Sprechzimmer logo
Gangstörung: wenn das Gehen nicht mehr kontrolliert werden kann
Gangstörung: wenn das Gehen nicht mehr kontrolliert werden kann
Bei der Gangstörung handelt es sich um eine Bewegungsstörung, welche entweder durch Probleme des Bewegungsapparates oder durch neurologische Leiden bedingt sind. Typische Beispiele von orthopädischen Gangstörungen sind das Hinken bei starken Schmerzen bzw. Gelenkversteifungen oder bei Hüftgelenkserkrankungen. Neurologische Störungen, welche mit einer Gangstörung einhergehen, sind zum Beispiel Lähmungen nach Schlaganfall, Multiple Sklerose, Parkinson oder Erkrankungen des Kleinhirns. Seltener sind so genannte psychogene Gangstörungen.

Gangst örungen führen zu Schwierigkeiten beim Gehen und erhöhen die Sturzgefahr. Insbesondere im Alter erhöhen zusätzliche Faktoren wie Gleichgewichtsstörungen, Schwindel oder Sehprobleme das Sturz- und Verletzungsrisiko. Gangstörungen führen bei alten Menschen häufig zu Unselbstständigkeit, Angst vor Stürzen und sozialem Rückzug und bedeuten eine massive Einschränkung der Lebensqualität.

Gangstörungen machen sich in verschiedenster Weise bemerkbar. Einige Gangstörungen haben sogar aufgrund ihres charakteristischen Aussehens einen entsprechenden Namen:

  • Hinken bzw. schleppendes vorsichtiges Gehen, bei Verletzungen oder entzündlichen Gelenkerkrankungen
  • Nachziehen eines Beines, bei Hüftgelenkerkrankungen oder Parkinson
  • Torkelnder Gang, bei Medikamentennebenwirkung oder unter Alkoholeinfluss
  • Schlurfender Gang, bei Demenz
  • Breitbeiniger Gang, bei Gangunsicherheit
  • Pausen beim Gehen, bei Schaufensterkrankheit (Durchblutungsstörung der Beine)
  • Gangunsicherheit mit Fallneigung, bei Sehminderung
  • Stepper- oder Storchengang, bei Nervenschädigungen in den Füssen: der Fuss hängt beim Gehen herab, das Bein muss stärker angehoben werden um nicht zu stolpern
  • Trippelschritte, bei Parkinson: kleinschrittiger Gang mit nach vorne gebeugtem Oberkörper, die Arme schwingen nicht mit
  • Scherengang, bei psychischen Erkrankungen: Überkreuzen der Beine beim Gehen
  • Wernicke-Mann-Gangbild, bei Halbseitenlähmung nach Schlaganfall: das gelähmte Bein wird halbkreisförmig nach vorne geschwungen, gleichzeitig wird der gelähmte Arm angewinkelt an den Oberkörper gepresst.
  • Duchenne-Hinken bzw. Trendelenburg-Gang: watschelnder Gang bei Hüftgelenkerkrankungen
Begleitsymptome: Lähmungen/Lähmungserscheinungen, Schmerzen, Gefühlsstörungen, Schwindel, Fallneigung

Die häufigsten Ursachen für Gangstörungen sind Erkrankungen oder Verletzungen von Knochen, Gelenken oder Muskeln der Beine oder der Wirbelsäule (orthopädische Ursachen) oder infolge geschädigter Nerven (neurologische Ursachen). Gangstörungen können auch durch Medikamente ausgelöst werden oder im Rahmen innerer Erkrankungen auftreten (z.B. Durchblutungsstörungen der Beine). Seltener treten Gangstörungen bei psychischen Erkrankungen auf.

Orthopädische Ursachen für Gangstörungen (Gelenke, Knochen, Muskeln)

Gangstörungen aufgrund Erkrankungen der Nerven (neurologische Ursachen)

Weitere Ursachen

Gegen krankheitsbedingte Gangstörungen selbst kann man nicht viel tun. Um die Beweglichkeit möglichst zu erhalten oder zu verbessern ist es dennoch wichtig, gemeinsam mit dem Arzt geeignete Massnahmen zu ergreifen (Trainingsprogramme, Hilfsmittel).

Bei Gangstörungen steht die Sturzprävention im Vordergrund. Hier kann man vieles selber tun:

  • Körperbewusstsein stärken
  • Krafttraining
  • Beweglichkeitstraining
  • Gleichgewichtstraining
  • Falltraining und Aufstehtraining
  • Stolperfallen beseitigen: Teppiche befestigen, rutschfeste Matte in der Badewanne, Haltegriffe befestigen, Räume gut ausleuchten, Nachtlicht im Schlafzimmer, geeignetes Schuhwerk, etc.
  • Regelmässige Überprüfung der Medikation durch den Arzt
  • Sehvermögen regelmässig kontrollieren

Bei Gangstörungen besteht immer ein Risiko zu stürzen und sich dabei zu verletzen. Daher soll eine Gangstörung immer ärztlich abgeklärt werden. Viele Gangstörungen sind heute sehr gut behandelbar.

Welcher Arzt ist zuständig?

  • Hausarzt
  • Neurologe
  • Orthopäde
  • Internist
  • Psychiater / Psychologe


Um sich ein genaues Bild von den aktuellen Beschwerden und den möglichen Ursachen zu machen, erfolgt zuerst die Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) und eine körperliche Untersuchung mit einfachen Hilfsmitteln (Betrachten, Abtasten, Abhören, Abklopfen, Funktionsprüfungen, etc.). Ausgehend von der Anamnese und der körperlichen Untersuchung können weitere spezielle Untersuchungen folgen.

Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese)

  • Fragen zur Gangstörung selbst: seit wann, dauerhaft oder episodisch, plötzlich aufgetreten oder langsam und zunehmend, Zusammenhang mit einem Ereignis oder einer Verletzung, auslösende oder verstärkende Faktoren wie Dunkelheit oder unebener Untergrund, sind bereits Stürze aufgetreten, etc.
  • Begleitsymptome (siehe oben)
  • Vor- und Begleiterkrankungen, inklusive Unfälle und Operationen
  • Bedeutsame Erkrankungen und Todesursachen in der Familie
  • Medikamenteneinnahme
  • Lebensumstände, beruflicher und sozialer Hintergrund
  • Lebensgewohnheiten: Ernährung, Schlaf, Genussmittel (Kaffee, Alkohol, Nikotin, Drogen), Stress, etc.

Körperliche Untersuchung

Zunächst wird das Ausmass der Gangstörung sowohl beim normalen Gehen als auch unter erschwerten Bedingungen geprüft, z.B. Gehen auf Zehen oder Ferse oder wie ein Seiltänzer auf einer gedachten Linie zur Prüfung von einzelnen Muskellähmungen. Daneben gibt es noch eine ganze Reihe an Stand- und Gang-Tests. Danach werden Nervenfunktionen, Reflexe, Gefühlsempfinden, Motorik (Muskelkraft, Koordination von Muskelfunktionen) und Gleichgewichtssinn untersucht.

Weitere Diagnostik/spezielle Untersuchungen

  • Blutuntersuchungen
  • Hör- und Gleichgewichtsprüfung
  • Computertomografie (CT), Magnetresonsanztomographie (MRT)
  • Elektromyographie (EMG, Muskelfunktionsprüfung)
  • Elektroenzephalografie (EEG, Darstellung der Hirnströme)
  • Liquorpunktion (Hirnwasseruntersuchungen)
  • Je nachdem, was zur Gangstörung geführt hat, sind eventuell weitere Untersuchungen notwendig

Mehr Informationen zur Abklärung (Diagnostik) finden Sie in den jeweiligen Krankheitsbildern

Die Behandlung von Gangstörungen richtet sich immer nach der Ursache. Für viele Ursachen von Gangstörung gibt es heute sehr gute Behandlungsmöglichkeiten. Diese reichen von Medikamenten über Vitamin-Injektionen bis hin zu operativen Eingriffen.

  • Bei Gangstörungen infolge einer Medikamentennebenwirkung kann der Arzt die Dosierung anpassen oder das Medikament wechseln.
  • Bei psychogenen Ursachen kann eine Psychotherapie helfen, zusätzlich können Medikamente notwendig sein.
  • Bei fast allen Gangstörungen helfen unterstützende Massnahmen wie Krankengymnastik (Physiotherapie) und Massagen. Damit werden Gleichgewicht, Muskelkraft, Beweglichkeit und Koordination verbessert und die Durchblutung gefördert.
  • Zur Behandlung von Gangstörungen gehört auch die Prävention von Stürzen und deren Folgen: Wichtig sind geeignetes Schuhwerk, angepasste Hilfsmittel und die Beseitigung von Stolperfallen (siehe auch "Selbsthilfe")

Dr. med. Fritz Grossenbacher

Fritz Grossenbacher hat in Bern Medizin studiert. Er besitzt einen Master of Medical Education der Universitäten Bern und Chicago und ein Zertifikat in Teaching Evidence based Medicine des UK Cochrane Center in Oxford.

Doris Zumbühl

Doris Zumbühl ist diplomierte Medizinische Praxisassistentin. Sie verfügt über mehrere Weiterbildungen in den Bereichen Journalismus, IT und Bildbearbeitung.
 
  
Rectangle Bottom
Rectangle Right Top
MySana
Gesundheit selber in die Hand nehmen
Bildung, Wissenstests, Risikoschätzung 
Rectangle Right Bottom
Sky Right Top
finish adserving