Gelernten. „Bereits nach einem halben Jahr geht 50 Prozent des Wissens verloren“, sagt Prof. Martin von Planta, Vorsitzender der Projektgruppe HELP der Schweizerischen Herzstiftung. „Das MiniAnne-Übungskit senkt sowohl die Schwelle für die Ausbildung als auch für die Weiterbildung, weil sich jede Person das kostengünstige ‚Trainingsobjekt anschaffen und damit die Kenntnisse jederzeit auffrischen kann“, erklärt Prof. Martin von Planta.
Schulen üben den Notfall
In den Schulen gehört das Lebensrettungs-Herznotfall-Training ebenfalls noch nicht zum Pflichtstoff. Einzig im Tessin und in der Stadt Rapperswil-Jona wurden bisher Projekte vom Kanton bzw. der Stadt bewilligt, finanziert und gestartet. Diese Projekte haben die Ausbildung von rund 15'000 (in fünf Jahren) bzw. 700 Schülerinnen und Schülern der Oberstufe zum Ziel. In der Deutsch- und Westschweiz hofft die Schweizerische Herzstiftung, weitere Gemeinden und Schulen auch ohne Obligatorium für das neue Konzept gewinnen zu können.
Dieses kann in den Schulunterricht (zum Beispiel in die Fächer Sport oder Mensch und Umwelt) oder in eine Projektwoche integriert werden. Die Schweizerische Herzstiftung und der Schweizerische Samariterbund planen deshalb vorerst in verschiedenen Kantonen und Schulen Pilot-Impulsprojekte durchzuführen. Innerhalb der nächsten zwei Monate sollen die Schulen nähere Informationen zum Selbstlern-Konzept und eine Ausschreibung zu den Impulsprojekten erhalten.
Vielfältiges Einsatzpotenzial
Das innovative Selbstlern-Kit bleibt jedoch nicht allein Jugendlichen an Schulen vorbehalten. Sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten bieten sich ebenfalls für den Nothilfekurs im Zusammenhang mit dem Erwerb des Führerausweises, Jugend- und Sportvereine, Betriebe und Institutionen aller Art, für Polizei, Feuerwehr, Militär sowie für Fachpersonen aus der Medizin und dem Rettungs- und Gesundheitswesen. Da sich vier von fünf Notfälle ausserhalb des Spitals, oft zu Hause und im Beisein von Angehörigen, ereignen, sind Grundkenntnisse der ersten Hilfe im Herznotfall für jede erwachsene Person empfehlenswert – ganz speziell aber für Angehörige von Personen, die bereits einen Herzinfarkt hatten oder an Herzrhythmusstörungen leiden.
Linkemepfehlung
30.03.2010