Kinder alkoholkranker Eltern: Internetplattform unterstützt Betroffene
Diese erste nationale Internetplattform will möglichst viele betroffene Kinder und Jugendliche erreichen, welche unter der Situation zu Hause leiden und sie will Synergien zu kantonalen Angeboten fördern.
Mehrere Zehntausend Kinder wachsen in der Schweiz mit einem alkoholabhängigen Elternteil auf. Meist leiden diese Kinder an fehlender Sicherheit, Schuldgefühlen und daran, dass in der Familie die Alkoholkrankheit verleugnet wird. Oft stehen sie mit ihren Gefühlen der Scham, Wut oder Angst alleine da. Im Vergleich zu Kindern aus Familien ohne Alkoholprobleme tragen sie zudem ein sechsfach höheres Risiko, später ein Suchtproblem oder psychische Beschwerden zu entwickeln.
Nationale Weiterbildungs- und Austauschplattform
Sucht Info Schweiz sensibilisiert seit 2004 nicht nur die breite Öffentlichkeit für diese gesellschaftliche Problematik, sondern auch Fachleute, die sich für Kinder alkoholabhängiger Eltern engagieren. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat im Rahmen des Nationalen Programms Alkohol (NPA) Sucht Info Schweiz 2010 beauftragt, eine Austauschplattform für Leitende von Projekten für Kinder aus alkoholbelasteten Familien ins Leben zu rufen. Das Ziel ist, Unterstützungsangebote für betroffene Kinder und deren Eltern zu entwickeln. Heute haben sich die Fachleute zum zweiten Mal in Bern getroffen, um weitere Lösungswege zu finden.
Doppeltes Tabu
Auf die Situation betroffener Kinder aufmerksam zu machen tut Not, denn das Schweigen ist ein doppeltes: Eltern verleugnen oft ihre Krankheit sowie deren Einfluss auf die Kinder und sie holen sich keine Unterstützung für ihre Kinder. Zu gross ist die Angst, als schlechte Eltern zu gelten. Anders als für Erwachsene gibt es für Kinder erst wenige Hilfsangebote. In den Fachstellen werden sie in der Regel als Kinder der Patienten und Patientinnen mit einem Alkoholproblem wahrgenommen. Dass sich die Eltern für eine Therapie entscheiden, ist bereits ein grosser Schritt. Auch deren Kinder zu erreichen, ist eine schwierige Herausforderung.
Möglichst viele Kinder erreichen
Am heutigen Mediengespräch anlässlich der Austauschplattform mit den Sucht-fachleuten der Kantone stellte Sucht Info Schweiz eine neue Internetseite mit einem Gesprächsforum für betroffene Kinder vor. Damit sollen auch die Kinder von Eltern angesprochen werden, die keine professionelle Unterstützung beanspruchen wollen. "Oft sind es gerade jene Kinder, die Hilfe am dringendsten benötigen". Mit dem Forum können sich Heranwachsende untereinander austauschen, und dies auf anonyme Weise", erklärt Marion Forel, Präventionsfachfrau von Sucht Info Schweiz, welche die Internetplattforum konzipiert hat.
Für 8- bis 12-Jährige und 13- bis 20-Jährige
www.mamatrinkt.ch und www.papatrinkt.ch – so lauten unmissverständlich die beiden Internetseiten, die Informationen bereitstellen und einen Austausch ermöglichen, wobei die 8- bis 12-Jährigen sowie die 13- bis 20-Jährigen je einen separaten Bereich vorfinden. Wichtiges Ziel war, die Seite so attraktiv wie möglich zu gestalten, damit die jungen Internetsurfer ein ihren Erwartungen entsprechendes modernes Kommunikationsmittel antreffen. Informationen, Tipps, Antworten auf häufig gestellte Fragen und Erlebnisberichte sollen ihre Situation verständlicher machen. Von 8 bis 21 Uhr moderieren Präventionsfachleute von Sucht Info Schweiz täglich die Gesprächsforen, sie beraten und geben ergänzende Informationen. Ein besonderes Anliegen ist auch, die jungen Internetsurfer mit entsprechenden Sicherheitsmassnahmen zu schützen.
Kantonale Angebote ergänzen
"Die Internetplattform spricht die Bedürfnisse betroffener Kinder an. Gleichzeitig dient sie Fachleuten und weiteren Bezugspersonen. Sie will die Heranwachsenden und Teenager erreichen und so möglichst auch den Zugang zu weitergehenden Hilfsangeboten in den Kantonen erleichtern", stellt Irene Abderhalden, Leiterin Prävention von Sucht Info Schweiz, fest.
Laut einer im letzten Jahr von Sucht Info Schweiz durchgeführten Situationsanalyse gibt es in den folgenden Kantonen spezifische Angebote: Aargau, Zürich, Bern, Neuenburg, Waadt, Wallis, Freiburg und Graubünden. Die grosse Herausforderung besteht schweizweit für alle Fachleute darin, betroffene Kinder zu erreichen um ihnen zu helfen. "Mit der zweisprachigen Internetplattform ergänzt Sucht Info Schweiz bestehende Präventions- und Hilfsangebote. Wir hoffen, damit nicht nur die sensible Thematik stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, sondern auch neue Synergien zu fördern", fasst Michel Graf, Direktor von Sucht Info Schweiz zusammen.
14.04.2011