Lungenerkrankungen - wie hilft Physiotherapie
Bei Atemwegserkrankungen unterstützt die Physiotherapie die Lunge bei ihrer lebenswichtigen Funktion: dem Gasaustausch, also der Aufnahme von Sauerstoff und der Abgabe von Kohlendioxid.
Bei Patienten mit Lungenerkrankungen, stellt sich für die Physiotherapeuten die Frage, welche Faktoren die Atmung einschränken.
Für eine effektive Therapie müssen folgende Punkte geklärt werden:
- Welche Struktur ist betroffen? (z.B. Bronchien, Pleura, Gelenke)
- Welche Funktion ist eingeschränkt? (z.B. Belüftung der Lunge (Ventilation, Verteilung der Luft)
- Wobei ist Vorsicht geboten (Risikosituationen) und gibt es Massnahmen, die ausgeschlossen werden müssen (Kontraindikationen)?
- Welche Prognose besteht bei der Erkrankung?
- Liegen mehrere Probleme vor und wie sind sie miteinander verbunden?
Die wichtigsten Ziele der Therapie
Abhängig von der Erkrankung und der vorliegenden Störungen, sind die Ziele der therapeutischen Massnahmen:
- Eine gute und gleichmässige Belüftung (Ventilation) der Lunge, um den Gasaustausch zu optimieren
- Erleichterung der Atemarbeit, damit der Patient nicht unnötig ermüdet oder sich selbst schadet
- Instruktion des Patienten (z.B. Inhalationsgeräte, Atemtechniken, Bewegung)
Eine gute Ventilation der Lunge ist nicht nur für die Sauerstoffzufuhr wichtig. Das Risiko von Lungeninfektionen ist bei schlechter Belüftung zusätzlich erhöht. (respiratorische Infektionen und bettlägerige Patienten)
Störungsursachen
Die Störungen, welche die Atmung beeinträchtigen können, lassen sich in drei Kategorien einteilen:
Kategorie | Struktur | ||
---|---|---|---|
Innere Mechanik | ausserhalb der Bronchien | ||
innerhalb der Bronchien | Sekret Schwellung Spasmus |
||
Zentrale und psychosoziale Störungen | |||
Äussere Mechanik | Brustkorb (Thorax) | Gelenke Knochen | |
neuromuskulär Pleura |
Einteilung der Atemwegserkrankungen (Funktionsstörung)
Grundsätzlich kann man die Atemwegserkrankungen in zwei Kategorien einteilen: obstruktive und restriktive Ventilationsstörungen. Diese Einteilung beschreibt die Ursache für eine beeinträchtigte Belüftung der Lunge.
Gewisse Lungenerkrankungen haben je nach Stadium sowie durch zusätzliche, beeinträchtigende Faktoren (z.B. Körperbau, Infektionen, weitere bestehende Krankheiten), Belüftungsstörungen beider Kategorien zur Folge. Der Therapeut untersucht jeweils, welche Aspekte die Belüftung am stärksten einschränken und richtet seine Behandlung danach.
Im Folgenden werden die zwei Kategorien der Ventilationsstörung aufgeführt und die wichtigsten Massnahmen beschrieben.
Obstruktive Ventilationsstörungen
Bei den obstruktiven Ventilationsstörungen sind die Atemwege vorübergehend oder chronisch verengt oder belegt, zum Beispiel durch Bronchospasmus (Verkrampfen der Atemwege), Schleimhautschwellung oder durch Sekretansammlung. Dies erhöht den Strömungswiderstand bei der Aus- und/oder Einatmung und erschwert die Atmung.
Folgende häufige Lungenerkrankungen verursachen obstruktive Ventilationsstörungen (die Liste ist nicht vollständig):
Akute Erkrankungen
- Bronchitis
- Lungenentzündung, Pneumonie
- Schweres Akutes Respiratorisches Snydrom SARS
- Keuchhusten, Pertussis
Chronische Erkrankungen
- Asthma bronchiale
- Chronisch obstruktive Bronchitis (COPD)
- Mukoviszidose/cystische Fibrose des Erwachsenen
- Lungenemphysem, Lungenblähung
- Bronchialkrebs, Lungenkrebs
Restriktive Ventilationsstörungen
Erkrankungen, die zu einer vorübergehenden oder definitiven Einschränkung der Blähungs- und Belüftungsfähigkeit der Lunge führen, nennt man restriktive Ventilationsstörungen.
Die Lunge kann sich dabei durch krankhafte Veränderungen des Lungengewebes nicht mehr vollständig ausdehnen oder verliert an Flexibilität durch äussere Faktoren, wie verminderte Funktion der Atemmuskulatur oder Veränderungen des Skeletts Durch diese Einschränkungen vermindert sich das Atemvolumen. Die operative Entfernung einer Lunge oder auch die Teilentfernung vermindert ebenfalls das Atemvolumen.
Zu restriktiven Ventilationsstörungen führen folgende Krankheiten:
- Lungenödem
- Zustände nach Lungenembolie
- Zustände der Tuberkulose oder der Poliomyelitis (Kinderlähmung)
- Lungenkrebs
- Lungenkollaps, Pneumothorax
- Zwerchfellbruch
Leitsymptome: Erkennen von Risikosituationen
Zu den Leitsymptomen gehören bei Atemerkrankungen
- Dyspnoe, Atemnot
- Husten
- Schmerzen der Brustwand, Thoraxschmerzen
- Blauanlaufen, Zyanose (bläuliche Verfärbung von Haut und Schleimhaut)
Diese Leitsymptome sind nicht nur wichtig für die physiotherapeutische Beurteilung, sondern auch für das Erkennen von Risikosituationen.
Dyspnoeskala
Klasse |
Schweregrad |
Beschreibung |
---|---|---|
0 | keine Dyspnoe | keine Beschwerden beim raschen Gehen in der Ebene oder Gehen mit leichter Steigung |
1 | mild | Kurzatmigkeit beim raschen Gehen in der Ebene oder Gehen mit leichter Steigung |
2 | mässig | aufgrund von Kurzatmigkeit langsamerer Gang in der Ebene als Altersgenossen oder Pausen zum Atemholen auch bei eigenem Schrittempo |
3 | schwer | Pausen zum Atemholen nach einigen Minuten oder etwa 100m im |
4 | sehr schwer | zu kurzatmig um das Haus zu verlassen. Atemnot beim An- und Ausziehen |
Husten
Der Husten ist das häufigste Symptom bei Lungenerkrankungen. Grundsätzlich sollte jeder länger andauernde Husten (>3-4 Wochen) ärztlich abgeklärt werden, da er dann als krankhaft gilt. In der folgenden Tabelle werden einige grobe Anhaltspunkte zum Husten vermittelt:
Charakteristikum |
Hinweis für |
akut (< 3 Wochen) | meist ein Infekt der Atemwege. Vorsicht: Husten kann Anzeichen für potentiell lebensbedrohliche Erkrankungen sein (Herzinsuffizienz, Lungenembolie, Aspiration (Fremdkörper in Lunge) Perikarditis (Herzbeutel-Entzündung)) |
mit atemabhängigen Schmerzen | Pleuritis |
chronisch (> 3 Wochen) | meist nicht in erster Linie ein Infekt, sollte abgeklärt werden (Asthma, Tumor, Fibrose, Schleimhautreizungen) |
nächtlich | Asthma bronchiale, Linksherzinsuffizienz |
chronisch (> 3 Wochen), klinisch, radiologisch und bei Lungenfunktionstest (Spirometrie) unauffällig | niederschwellig reizbare Bronchien, chronische Entzündung der oberen Atemwege, chronische Bronchitis, gastroösophagaler Reflux, ACE-Hemmer, ?-Blocker, psychogener Husten |
Auswurf generell | Infekt, Bronchitis, Bronchiektasen, Cystische Fibrose |
Auswurf, schleimig | Virusinfektion, chronische Bronchitis |
Auswurf, eitrig | eitriger Atemwegsinfekt |
Auswurf, zähflüssig | Asthma bronchiale |
Auswurf wässrig/ schaumig/bei Lagewechsel | Aspiration (Fremdkörper in Lunge), Fistel, Bronchiektasen |
Auswurf blutig | Sollte immer ärztlich abgeklärt werden. Bei grösseren Mengen Blut sollte sogar der Notfall aufgesucht werden. |
Schmerzen der Brustwand, Thoraxschmerzen
Schmerzen im Brustwandbereich sind ein Leitsymptom für Störungen der äusseren Mechanik, da die kleinen Atemwege, das Lungengewebe und die innere Pleura keine Schmerzsensoren besitzen und damit nicht direkt Schmerz auslösen können. Hingegen sind mit Schmerzsensoren ausgestattet:
- die äussere Pleura
- die grossen Pulmonalarterien
- der Herzmuskel
- die Speiseröhre und
- die Brustwandstrukturen (Knochenhaut, Muskulatur, Gelenkstrukturen)
Die unterschiedlichen Schmerzqualitäten und Schmerzlokalisationen sind von der Ursache abhängig.
Blauanlaufen, Zyanose
Als Zyanose bezeichnet man die bläuliche Verfärbung der Haut und der Schleimhäute durch eine erhöhte Konzentration von sauerstoffarmem Blut. Sie deutet zuverlässig auf eine mangelnde Versorgung des Gewebes mit Sauerstoff. Bei Blutarmut (Anämie) ist eine Zyanose allerdings sehr selten sichtbar.
Respiratorische Infektionen
Infektionen werden durch ein geschwächtes Immunsystem begünstigt. Normalerweise sind Luftröhre, Bronchien und Lunge keimfrei, da eindringende Erreger laufend mit dem Sekretstrom nach oben transportiert oder durch eine Reihe von Abwehrmechanismen ausgeschalten werden. Können sich aber Viren, Bakterien, Pilze oder andere Erreger in den Atmungsorganen ausbreiten, liegt eine Infektion vor.
Bei allen Infektionskrankheiten ist eine medikamentöse Behandlung gegen die Erreger die wichtigste Therapie. Die Physiotherapie wirkt unterstützend für die Ventilation der Lunge und die Schleimförderung.